“Wie bringt man eigentlich seinen Gegner dazu, versehentlich die Wahrheit zu sagen?”, fragt Anwalt Chan-jo Jun in einem seiner neuesten Videos. Er vertritt Hamburger Grüne gegen Ulrich Vosgerau. Der vertritt regelmäßig die AfD und AfD-Politiker wie Björn Höcke, und war auch beim von Correctiv aufgedeckten Geheimtreffen in Potsdam dabei.
In dem interessanten Verfahren vor dem Landgericht Hamburg hat der jetzt nämlich ein interessantes Zugeständnis gemacht: Der Mann, der seit Monaten gegen alles und jeden vorgeht, der von den Vertreibungsplänen Rechtsextremer wie der AfD in Potsdam berichten, hat über seine Anwälte zugegeben, dass die zentralen Aussagen des Correctiv-Berichts „Geheimplan gegen Deutschland“ rund um genau jene Vorwürfe nie vor Gericht angefochten wurden. Und damit auch nicht vor Gericht widerlegt. Einen Eindruck, den er aber sonst sehr gerne erweckt.
Diese Erkenntnis stellt einen massiven Rückschlag für die AfD dar. Und entlarvt die bisherige Strategie, durch zahlreiche Verfahren die Wahrheit über den Geheimplan zu verschleiern: Correctiv und auch Volksverpetzer dürfen auch nach vielen juristischen Attacken sagen, dass die “Vertreibung von Millionen von Menschen aus Deutschland” geplant wurde.
Hintergrund: Correctiv deckt Vertreibungspläne auf
Im Januar 2024 enthüllte das investigative Rechercheteam von Correctiv ein geheimes Treffen in Potsdam, an dem hochrangige AfD-Politiker, Mitglieder der Union sowie Rechtsextremisten wie Martin Sellner teilnahmen. Dabei wurde unter anderem darüber gesprochen, wie Millionen von Menschen, darunter auch deutsche Staatsbürger, aufgrund rassistischer Kriterien aus Deutschland vertrieben werden könnten. Correctiv legte dabei detailliert dar, wie die „Remigration“ – ein Euphemismus für die geplante massenhafte Abschiebung – umgesetzt werden sollte.
Die Enthüllungen führten zu einigen der größten Proteste in der deutschen Geschichte, schwächte die AfD massiv in Umfragen, was bis heute nachwirkt, und machten international Schlagzeilen. Die AfD-Chefin Alice Weidel sah sich gezwungen, ihren persönlichen Referenten zu entlassen. Sogar die französische Rechtsextremistin Marine Le Pen distanzierte sich von der AfD.
Wie ein AfD-Anwalt durch Klagen zu Nebensachen und andere Correctiv indirekt angreift
Ulrich Vosgerau, ein prominenter Anwalt der AfD, begann seine juristische Offensive gegen Correctiv mit dem Ziel, die Glaubwürdigkeit des investigativen Recherchedienstes zu untergraben. Anfangs verklagte Vosgerau Correctiv, wobei er versuchte, den Bericht als unrichtig und diffamierend darzustellen. Sein Ziel war es offensichtlich, einen juristischen Sieg zu erringen, der den Eindruck erwecken sollte, Correctivs Recherchen seien widerlegt worden, und damit die Reputation der AfD wieder herzustellen.
Er attackierte jedoch nie die zentralen Aussagen aus der Correctiv-Recherche, die wirklich zentral waren: Die Aussagen rund um MIgration und der Vertreibung auch deutscher Staatsbürger. Sondern nur nebensächliche Aussagen, die sich um seine Rolle als Teilnehmer beim Geheimtreffen drehten. Auch dort unterlag er übrigens in zwei von drei Punkten. Er und rechte Medien inszenierten das jedoch trotzdem als die große Widerlegung des Correctiv-Berichts.
Auch das Landgericht Hamburg hat in einem Urteil festgestellt, dass bei den Punkten rund um Remigration, Staatsbürger und Ausbürgerung alles korrekt war. Zitat vom Gericht dazu: “Die Darstellung entspricht der prozessualen Wahrheit”. Die AfD und ihre rechten Vorfeld-Medien versuchen seit Wochen erfolglos, Correctiv durch Propaganda in Verruf zu bringen und sind gescheitert. Sprich: In Potsdam wurde auch besprochen, deutsche Staatsbürger aus dem Land zu vertreiben.
Abmahnungen, die nichts mehr mit der Correctiv-Recherche zu tun haben
Genau deshalb setzte Vosgerau seine Strategie fort. Er verklagte seither zahlreiche andere Medien, darunter regionale Zeitungen und Online-Plattformen, offensichtlich in der Hoffnung, das hier oder da schlampige Formulierungen angreifbar waren, und er diese Erfolge als Erfolge gegen den Correctiv-Bericht inszenieren könnte. Einige dieser Verfahren wurden tatsächlich teilweise aus seiner Sicht erfolgreich beendet.
Darunter erfolgreiche Abmahnungen wie gegen die Süddeutsche, die fälschlicherweise berichtet hatte, die CDU habe gegen Vosgerau wegen dem Correctiv-Treffen seinen Parteiausschluss eingeleitet zum Beispiel. Auch ein Verfahren, das Vosgerau ironischerwise als Erfolg in seinem vermeintlichen Kampf gegen eine Correctiv-Kampagne mit “Irreführungen” darstellt. Obwohl es weder was mit Correctiv, noch irgendetwas mit den Inhalten ihrer Recherche zu tun hat.
Seine Niederlagen lässt Vosgerau wiederum bequem unter den Tisch fallen, wie zum Beispiel unter anderem gegen Volksverpetzer oder Anwalt Chan-jo Jun. Und auch noch mal gegen Correctiv. Wie viele es tatsächlich waren, verrät er verdächtigerweise nicht. Diese anhaltenden, aber letztlich belanglosen rechtlichen Angriffe verdeutlichen, dass man offenbar bemüht ist, die Wahrheit zu vertuschen, jedoch den Kern der Correctiv-Recherche nicht erschüttern kann.
Der Prozess: Vosgerau gesteht indirekt die Richtigkeit von Correctiv
Im aktuellen Prozess vor dem Landgericht Hamburg, den Vosgerau gegen die grüne Bürgerschaftsfraktion führt, steht wieder der Correctiv-Bericht im Mittelpunkt. Anwalt Chan-jo Jun vertritt die grüne Bürgerschaftsfraktion in Hamburg. Auch der will Vosgerau bestimmte Aussagen zur Correctiv-Recherche aus einer Pressemitteilung und einem Antrag, den die Bürgerschaftsfraktion im Landtag eingebracht hatte, verbieten.
Jun stellte Vosgerau eine Falle: Er argumentierte vor Gericht, dass die Beklagten das sagen dürften, denn die Correctiv-Recherche sei ja journalistisch und gerichtlich (in seinen zentralen Aussagen) bestätigt worden. Das zwang Vosgerau zur Klarstellung: Er musste vor Gericht argumentieren, dass die Kernaussagen von Correctiv nicht widerlegt, sondern schlichtweg nicht angegriffen wurden.
Dies widerspricht seiner bisherigen Litigation-PR-Strategie, die darauf abzielte, durch zahlreiche Klagen den Eindruck zu erwecken, Correctiv sei widerlegt worden. Tatsächlich wurde der Bericht von Correctiv vor Gericht wirklich weder mehrfach noch vollständig widerlegt. Ein Fakt, den Vosgerau nun unfreiwillig bestätigen musste. Denn genau seine Strategie war es bisher, diesen Eindruck zu erwecken.
Martin Sellner und die Definition von Remigration
Martin Sellner, der prominente Rechtsextremist und Teilnehmer des Potsdamer Treffens, hat kürzlich in einem Tweet zugegeben, dass die geplante „Remigration“ auch die Vertreibung deutscher Staatsbürger umfasst. Und dass er das im Geheimtreffen in Potsdam auch besprochen hatte. Eines der zentralen Streitpunkte in dieser Debatte.
Dies widerspricht sogar den eidesstattlichen Versicherungen, die während des Verfahrens abgegeben wurden und besagten, dass „zu keinem Zeitpunkt eine Remigration von Menschen mit deutschem Pass gefordert oder geplant“ worden sei. Sellners Eingeständnis macht deutlich, dass die Strategie nicht nur auf Ausländer abzielt, sondern auch auf deutsche Staatsbürger, die als „nicht assimiliert“ gelten. Man könnte sagen: Genau die Aussage, die man verschleiern möchte.
Das Bayerische Verwaltungsgericht München (BayVG) hat kürzlich in einem separaten Urteil gegen die AfD Bayern klar definiert, dass „Remigration“ nach Sellner Abschiebungen von deutschen Staatsbürgern einschließt.
Dies bedeutet, dass die von Sellner und offenbar ja auch der AfD geplanten Maßnahmen nicht nur auf Ausländer beschränkt sind, sondern auch die Ausweisung von deutschen Staatsbürgern durch gesetzliche Änderungen und den Entzug der Staatsbürgerschaft umfassen. Das Verwaltungsgericht spricht sogar von geplanten “Ghettogesetzen”. Sellner ist nicht die AfD, aber dass sich die AfD seine Pläne zu eigen machen scheint, zeigt, dass die Partei zu Recht vom Verfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall eingestuft wird.
Dass es auch die ganze Zeit um deutsche Staatsbürger ging, war ja nie ein Geheimnis. Die geplanten “Ghettogesetze” waren kein Geheimnis. Sellner hat das alles wortwörtlich in seinem Buch aufgeschrieben. Und man will uns erzählen, das sei alles Erfindung von Correctiv gewesen?
Das PR-Kartenhaus der Rechtsextremen bricht zusammen
In der Pressemitteilung der Grünen Hamburg und im Antrag, den die Fraktion im Landtag eingebracht hatte, wird der Begriff „Deportation“ verwendet. Jun argumentiert, dass das, was im Vorfeld gedacht oder besprochen wurde, als „Deportation“ bezeichnet werden kann. Chan-jo erklärt es in seinem Video:
Martin Sellner mache klar, dass er das, was er plant, nicht „Deportation“ nennen will. Doch bei genauerem Hinsehen lasse sich feststellen, dass die massenhafte, millionenfache Abschiebung von Ausländern und das Vertreiben von Staatsbürgern, das dazu führt, dass diese das Land verlassen, durchaus als „Deportation“ bezeichnet werden könnte. Er nennt es „Remigration“, aber Remigration umfasse Abschiebungen, auch zwanghafte gegen den Willen, sowie Abschiebungen von Menschen, die eigentlich einen Aufenthaltstitel haben. Zudem beinhaltet sie die außer Landes Verbringung von Staatsbürgern. Dies geschieht jedoch auf Umwegen, indem zunächst die Staatsbürgerschaft aberkannt wird, was besonders bei Doppelstaatlern effektiv ist, oder indem Gesetze geändert werden. Vor Gericht wurde bereits festgestellt, so Chan-jo, dass hierbei von künftigen Gesetzen die Rede ist.
Also: Es wurde in Potsdam doch über “Remigration” gesprochen, die AfD macht sich diese Pläne offensichtlich auch zu eigen, wie eine neue, beschlossene Resolution der AfD Bayern zeigen dürfte. Und “Remigration” sollte auch “Deportation” genannt werden dürfen, argumentiert Jun und auch nach Definition des BayVG beinhaltet es die Vertreibung auch deutscher Staatsbürger. Alles das, was durch diese ganzen Verfahren geleugnet werden soll. Die Katze ist aus dem Sack.
Vosgeraus Eingeständnis, dass der Correctiv-Bericht nie wirklich angegriffen und damit nicht wie behauptet widerlegt wurde, und die Klarstellung des Verwaltungsgerichts, dass mit “Remigration” eben auch Vertreibungen deutscher Staatsbürger gemeint sind und waren, enthüllt die Schwächen der Strategie, rechtsextreme Pläne durch juristische Angriffe in den Schatten zu stellen. Die zahlreichen juristischen Attacken und die scheinbare Erfolgsstory in den rechten Medien sind eine Illusion. In Wirklichkeit bleibt Correctiv im Recht.
Folgen und juristische Konsequenzen?
Vosgeraus Eingeständnis und die neuen Erkenntnisse duch das bayerische Verwaltungsgericht könnten sogar juristische Konsequenzen nach sich ziehen. Die Geheimtreffen-Teilnehmer hatten nämlich zuvor eidesstattliche Versicherungen abgegeben. LTO schrieb dazu:
“In den Versicherungen heißt es u.a., dass auf dem Treffen “weder über eine Ausweisung von Staatsbürgern mit deutschem Pass gesprochen oder gar diese geplant” wurde, noch sei besprochen worden, „Menschen anhand rassistischer Kriterien, wie Hautfarbe oder Herkunft, auszuwählen und aus Deutschland auszuweisen“. Und ganz wichtig: Die Teilnehmer hätten “zu keinem Zeitpunkt eine Remigration von Menschen mit deutschem Pass gefordert oder geplant“.“
Wer vor Gericht lügt, riskiert Geldstrafen oder Freiheitsstrafen von bis zu drei Jahren gemäß § 156 StGB. Obwohl bisher keine Anzeigen eingereicht wurden, bleibt die Möglichkeit bestehen, dass weitere rechtliche Schritte folgen.
Correctiv hat Recht
Man sieht, dass Correctiv im Recht bleibt und Vosgerau und die AfD keine juristische Handhabe haben, die Wahrheit zu verschleiern. Vosgeraus Eingeständnis und Sellners Bestätigung der Vertreibung deutscher Staatsbürger durch „Remigration“, sowie das neue Gerichtsurteil schwächen die rechte Inszenierung erheblich. Die Pläne zur massenhaften Abschiebung und Vertreibung, die Correctiv aufgedeckt hat, sind unangefochten. Ob man diese Pläne auch “Deportation” nennen darf, wird sich demnächst in Hamburg entscheiden.
Die Strategie der Litigation-PR ist gescheitert und die Realität ihrer extremen Vertreibungspläne steht klar und deutlich im Kontrast zu den Propagandanarrativen der Partei. Es dürfte eines der Argumente sein, die die erwartete Hochstufung der gesamten AfD durch den Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem begründet. Eine Hochstufung, die fahrlässig bis nach der Bundestagswahl verschoben wurde. Wer die Wähler dennoch über die Tatsachen über diese Partei aufklären möchte, kann diesen Artikel und die Informationen darin teilen.
Teile des Artikels wurden mit maschineller Hilfe erstellt. Artikelbild: Ronny Hartmann/AFP Pool/dpa
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