Dieser Artikel stammt von Netzpolitik.org.
In einem Pilotprojekt testete das britische Innenministerium elektronische Fußfesseln für unerlaubt Eingereiste. Eine Datenschutzbehörde stellt nun die Rechtmäßigkeit infrage.
18 Monate lang hat Großbritannien getestet, ob die elektronische Überwachung ein wirksames Mittel sei, um Asylbewerber:innen zu beobachten, denen eine Abschiebung bevorsteht. Im Rahmen dessen wurden bis zu 600 Migrant:innen mit elektronischen Fußfesseln versehen, die es ermöglichten, ihren Standort über GPS zu verfolgen.
Das Information Commissioner’s Office (ICO), die britische Datenschutzaufsicht, hat nun eine Vollstreckungsmitteilung und eine Warnung an das britische Innenministerium herausgegeben. Die Entscheidung ist das Ergebnis einer im August 2022 eingereichten Beschwerde von Privacy International gegen die GPS-Markierungspolitik.
Überwachung muss begründet sein
Laut ICO vernachlässigte das Ministerium es, den Schutz der Privatsphäre von Menschen, die von dem Pilotprojekt betroffen waren, ausreichend sicherzustellen. Das Aufspüren von Personen ist ein erheblicher Eingriff in die Privatsphäre und muss somit stichhaltig begründet werden. Die Informationen darüber, warum die Standortdaten der Personen gesammelt und wie sie verwendet werden, wurden den betroffenen Personen vom Innenministerium nicht bereitgestellt.
Darüber hinaus versäumte es das Innenministerium, die potenziellen Auswirkungen auf Menschen zu bewerten, die sich in einer bedenklichen Lage befinden. Dazu könnten zum Beispiel der Einwanderungsstatus, die Umstände ihrer Einreise oder die Tatsache, dass Englisch nicht ihre Muttersprache ist, zählen. Das Innenministerium habe nicht ausreichend geklärt, welche Maßnahmen ergriffen werden sollten, um diese Risiken abzumildern.
Der britische Datenschutzbeauftragte John Edwards erklärte, rund um die Uhr Zugriff auf die Bewegungen einer Person zu haben, sei ein starker Eingriff in die Privatsphäre. Dies gebe viele Daten preis, einschließlich sensibler Informationen über Religion, Sexualität oder den Gesundheitszustand. Er äußerte die Sorge: “Wenn nicht klar ist, wie diese Informationen verwendet werden, kann dies auch die Bewegungsfreiheit und die Teilnahme an alltäglichen Aktivitäten einschränken.”
Das Innenministerium zeigt sich enttäuscht. Es erkennt an, dass die Dokumentation Verbesserungspotenzial birgt, weist aber die Behauptung zurück, es seien die Datenschutzrisiken des Projekts nicht ausreichend berücksichtigt wurden. Es möchte die Ergebnisse des ICO nun überprüfen und “zu gegebener Zeit” darauf reagieren.
Innenministerium kann weiter auf die Daten zugreifen
Obwohl das Pilotprojekt im Dezember 2023 endete, kann das Innenministerium weiterhin auf die währenddessen gesammelten personenbezogenen Daten zugreifen, bis alle Daten gelöscht oder anonymisiert wurden. Das bedeutet, dass die gesammelten Informationen immer noch verwendet werden können.
Seit dem ersten Einsatz von Standortverfolgung durch die britische Einwanderungsbehörde stieg die Zahl der überwachten Migrant:innen massiv an. Im August 2021 waren es noch etwa 300 Personen, im Dezember 2023 bereits über 4.350.
Das britische Innenministerium ist bereits zuvor durch Verstöße gegen Menschen- und Datenschutzrechte negativ aufgefallen, indem es Mobiltelefone von Asylbewerbern beschlagnahmen ließ, die zwischen April und November 2020 mit kleinen Booten an der britischen Küste ankamen. Die Daten der Geräte wurden pauschal extrahiert und gespeichert. Der Oberste Gerichtshof des Vereinigten Königreichs entschied im Anschluss, dass dieses Vorgehen nicht rechtmäßig sei.
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Author: Lea Binsfeld