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Hakenkreuz in der Kunst: Hausdurchsuchung wegen Verbreitung einer Karikatur

Dieser Artikel stammt von Netzpolitik.org.

Hakenkreuz in der KunstHausdurchsuchung wegen Verbreitung einer Karikatur

Wer gesellschaftskritische Karikaturen im Netz teilt, auf denen Hakenkreuze zu sehen sind, gerät in den Fokus der Justiz. Das mussten fünf Follower:innen des Karikaturisten Guido Kühn erfahren, gegen die ermittelt wird – in einem Fall sogar per Hausdurchsuchung.


Markus Reuter – in Kulturkeine Ergänzungen
Unter der Originalkarikatur ist die Unterschrift: „Durchbruch im Sprachstreit: Umfragen ergeben Form des Gendersternchens, mit dem die Mehrheit der Deutschen einverstanden wäre.“
Achtung: Diese Karikatur zu teilen, kann Strafverfolgung nach sich ziehen.

Guido Kühn ist Professor für Mediendesign und Karikaturist. In sozialen Medien veröffentlicht er regelmäßig Karikaturen, die sich mit dem politischen Alltag in Deutschland beschäftigen. Darunter sind auch solche, die den Rechtsruck im Land kritisieren. Einige dieser Karikaturen enthalten Hakenkreuze.

Wegen einer dieser Karikaturen haben sich nun mehrere Menschen Strafanzeigen eingefangen. Sie haben eine Karikatur von Guido Kühn auf Facebook geteilt, die sich mit der Debatte um geschlechtergerechte Sprache beschäftigt. Sie zeigt das Wort „Deutsche*r“ in Frakturschrift, statt des Gendersterns ist ein Hakenkreuz gesetzt. Darunter steht: „Durchbruch im Sprachstreit: Umfragen ergeben Form des Gendersternchens, mit dem die Mehrheit der Deutschen einverstanden wäre.“

Laut des zuständigen Staatsanwaltschaften: Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen.

Keine Ermittlungen gegen den Künstler

Wie es zu den Anzeigen kam, lässt sich nur teilweise rekonstruieren. In einem Fall hatte eine Meldestelle für Hass und Hetze ein Posting mit der Karikatur an die Polizei weitergeleitet. Das berichtet die Betroffene gegenüber netzpolitik.org. Ein anderer Betroffener sagt, er wüsste nicht, wer die Anzeige veranlasst hat, er hatte keine Akteneinsicht genommen.

Spannend auch: Gegen den Karikaturisten Kühn selbst sind bislang keine Ermittlungen bekannt, nur gegen Follower:innen, die seine Karikaturen geteilt haben. Das liegt laut Einschätzung von Jurist:innen daran, dass für den Künstler die Kunstfreiheit gilt. Wenn Follower:innen die Inhalte dann aber teilen, greift diese nicht mehr. Kühn sagt, ihm seien mindestens fünf Ermittlungen gegen Menschen bekannt, die strafrechtliche Folgen wegen seiner Karikaturen haben. Mit zwei Betroffenen hat netzpolitik.org gesprochen.

Hausdurchsuchung wegen Karikatur

Lorenz Müller* ist einer von ihnen. Er teilte das Bild auf Facebook, distanzierte sich im Text unter dem Bild vom Hakenkreuz. Gebracht hat ihm das nichts. Anfang Januar 2024 stehen zwei Beamte in Zivil mit einem Durchsuchungsbeschluss vor seiner Haustüre, nehmen die Wohnung in Augenschein und beschlagnahmen ein Tablet.

„Die Beamten wirkten eher so als sei ihnen die Durchsuchung peinlich“, sagt Müller. In seiner Wohnung sehen die Beamten linke Bücher und Plakate, schnell ist klar, dass hier kein Nazi am Werk ist. Sein Tablet bekommt er dennoch erst Monate später zurück, das Verfahren wird laut Müller gegen Zahlung von 300 Euro Strafe eingestellt.

„Verzweifelt, entsetzt und eingeschüchtert“

Auch Manja Schneider* bekam Post von der Polizei, wurde vorgeladen. Sie sagte den Termin ab, in der Hoffnung, dass sich die Sache schon von selbst erledige. Im Juli erhielt sie dann einen Strafbefehl: Eine Geldstrafe von 15 Tagessätzen à 50 Euro, insgesamt 750 Euro. „Ich war verzweifelt, entsetzt und eingeschüchtert“, berichtet Schneider gegenüber netzpolitik.org.

Schneider hatte in ihrem Leben noch nie mit der Polizei und Gerichten zu tun. Sie will den Strafbefehl nicht anfechten, schreibt aber auf Anraten ihrer Anwältin ein persönliches Schreiben an den Richter, in dem sie sich erklärt. Das Gericht wertete das Schreiben zuerst als Einspruch, Ende November hätte Schneider dann vor Gericht erscheinen müssen. Dann wurde das Verfahren doch noch eingestellt, gegen eine Strafe von 600 Euro. Den Betrag will Schneider nun zahlen, damit nicht noch höhere Kosten entstehen.

Manja Schneider findet den Vorgang unangemessen. Sie engagiert sich gegen Rechtsradikalismus, sieht sich als überzeugte Antifaschistin. Deswegen gehe ihr so zu Herzen, dass ausgerechnet sie nun des „Verbreitens von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen“ schuldig sein soll.

Schneider ging nicht ins Verfahren, damit nicht noch höhere Kosten entstehen. Ein anderer, der es vor Gericht versuchte, wurde noch härter bestraft. Kühn berichtet von einem weiteren Fall, der am Donnerstag in Sachsen verhandelt wurde: Hier hatte ein Gericht einen Menschen zu einer Strafe von 1000 Euro verurteilt, weil er eine seiner Karikaturen geteilt hatte. Hinzu kommen Gerichts- und Anwaltskosten.

Strafbar auch ohne positiven Bezug

Die Chancen für Menschen, die Karikaturen mit Hakenkreuz verbreiten, komplett straffrei auszugehen stehen offenbar schlecht. Das sagt auch Peer Stolle, Strafverteidiger und Vorsitzender des Republikanischen Anwaltsvereins (RAV). Das Hakenkreuz sei als Mittel der Kritik nicht geschützt. Es sei grundsätzlich verboten, außer eine klare Ablehnung ist erkennbar, wie etwa bei einem durchgestrichenen Hakenkreuz oder dem Symbol, wo das Hakenkreuz in einen Mülleimer geworfen wird. „Für eine Strafbarkeit braucht es keinen positiven Bezug“, so Stolle weiter. Die Betroffenen könnten aber vor Gericht üblicherweise von einem geringeren Strafmaß ausgehen, wenn eine Haltung gegen den Faschismus erkennbar sei.

Die Hochschule Fulda hat ein bislang unveröffentlichtes Gutachten zu Kühns Genderstern-Karikatur erstellt. In diesem heißt es, dass Künstlerinnen und Künstler das Hakenkreuz immer wieder als Provokation, Mahnung oder ästhetisches Element eingesetzt hätten. Im Falle der Genderstern-Hakenkreuz-Karikatur setze Kühne „Konfliktfelder in Verbindung“ und rege die Betrachter:innen zum Ergründen der verbindenden Konfliktursachen an.

Das sorge im besten Fall zur Herausbildung einer Resilienz. Dies sei dem Künstler gelungen. Denn „selbst die Versuche dieses Werk qua Anzeige ins Deutungsgegenteil zu verkehren“ dürften hier als Beleg für das Zutreffen von Kühns Grundannahme „einer unter erheblichen Stress stehenden und sich nach Klarheit sehnenden Gesellschaft verstanden“ werden. Das Gutachten kommt zum Schluss: „Eine verherrlichende Darstellung von nationalsozialistischer Symbolik ist somit definitiv nicht gegeben.“

„Groteske Drohkulissen“

Guido Kühn selbst sieht die Verfahren als strategisch motiviert: Das Ziel sei „formal legitime Meinungen und Haltungen zu unterdrücken indem man Beklagte durch zum Teil bis ins Groteske laufende Drohkulissen, Hausdurchsuchungen und ähnliche Maßnahmen, vor allem aber finanziell und menschlich unter erheblichen Druck setzt“.

Verfahren würden nun ohne Verhandlung gegen Strafe eingestellt, also „urteilslos niedergeschlagen“, wie er es nennt, „da die wenigsten Betroffenen Zeit, Geld und Nerven für den Ritt durch die Instanzen haben.“ Im Gegenzug dazu hätten Meldestellen oder Staatsanwaltschaften keinerlei persönliches Risiko.

Kühn sagt, dass er Rückmeldungen von Menschen habe, die ihm schilderten, dass sie seine Arbeit zwar für wichtig halten, ihn bitten weiterzumachen. Gleichzeitig würden sie sich aufrichtig entschuldigen, dass sie seine Kunstwerke in Zukunft wegen des Prozessrisikos weder kommentieren noch liken oder teilen würden. Dies unterdrücke eine „zwingend notwendige öffentliche Debatte“, kritisiert der Künstler.

*Name geändert, echter Name der Redaktion bekannt

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Author: Markus Reuter

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