Die Kleine Anfrage der CDU/CSU-Fraktion macht deutlich, dass antidemokratische Verschwörungserzählungen jetzt in der künftigen Kanzlerpartei salonfähig sind. Ein Kommentar von Timo Reinfrank
Am Dienstag fand die Konstituierende Sitzung der CDU/CDU-Fraktion im Bundestag statt. Am selben Tag stellt die Fraktion eine Kleine Anfrage zur politischen Neutralität staatlich geförderter Organisationen.
(Quelle: picture alliance / photothek.de | Florian Gaertner)
Kaum ist die Bundestagswahl vorbei, zündet die CDU/CSU die nächste Eskalationsstufe in der Auseinandersetzung um zivilgesellschaftliches Engagement. Mit ihrer Kleinen Anfrage „Politische Neutralität staatlich geförderter Organisationen“ (Drucksache 20/15035) will sie den Eindruck erwecken, es gebe ein politisches Netzwerk aus NGOs, das „gegen rechts“ mobilisiere und damit seine Gemeinnützigkeit gefährde. Die Strategie dahinter folgt einer altbekannten Blaupause: Es sind „Deep State“-Narrative, wie sie von Trump, Musk und anderen Verschwörungsideolog*innen benutzt werden. Jetzt offenbar auch anschlussfähig bei der Union.
Die CDU/CSU übernimmt Desinformationskampagnen
Die Ursprünge dieses Narrativs lassen sich präzise nachverfolgen und sind in der Kleinen Anfrage auch so benannt: Die ersten Behauptungen, dass ein angebliches Netzwerk aus Medien, Stiftungen und NGOs „gegen rechts“ arbeite, wurden in der Zeitung Die Welt verbreitet. Dort erschien Mitte Februar eine Geschichte, die genau diese Verschwörungserzählung über eine angebliche links-grüne Meinungshegemonie bediente – ein Framing, das Trump und seine Anhänger*innen in den USA als „Deep State“ bezeichnen. Ein Begriff, der besonders von der wahnhaften Szene rund um QAnon popularisiert wurde. Akteure wie Nius, Bild und AfD-nahe Netzwerke wie der rechtsextreme Verein Ein Prozent nutzen diese Verschwörungserzählung schon seit einiger Zeit, um gegen Demokratieprojekte zu mobilisieren. Nun wird dieser Verschwörungsmythos von der CDU/CSU in eine parlamentarische Anfrage gegossen.
Es ist ein kalkulierter Angriff auf zivilgesellschaftliche Organisationen wie die Amadeu Antonio Stiftung, Campact, die Neuen Deutschen Medienmacher*innen und viele andere. Teile der Union übernehmen dabei die Methode der AfD: Erst verbreiten rechtsalternative Medien gezielt Desinformation, dann greifen konservative Politiker diese auf und verleihen ihnen eine vermeintliche Seriosität.
Neutralität als Waffe gegen die Demokratie
Der zentrale Vorwurf der CDU/CSU-Fraktion: Diese Organisationen seien nicht politisch neutral. Doch was bedeutet Neutralität in Zeiten, in denen Rechtsextremismus die Demokratie existenziell bedroht? Wer „Neutralität“ fordert, wenn es um Rassismus, Antisemitismus und autoritäre Bestrebungen geht, meint in Wahrheit oft, dass demokratische Akteure schweigen sollen.
Hier wird eine gefährliche Verdrehung sichtbar: Demokratieförderung ist nicht neutral – sie ist parteiisch für Menschenrechte, Gleichwertigkeit und eine offene Gesellschaft. Eine wehrhafte Demokratie muss sich genau gegen jene richten, die sie abschaffen wollen.
Wer die Zivilgesellschaft schwächt, stärkt die Demokratiefeinde
Die Anfrage der CDU/CSU-Fraktion zeigt, dass sich die politische Großwetterlage verschoben hat. Der massive Wahlerfolg von autoritären Parteien, der sich bereits in den EU- und Kommunalwahlen abgezeichnet hat, wird nun auch parlamentarisch genutzt, um die Zivilgesellschaft ins Visier zu nehmen. Die CDU scheint sich in Teilen von ihrem eigenen demokratischen Selbstverständnis zu verabschieden und übernimmt die Strategie der AfD, um Akteure der demokratischen Zivilgesellschaft zu delegitimieren.
Statt diese Organisationen zu schwächen, bräuchte es eine Reform des Gemeinnützigkeitsrechts, die zivilgesellschaftliches Engagement gegen Demokratiefeinde schützt. Denn eines ist klar: Wer diese Arbeit angreift, greift nicht nur einzelne Vereine an – sondern das Fundament einer lebendigen Demokratie.
Teile der CDU/CSU-Fraktion haben sich mit dieser Anfrage klar positioniert. Die Zivilgesellschaft muss es jetzt auch tun – entschlossen, solidarisch und ohne Angst vor jenen, die sie mundtot machen wollen.