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Fashion und Faschismus: Die Ästhetik des Vergangenen

Belltower.News

Perlenkette, Piccadilly-Kragen, Barbourjacke und Burberry-Schal: Seit einiger Zeit ist ein neuer Trend unter jungen Aktivist*innen der neuen Rechten zu beobachten. Ein Stil, der nicht so sehr auf die Popkultur rekurriert, sondern bewusst sozialen Ausschluss anderer Menschen symbolisiert.

Von Kira Ayyadi|

Der extrem rechte Aktivist Maximilian S. auf einer Demo im Oktober 2024. 2023 war er gemeinsam mit Maximilian Krah und David Bendels auf einer Trump-Gala in New Yoork

(Quelle: RechercheNetzwerk.Berlin)

Vor knapp zehn Jahren, als die neue Rechte durch ihr junges Personal im vorpolitischen Raum zunehmend von der Öffentlichkeit wahrgenommen wurde, orientierte sich ihr Stil noch größtenteils am Mainstream, an der Popkultur. Die Aktivist*innen der Identitären Bewegung trugen Jutebeutel, Polo- und Bandshirts und manchmal lange Hipster-Bärte. Sie wurden oftmals als Nipster bezeichnet, einer Wortkombination aus Nazi und Hipster.

Heute trägt die neue, männliche Generation oft Krawatte samt Krawattennadel und Piccadilly-Kragen, eine Nadel zwischen den Kragenschenkeln, marine-blauen Anzug und oft einen Kaiser-Wilhelm-Gedächtis-Bart. Außerdem beliebt: Die generell im Trend liegende, Barbourjacke, ein Wachsjackett, das sofort die Assoziation nach elitären Treibjagden hervorruft. Oft in Kombination mit einem Schal, samt dem bekannten Karomuster, der Marke Burberry.

Im Vergleich zur vorigen, an den Zeitgeist angelehnte Inszenierung, ist dieser Stil weit weniger sportlich. Das ergibt Sinn. Schließlich sind die jungen Aktivist*innen der neuen Rechten mittlerweile stark an die AfD und ihre Jugendorganisationen angegliedert. Den Kampf um das politische Vorfeld auf der Straße, können sie getrost anderen überlassen, den rechtsextremen Schläger-Trupps. Die Aktivist*innen der neuen Rechten müssen sich ihre Barbourjacken und ihre Lederhandschuhe nicht mehr selber schmutzig machen. Sie haben es schließlich bis in die Abgeordnetenbüros der deutschen Parlamente geschafft, manchmal sogar in die Parlamente selbst.

Ein Aktivist der Identitären Bewegung zu Besuch im Landtag

Tweed-Blazer, Kaschmirpullover, schlichte Perlenketten und Loafer

Jener Look, der derzeit generell ein Revival erlebt, kann vielleicht am ehesten als „Old Money“-Ästhetik bezeichnet werden. Ein Stil, der klassische Eleganz mit dem Understatement von Erbreichtum ausdrücken soll. Eine Inszenierung, die Reichtum verspricht, ohne zu protzen. Aus der Popkultur kennen wir diesen Stil etwa aus Serien und Filmen wie „Gossip Girl“, „Sucession“ und „Saltburn“, oder von Bildern europäischer Adelsfamilien, wie Jackie Kennedy Onassis und Prinzessin Diana.

Zementierung von Klassismus und Rassismus durch Modetrends

Diese Inszenierung steht für Reichtum, Eleganz und Exklusivität, oft verbunden mit traditionsreichen Familien oder elitären Gesellschaften. Kein Wunder also, dass die sich als elitär verstehende neue Rechte von diesem Stil angesprochen fühlt. Die „Old Money“-Ästhetik ist ein Ausdruck von Status und Tradition. Er ist Ausdruck davon, das Alte zu bewahren.

Aber was auf den ersten Blick nur wie ein einfacher Modetrend aussieht, der eigentlich kein Trend sein will, weil er zeitlos ist, hat tiefere Implikationen. Die Ästhetik basiert auf Klassismus und subtilem Rassismus. Diese Doppelmoral zeigt sich auch heute noch: Kleidung, die hauptsächlich von reichen weißen Menschen getragen, und mit ihnen assoziiert wird, wird als geschmackvoll empfunden, während Mode, die mit nicht-weißen Kulturen assoziiert wird, als zu auffällig oder „neu-geldartig“ gilt. Denn, während diskreter Wohlstand glorifiziert wird, werden auffälligere Stiles, die oft mit schwarzen oder migrantischen Kulturen assoziiert werden, als geschmacklos angesehen.

Kritiker*innen sehen daher in dieser „Old-Money“-Ästhetik nicht nur ein modisches Konzept, sondern auch eine bewusste soziale Abgrenzung. „Old Money“ signalisiert nicht nur Reichtum, sondern auch Zugehörigkeit zu einer elitären, oft weißen Gesellschaftsschicht. Menschen, die diesen Stil repräsentieren, sind weiß, schlank und haben glatte Haare. Sie entsprechen dem europäischen Schönheitsideal.

Aktivist*innen in Apolda beim Junge Alternative Bundeskongress (Quelle: RechercheNetzwerk.Berlin)

Die Rückkehr des konservativen Stiles

Man kann in diesem Stil auch eine Referenz an Kaiser Wilhelm erkennen und eine Verherrlichung Preußens. Wenn rechtsextreme Aktivist*innen diesen Stil zur Schau stellen, auf Veranstaltungen oder auf den eigenen Social-Media-Kanälen, soll er vermitteln, dass Tradition von Bedeutung ist. Er vereint das völkische Element, wenn diese Inszenierung etwa mit traditionellen Trachten kombiniert wird. Rein optisch rekurriert er oft an eine vergangene, vermeintlich bessere Zeit. Er sagt: Das Alte muss bewahrt werden, ganz im Sinne der völkisch-nationalistischen Ideologie der neuen Rechten. Eine Inszenierung, die konservativ und wertig wirken soll. Und nicht gewalttätig und obszön, wie die Ideologie der Träger*innen.

Auch auf Otto von Bismarck bezieht sich die neurechte Szene in Teilen. Hier der Meme-Account „Wilhelm Kachel“, der das preußsche im Namen und im Logo trägt. (Quelle: Sreenshot)

Das Antimoderne

Schaut man sich diese jungen Aktivisten an, wirkt es oft wie junge Männer in viel zu alten Klamotten, die so Reichtum und Seriosität vorgaukeln. Bei einigen wirkt dieser Look hingegen natürlich. Vermutlich, weil sie ihn aus den aktiven Zeiten in schlagenden Studentenverbindungen kennen. Aus diesen Männerbünden rekrutiert die neue Rechte teilweise ihr Personal. Rechtsextreme Burschenschaften inszenieren sich auf Bildern gerne in den eigenen Räumen, vor den holzvertäfelten Wänden, an langen Holztischen, in Anzug oder Smoking, in der jeweiligen Couleur.

Bei Frauen geht diese Inszenierung oft mit weiteren Trends einher und zeigt sich besonders auf Social Media mit einer inszenierten Retraditionalisierung. Auf Instagram und TikTok beinhalten sie Trends wie (Verhaltensweisen einer „traditionellen“ Frau), oder VanillaGirl, die je auf vermeintlich natürliche weiße und normschöne Frauen abzielt.

Biedermeier goes international

Ziel dieser neurechten Bewegung war es immer, Politik aktiv zu gestalten, beziehungsweise, die Demokratie von innen zu zerstören. Mittlerweile liegt die AfD bei rund 20 Prozent der Wählerstimmen und in den USA sitzen Vertreter*innen dieser weiß-nationalistischen Ideologie im Weißenhaus und im Kongress. In Deutschland sind sie zwar noch die Opposition, in den USA jedoch nicht mehr.

Jüngst berichtete das New York Magazin über den veränderten Look einer neuen jungen Trump-Supporter-Gruppe. Den Bericht über exklusive New Yorker Partys, um Donald Trumps Inauguration zu feiern, betitelte das Magazin auf dem Cover mit „The Cruel Kids’ Table“. Diese Leute seien nicht entrechtet, gehören nicht zur Arbeiterklasse, sind nicht elitenfeindlich und haben auch sonst nicht viel mit klassischen Trump-Unterstützer*innen aus der ersten gewonnen Wahl 2016 gemein. Vielmehr sind sie jung, gut vernetzt, urban und verbringen viel Zeit online. Sie sind Krypto-Nerds und Influencerinnen. „MAGA (Make America Great Again) ist MTV für die Generation Z. Das ist keine Randgruppe. Das ist Jugend-Popkultur“, wird ein konservativer Krisenberater zitiert. 

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