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Chatkontrolle-Lobbyist Thorn: Mehr Startup als Wohltätigkeitsorganisation

Dieser Artikel stammt von Netzpolitik.org.Der Autor ist…
Die von Ashton Kutcher gegründete Organisation Thorn hat einen guten Zugang zur EU-Kommission und lobbyiert dort vehement für die Einführung der Chatkontrolle. Doch ist Thorn überhaupt die „Wohltätigkeitsorganisation“, als die es sich ausgibt? Die Investigativ-Plattform FTM hat Thorn auf den Zahn gefühlt.
Wieviel Unternehmen steckt in Ashton Kutchers Thorn? (Symbolbild) – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / Everett CollectionIn der Debatte um die so genannte Chatkontrolle taucht ein Name immer wieder auf: Thorn. Die vom US-Schauspieler Ashton Kutcher mitgegründete Organisation spielt eine Schlüsselrolle bei der Entstehung des EU-Gesetzespaketes zur Bekämpfung von Kindesmissbrauch und beim Lobbying für dieses. Thorn selbst entwickelt mit dem Produkt „Safer“ auch Software zur Erkennung von Dateien, die Darstellungen von sexualisierter Gewalt zeigen. Sollte die EU Plattformen tatsächlich zur Chatkontrolle verpflichten, dann brauchen die Unternehmen dazu Software – zum Beispiel die von Thorn.
Die Investigativ-Plattform Follow the Money (FTM) hat sich Thorn noch einmal näher angesehen und kommt dabei zum Schluss, dass sich die Organisation eher mit einem Technologieunternehmen als mit einem Non-Profit vergleichen lasse.
Die von FTM geprüften Finanzunterlagen zeigen demnach, dass Thorn Millionen von Dollar mit Softwareverkäufen verdient hat, Mitarbeiter:innen teils sechsstellige Gehälter zahlt und eng mit Big Tech verbunden ist. Außerdem halte Thorn Anteile im Wert von 930.000 Dollar an einer Risikokapitalgesellschaft namens A-Grade, an der Schauspieler Ashton Kutcher ebenfalls beteiligt ist.
Kutcher war bis Mitte September Vorstandsvorsitzender vor Thorn. Nach der massiven Kritik wegen eines Unterstützungsbriefes für einen verurteilten Vergewaltiger zog er sich von der Rolle zurück.
Worte der Nähe und ein Dutzend Treffen
Die Recherche von FTM zeichnet auch nach, wie nah Thorn an die Europäische Kommission herankam. So bezeichnete die Kommission Thorn in einem Brief als „Partner“ und bedankte sich für die „enge Kooperation“. Die EU-Innenkommissarin Ylva Johansson schrieb kurz vor der Veröffentlichung des Entwurfs der Chatkontrolle-Verordnung an Thorn: „Wir haben auf dem Weg zu diesem Vorschlag viele gemeinsame Momente erlebt“.
Insgesamt habe sich Thorn in den letzten drei Jahren mindestens ein Dutzend Mal mit EU-Offiziellen getroffen. Das hat FTM aus Dokumenten rekonstruiert, die es per Informationsfreiheitsanfrage erhalten hat. Laut diesen hat Thorn bei den Treffen auch die eigene Software als Lösung angepriesen.
Recherchen decken Netzwerk der Chatkontrolle-Lobby auf

Viel Geld für Außendarstellung
Thorn bezeichnet sich im EU-Transparenzregister für Lobbygruppen als „Wohltätigkeitsorganisation“, bei einem Treffen mit Kommissionsbeamten jedoch als „Non-Profit-Startup“. Gegenüber einem Berater der EU-Kommission sagte Thorn laut FTM, dass es über 30 Kunden auf der ganzen Welt habe. Tatsächlich hat Thorn im Jahr 2021 etwa 3,8 Millionen Dollar mit seiner Software verdient, bei einem Gesamtumsatz von 19 Millionen Dollar.
Mehr als eine 1,5 Millionen Dollar gab Thorn im Jahr 2021 offenbar für die eigene Außendarstellung und Beratung aus, davon etwa 700.000 Dollar für die Kreativagentur Instrument INC, 365.000 Dollar für die Agentur Finsbury Glover Hering Europe, 304.000 Dollar für Beratung bei der Beneson Strategy Group und 280.000 für Werbung auf TikTok.
Zu den für eine Wohltätigkeitsorganisation eher ungewöhnlichen Punkten in der von FTM untersuchten Unterlagen gehört eine Investition in Höhe von 930.000 Dollar in das Venture Capital Unternehmen A-Grade. Dieses wiederum hält Anteile von Unternehmen in der KI-Branche und im Cryptowährungsmarkt – eine eher unsichere Wertanlage für ein Non-Profit. Auf die Anfrage von FTM bei Thorn heißt es, dass Kutcher diese Anteile von A-Grade Thorn geschenkt hätte. Ob dieses finanzielle Engagement von Thorn bei A-Grade weiterhin bestehe, beantwortete die Organisation nicht.
Dreh- und Angelpunkt bei der Chatkontrolle
Thorn ist so etwas wie der Dreh- und Angelpunkt beim Lobbying für die Chatkontrolle und im Kampf gegen Verschlüsselung. Das zeigen auch die vielen personellen Verbindungen in andere Organisationen, die im gleichen Feld aktiv sind, aber auch in den Sicherheitsapparat und die EU-Kommission. So kam jüngst durch Recherchen von netzpolitik.org und anderen Medien heraus, dass zwei Mitarbeiter von der europäischen Polizei Europol zu Thorn gewechselt sind. Europol soll laut den Plänen der Kommission eng mit einer neuen EU-Agentur zusammenarbeiten, dem EU-Zentrum zur Prävention und Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern.
Im Vorstand von Thorn sitzt zudem Neelie Kroes, die von 2010 bis 2014 EU-Kommissarin für die Digitale Agenda war. Auch im Vorstand sitzt mit Bernie Allen ein Vertreter der semistaatlichen WeProtect Global Alliance, die „Experten aus Regierung, Privatsektor und Zivilgesellschaft zusammenbringt, um Kinder vor sexueller Ausbeutung und Missbrauch im Internet zu schützen“. Die Vorsitzende von Thorn, Julie Cordua, ist quasi im Gegenzug Mitglied im Vorstand von WeProtect. Dort sitzt sie auch zusammen mit Antonio Labrador Jimenez, der bei der EU-Innenkommissarin Ylva Johansson für die Chatkontrolle-Gesetzgebung zuständig ist. Johansson selbst sieht darin nicht zu viel Nähe, sondern „Sensationslust“ von Medien.
Klar ist: Das Netzwerk derjenigen, die seit Jahren für eine neue Form anlassloser Massenüberwachung lobbyieren, tritt durch verschiedenen Recherchen der vergangenen Wochen immer weiter ans Licht.

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Author: Markus Reuter

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