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Callcenter: Testlabore der Arbeitsüberwachung

Dieser Artikel stammt von Netzpolitik.org.Der Autor ist…
Engmaschige Überwachung, Kontrolle und Leistungsbewertung – für Angestellte in Callcentern ist das Alltag. Eine aktuelle Studie analysiert die Software, die dafür zum Einsatz kommt, und deren Auswirkungen. Die Kontrollsysteme kommen zunehmend auch in anderen Branchen zum Einsatz.
Im Callcenter werden die Angestellten umfassend überwacht – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / ZoonarWer im Callcenter arbeitet, ist ständiger Überwachung, Kontrolle und Leistungsbewertung ausgesetzt. Das zeigt eine neue Studie von Wolfie Christl. Darin beschreibt der Geschäftsführer der gemeinnützigen Wiener Nichtregierungsorganisation „Cracked Labs“ das Arbeitsumfeld von Callcentern als Prototyp großflächiger Überwachung und digitaler Kontrolle von Angestellten in Europa.
In der Studie widmet sich der österreichische Datenschutzaktivist vor allem den Funktionen der in den Zentren eingesetzten Software. Sogenannte Contact-Center-Systeme wie jenes des Marktführers Genesys zielen darauf ab, den Arbeitsablauf möglichst reibungslos und effizient zu gestalten. Dafür werden Anrufe und andere Arbeitsaktivitäten ständig überwacht und sekundengenau ausgewertet. Für die Angestellten kann diese umfassende Ausspähung eine enorme Belastung bedeuten.
Ständige Konkurrenz und Leistungsdruck
Christl zeigt auf, wie die Systeme die Arbeit im Callcenter bis ins Detail analysieren und kontrollieren. Dazu zählt etwa die Zeitdauer, die Angestellte benötigen, um einen Anruf entgegenzunehmen, ihre Tippgeschwindigkeit und die Kundenfreundlichkeit im Gespräch. Die Software vergleicht die erbrachten Leistungen der Mitarbeiter*innen und verteilt auf dieser Datengrundlage automatisiert die Aufgaben unter ihnen. Ziel ist es, dass die Tätigkeiten möglichst effizient erledigt werden.
Darüber hinaus erzeugen ein Echtzeit-Feedback durch Vorgesetzte sowie öffentlich einsehbare Statistiken, die die Leistungen der gesamten Gruppe anzeigen und vergleichen, einen beständig hohen Leistungsdruck. Virtuelle Warteschlangen der Anrufenden verlangen den Angestellten ab, ständig aktiv zu sein und Aufgaben schnell zu erledigen.
Auch können die Angestellten durch die Systeme verpflichtet werden, während eines Arbeitstages Punkte zu sammeln. Arbeitgeber können so ein gewünschtes Verhalten honorieren und Mitarbeiter*innen in einen Wettbewerb um Prämien treten lassen. Zudem ermöglicht es die Software den Vorgesetzten, ihren Angestellten sekundengenaue Pausenzeiten vorschreiben. Bei unzureichender Leistung können sie ihnen eine „Coaching Session“ anordnen.
Wer im Home Office arbeitet, kann sich der Kontrolle ebenfalls kaum entziehen. Denn auch dort zeichnet die Software jeden Mausklick auf oder aktiviert die Videokamera, um die Angestellten bei der Arbeit auch visuell zu überwachen.
Verantwortung für Datenschutz liegt bei Arbeitgebern
Christl bezweifelt, dass sämtliche der in Callcenter-Software implementierten Funktionen rechtskonform sind. Mit Blick auf ähnliche Studienergebnisse erklärte Simon Rebiger, Sprecher der Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit (BlnBDI), bereits vor knapp zwei Jahren, dass sich viele dieser Systeme in einem rechtlichen Graubereich bewegen würden. Die Anbieter machen es sich dahingehend oftmals leicht: So schiebt etwa Genesys die rechtliche Verantwortung auf die Unternehmen ab, die seine Software einsetzen.
Ob die Unternehmen tatsächlich alle Funktionen von Callcenter-Software nutzen, ist laut Studie nicht immer ersichtlich. Allerdings beeinflusse bereits die Gestaltung der Systeme, ob und wie Arbeitgeber sie am Ende verwenden. Eine wichtige Rolle spielen dabei auch die in der Softwaredokumentation empfohlenen Standardeinstellungen.
Die in den Callcentern entwickelten Überwachungssysteme finden längst auch in anderen Firmen und Arbeitsumfeldern Anwendung. Und es deutet sich bereits der nächste Erweiterungsschritt an: Sogenannte Business-Process-Outsourcing-Firmen (BPO) mit hunderttausenden Mitarbeiter*innen, die einen Rundum-Service anbieten – von Kundenservice über Vertrieb bis hin zur Moderation von Inhalten. Hier kommen die Überwachungssysteme laut Studie ebenfalls zunehmend zum Einsatz.

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Author: Anna-Lena Schmierer

Criminals – mjm news. Dont california texas. Aber man muß mut haben, um höflich zu sein.