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Eine kleine Gruppe EU-Staaten lehnt den aktuellen Gesetzestext zur Chatkontrolle ab. Damit würde die für diesen Monat geplante Abstimmung scheitern. Deshalb vertagt die spanische Ratspräsidentschaft das Thema – und verhandelt weiter. Wir veröffentlichen ein eingestuftes Verhandlungsprotokoll.
Müssen Chatkontrolle nochmal verschieben: Justiz- und Innenminister der EU-Staaten. – CC-BY-NC-ND 2.0 Spanische RatspräsidentschaftDie EU-Staaten streiten weiter über die Chatkontrolle. Nächste Woche treffen sich die Innen- und Justizminister in Brüssel, eigentlich wollten sie dort die Position des Rats zum Gesetzentwurf beschließen. Doch die spanische Ratspräsidentschaft hat das Thema wieder von der Tagesordnung gestrichen. Aktuell gibt es keine Mehrheit für den Gesetzestext, deshalb verhandeln sie weiter.
Vor anderthalb Jahren hat die EU-Kommission eine Verordnung zur Prävention und Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern vorgeschlagen. Über 80 NGOs kritisieren das geplante Gesetz als beispiellos: „Es soll Internetdienste verpflichten, die private digitale Kommunikation aller Menschen im Auftrag von Regierungen zu durchleuchten.“
Die EU-Staaten haben das Gesetz bisher in der Ratsarbeitsgruppe Strafverfolgung verhandelt. Letzte Woche kamen sie zur vorerst letzten Verhandlungsrunde zusammen. Wir veröffentlichen ein weiteres Mal das eingestufte Protokoll der Sitzung im Volltext.
Alternativloser Zeitplan platzt
In der Arbeitsgruppe kündigte die spanische Ratspräsidentschaft an, an ihrem straffen Zeitplan festzuhalten. Demnach sollten gestern die Ständigen Vertreter und nächste Woche die Minister:innen die Position der EU-Staaten beschließen.
Deutschland forderte wie in der Sitzung davor, die Abstimmung zu verschieben, wurde aber diesmal nur von Österreich unterstützt. Die Arbeit ist noch nicht fertig, die Maßnahmen im aktuellen Text sind unverhältnismäßig und rechtswidrig. Polen, Niederlande und Schweden wollten weiterhin Änderungen am Gesetzestext, aber keine Verschiebung mehr.
Neun andere Staaten forderten hingegen, die gemeinsame Position bald zu beschließen. Wortführer Irland bezeichnete den angekündigten Zeitplan als richtig. In den Trilog-Verhandlungen mit Kommission und EU-Parlament müssen die Staaten ohnehin weitere Kompromisse eingehen.
Keine qualifizierte Mehrheit
Die EU-Kommission macht ebenfalls Druck. Die Staaten diskutieren „nun schon seit fast 18 Monaten“. Das Gesetz muss jetzt beschlossen werden. Kriminelle „warten ja auch nicht, bis sich die EU irgendwann einmal auf eine neue Verordnung einigt“. Spanien nannte den Zeitplan alternativlos, die Staaten müssen jetzt endlich zur einer Entscheidung kommen.
Nach der Sitzung überlegte die Ratspräsidentschaft, ob eine qualifizierte Mehrheit der Staaten für das Gesetz stimmen würde. Anfang der Woche wurde „deutlich, dass es keine Mehrheit geben würde“. Das sagte ein Sprecher des EU-Rats gegenüber netzpolitik.org. Deshalb hat Spanien seinen Zeitplan aufgegeben und das Thema von der Tagesordnung der beiden September-Termine gestrichen.
Die deutsche Bundesregierung bestätigte die Verschiebung. Regierungskreise verwiesen dabei auf die kritische Position des Justizministeriums. Tatsächlich reicht der Widerstand aus Deutschland für die Verschiebung jedoch nicht aus. Für eine Sperrminorität braucht es vier Staaten mit zusammen mindestens 35 Prozent der EU-Bevölkerung. Neben Deutschland dürften das Polen, Niederlande, Schweden und Österreich sein.
Aufteilung keine Alternative
In der Arbeitsgruppe schlug Deutschland vor, den Gesetzentwurf aufzuteilen. Unstreitige Elemente wie Risikomanagement, Meldepflichten und EU-Zentrum können zeitnah beschlossen und „als Erfolg im Kampf gegen [Material über sexuellen Kindesmissbrauch] angesehen werden“. Die umstrittenen Aufdeckungspflichten, „also Client-Side-Scanning, Chatkontrolle und Verschlüsselungsaspekte“ sollen herausgelöst und neu verhandelt werden.
Regierungskreise bestätigen diesen Vorschlag des Justizministeriums von FDP-Minister Marco Buschmann. Bisher hat das Innenministerium von SPD-Ministerin Nancy Faeser diesen Vorschlag abgelehnt. Auf Anfrage von netzpolitik.org will das Justizministerium nicht sagen, wann und wie sie das Innenministerium überzeugt haben.
Realistisch ist die Zweiteilung ohnehin nicht. Portugal ist zwar grundsätzlich dafür, auch Österreich und Slowenien können sich das „gegebenenfalls“ vorstellen. Doch die spanische Ratspräsidentschaft „stellte unmissverständlich klar“, dass sie diesen Vorschlag „nicht in ihre weiteren Erwägungen einbeziehen werde“. Die Staaten „müssen nun zur einer Entscheidung kommen“, eine Verschiebung ist „keine Alternative“.
Strafverfolgung ohne Strafverfolgung
Die Staaten sind jedoch in wesentlichen Punkten noch uneinig. Schweden sieht „Probleme mit der Integrität und der Rechtssicherheit des Vorschlags“. Die Juristischen Dienste der EU-Staaten nannten den Vorschlag unverhältnismäßig und grundrechtswidrig. Polen bezeichnete alles als „sehr kompliziert“, es ist noch „nicht gelungen, das richtige Gleichgewicht zwischen Kinderschutz und Datenschutz herzustellen“.
Polen forderte erneut, nur Chats von „Personen unter konkretem Verdacht“ zu scannen, nicht von Unverdächtigen. Die spanische Ratspräsidentschaft findet es „nicht nachvollziehbar“, sich auf „bereits Verdächtige“ zu beschränken. Das wäre ja Strafverfolgung. Aber bei dem Gesetz geht es nicht um Strafverfolgung, so Spanien in der Arbeitsgruppe Strafverfolgung.
Mehrere Staaten kritisieren weitere Bestimmungen als unverhältnismäßig. Die Niederlande wollen Audiotelefonie ausnehmen, Schweden Kommunikation über Mobilfunknetze. Auch Deutschland fordert die Ausnahme von Audiokommunikation. Schweden und die Niederlande wollen das Scannen auf bekanntes Missbrauchsmaterial begrenzen und unbekanntes Material und Grooming ausnehmen. Die EU-Kommission lehnt das ab.
Schrödingers Verschlüsselung
Die spanische Ratspräsidentschaft schlägt eine Bestimmung vor, dass die Chatkontrolle „eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung nicht unmöglich machen“ darf. Österreich und die Niederlande begrüßen das, „Client-Side-Scanning hat mit Ende-zu-Ende-Verschlüsselung nichts zu tun“. Estland findet den Vorschlag unzureichend, Italien lehnt ihn ab, Dänemark will ihn abschwächen.
Ein weiterer Vorschlag sagt, dass die Chatkontrolle „keine Rückschlüsse auf den Inhalt der Kommunikation ziehen“ darf. Die EU-Kommission behauptet, dass man Chats gleichzeitig schützen und scannen kann. Frankreich ist „unglücklich“ über die Formulierung: Es geht doch gerade darum, Rückschlüsse auf den Inhalt der Kommunikation zu ziehen.
Eine weitere Formulierung verdeutlicht, dass die Chatkontrolle ein Überwachungsinstrument ist. Nicht-öffentliche Kommunikationsdienste sollen ausgenommen werden, etwa wenn sie „für Zwecke der nationalen Sicherheit genutzt werden“. Das soll „vertrauliche Informationen, einschließlich Verschlusssachen“ schützen. Die Staaten wollen keine Chatkontrolle für ihre eigene Kommunikation, um nicht überwacht zu werden.
Unverhältnismäßig und grundrechtswidrig
Eigentlich sollte das die letzte Verhandlungsrunde der Arbeitsgruppe gewesen sein. Gestern sollten die Ständigen Vertreter und nächste Woche die Minister:innen die Position der EU-Staaten beschließen. Daraus wird jedoch nichts.
Nach der Sitzung „war deutlich, dass es zum jetzigen Zeitpunkt keine Mehrheit für eine allgemeine Ausrichtung gibt“. Das sagte uns ein Sprecher des EU-Rats. Deshalb hat die spanische Ratspräsidentschaft das Gesetz von den Tagesordnungen beider Treffen gestrichen. Der nächste Gipfel der Justiz- und Innenminister ist am 19. Oktober.
Bis dahin müssen die EU-Staaten nachsitzen und weiter verhandeln. Dabei ist weiterhin nicht erkennbar, wie der Gesetzentwurf verhältnismäßig und legal werden soll. Wahrscheinlich wird die Ratspräsidentschaft einige Maßnahmen abschwächen und einige Schutzmaßnahmen aufnehmen. Das Kernproblem bleibt jedoch: Anlasslos und massenhaft Kommunikation von Unverdächtigen zu scannen, ist unverhältnismäßig und grundrechtswidrig.
Hier die Dokumente in Volltext:
Geheimhaltungsgrad: Verschlusssache – Nur für den Dienstgebrauch
Datum: 15.09.2023
Von: Ständige Vertretung der BRD bei der EU
An: Auswärtiges Amt
Kopie: BMI, BMJ, BMWK, BMDV, BMFSFJ, BMF, BKAmt
Betreff: Sitzung der RAG Strafverfolgung am 14.09.2023
Hier: Entwurf der CSA–VO
Zweck: Zur Unterrichtung
Geschäftszeichen: 350.80/4
Kompromissvorschläge: ST 12611 2023 INIT
Sitzung der RAG Strafverfolgung am 14. September 2023
I. Zusammenfassung und Wertung
Behandelt wurde ausschließlich der Entwurf der CSA–VO.
Vorsitz teilte mit, dass er am angekündigten Zeitplan zur weiteren Behandlung des Dossiers (AStV 20.09.2023, JI-Rat 28.09.2023) festhalte.
Ich forderte weisungsgemäß erneut eine Verschiebung der Beschlussfassung beim JI-Rat, wurde dabei aber nur von AUT unterstützt. Einige MS (NLD, POL, SWE, EST und SVN) sahen zwar Änderungsbedarf am VO-Text, verknüpften diesen aber nicht mit einer Forderung nach Verschiebung der Behandlung des Dossiers auf dem JI-Rat. FRA, LUX und FIN wiesen auf noch laufende interne Abstimmungen auf politischer Ebene an, kündigten aber an, bis zum JI-Rat sprechfähig zu sein.
Ferner trug ich weisungsgemäß die Option vor, den Text in weitgehend unstreitige und weitgehend streitige Teile aufzusplitten, nur über die unstreitigen Textteile abzustimmen und für die streitigen Teile einen neuen VO-Entwurf der KOM zu fordern. Diese Option wurde lediglich von PRT grundsätzlich unterstützt (allerdings mit der Maßgabe, dass eine endgültige Bewertung erst möglich sei, wenn man dazu nähere Details kenne).
Vorsitz stellte unmissverständlich klar, dass er den DEU-Vorschlag zur Aufsplittung der VO nicht in seine weiteren Erwägungen einbeziehen werde. Man habe nach fast eineinhalbjähriger Diskussion gute Ergebnisse erzielte und müsse nun zur einer Entscheidung kommen, um den Erfordernissen eines besseren Schutzes von Kindern vor sexueller Gewalt Rechnung zu tragen. Dies erwarte auch die Bevölkerung. Der ESP-Ratsvorsitz stelle sich seiner Verantwortung. Es sei keine Alternative, Lösungen immer wieder auf unbestimmte Zeit hinauszuschieben und auf zukünftige Präsidentschaften und Kommissionen zu verlagern.
II. Im Einzelnen
Vorsitz wies auf die in Dok. 12611/2023 vorgenommenen Textänderungen hin. Er appellierte an die MS, das eigentliche Ziel (Schutz von Kindern vor sexueller Gewalt) nicht aus den Augen zu verlieren.
1) Allgemeines
Vorsitz gab zunächst Gelegenheit zu allgemeinen Anmerkungen.
IRL hob die Bedeutung und die Dringlichkeit der Arbeiten hervor. Man müsse nunmehr zu einer Ratsposition kommen, der vom Vorsitz angekündigte Zeitplan sei daher richtig. Zudem müsse man sich bewusstmachen, dass in den Trilogverhandlungen weitere Kompromisse eingegangen werden müssten. HUN, LVA, LTU, ROU, BGR, CYP, ITA, HRV und KOM unterstützen die IRL-Stellungnahme und sprachen sich für eine zügige Annahme der partiellen Allgemeinen Ausrichtung aus.
Ich trug die DEU-Position gemäß der ressortabgestimmten Weisung vor.
AUT unterstützte unsere Forderung nach Verschiebung der Abstimmung beim JI-Rat und sah die Textarbeiten zur Aufdeckungsanordnung als noch nicht abgeschlossen an. Es halte seine Position aufrecht, dass beim derzeitigen Text die Verhältnismäßigkeit nicht gewährleistet sei. Ggf. könne man die Aufdeckungsanordnung zunächst aus dem VO-Text ausklammern und die Diskussion darüber im Herbst 2023 fortsetzen mit dem Ziel, bis Ende 2023 eine Einigung zu erzielen.
POL erklärte, dass sich seine Haltung hat nicht geändert habe. Es sei „alles sehr kompliziert“ und bisher nicht gelungen, das richtige Gleichgewicht zwischen Kinderschutz und Datenschutz herzustellen. POL forderte erneut, die Aufdeckungsanordnung auf Personen unter „konkretem Verdacht“ zu begrenzen, blieb in seinen Ausführungen aber auch auf Nachfrage des Vorsitz erneut unklar.
NLD begrüßten, dass der neue VO-Text Ausführungen zu E2EE im verfügenden Teil enthalte, dieser Teil sei nunmehr aus dortiger Sicht in Ordnung. Man halte den VO-Text aber nach wie vor für unverhältnismäßig in Bezug auf unbekanntes Material, Grooming und Calls. NLD sprachen sich für eine „gründliche Behandlung“ des Vorschlags aus und äußerten Zweifel, das die Annahme einer partiellen Allgemeinen Ausrichtung bis Ende September 2023 gelingen wird.
SVN sah Fortschritte im Text, insbesondere beim EU-Zentrum. Bezüglich der Aufdeckungsanordnung brauche man aber noch mehr Details, ggf. könne man die entsprechenden Vorschriften zunächst aus der Allgemeinen Ausrichtung herausnehmen.
PRT unterstützte unseren Vorschlag zur Aufsplittung der VO grundsätzlich, man müsse allerdings zunächst die Details dieses Vorschlags kennen.
FRA legte einen PV wegen noch laufender innerstaatlicher Abstimmungen auf höchster politischer Ebene ein und kündigte Fragen an den JD-Rat an.
LUX sah den VO-Text einerseits als noch nicht ausgewogen genug mit Bezug auf die Grundrechte an (insbesondere im Hinblick auf die Aufdeckungsanordnung), wies aber andererseits darauf hin, dass es noch keinen endgültigen Standpunkt habe. Der LUX-Regierungsrat werde sich am 15.09.2023 mit dem Dossier befassen, so dass man beim JI-Rat sprechfähig sein werde.
SWE sah Probleme mit der Integrität und der Rechtssicherheit des Vorschlags und hielt das Gleichgewicht der VO für „schwierig“. Der Anwendungsbereich der VO solle auf bekanntes Material eingegrenzt werden (kein Grooming, kein unbekanntes Material) und auch nur nummernunabhängige Dienste/Kommunikationsapps (keine Handys) erfassen.
EST sah die Textvorschläge im verfügenden Teil zu E2EE als unzureichend an („rote Linie“).
FIN dankte einerseits dafür, dass seine Vorschläge aufgegriffen wurden und bedauerte andererseits, dass man leider noch keinen offiziellen Standpunkt habe (Parlamentsentscheidung noch offen). Dieser werde aber bis zum JI-Rat vorliegen. Datenschutz sei für FIN ein wichtiges Thema, die CSA–VO müsse der DSGVO entsprechen.
Vorsitz machte geltend, dass man ein effizientes neues Instrument brauche. Momentan wisse man nicht genau, was die Anbieter machten und ob dabei die Privatsphäre gewahrt werde. Vorsitz könne die politische Orientierung des AStV (Beratung Ende Mai 2023) nicht ignorieren. Die Hände in den Schoß zu legen oder den Text aufzuteilen und dann erstmal zu abwarten, sei keine Lösung. Es gebe laufend neue Missbrauchsopfer. Die Bürger verlangten zu Recht, dass die EU wirksamer gegen das Phänomen vorgehe. Die Bereichsausnahme laufe in weniger als einem Jahr aus und es drohe ein Gesetzesvakuum.
KOM unterstützte die Ausführungen des Vorsitzes. Man diskutiere nun schon seit fast 18 Monaten. Daher könne man das Dossier jetzt nicht einfach wegen angeblichen Zeitdrucks verschieben oder einfach dem nächsten Vorsitz „überhelfen“. Die Kriminellen würden ja auch nicht warten, bis sich die EU irgendwann einmal auf eine neue VO einige. Neues Material bedeute aktuellen Missbrauch und dürfe daher nicht aus dem Anwendungsbereich der VO ausgenommen werden. Es gehe darum, Kinder zu retten. Gleiches gelte für die Aufdeckung von Grooming, um weitere Straftaten zu verhindern.
2) Einzelne Kapitel der VO
Vorsitz erläuterte jeweils die Änderungen, die im neuen VO-Text enthalten sind.
Ich trug die DEU-Position gemäß der ressortabgestimmten Weisung vor. Dargestellt sind daher nachfolgend nur die wesentlichen Beiträge und Positionen der anderen Delegationen.
a) Kapitel I (Allgemeine Bestimmungen) und II (Verpflichtungen der Anbieter)
HUN sprach sich gegen die Ersetzung von „may“ durch „shall“ in Art. 7 Abs. 4 aus (ebenso ITA) und machte eine „rote Linie“ geltend.
ITA sprach sich gegen die Vorschläge zu E2EE in Art. 10 Abs. 3 lit. e) aus, da diese zu widersprüchlichen Anordnungen führen könnten.
FRA begrüßte EG 12a (ebenso POL). Zu Art. 5b werde man noch kleine Änderungen vorschlagen. Art. 7 gehe in die richtige Richtung, man habe aber noch einen PV. In Art. 10 Abs. 3 lit. b) sei die Formulierung „not be able to deduce the content“ eher unglücklich, man solle ja gerade Schlussfolgerungen ziehen können. In EG 26 solle man statt von „cyber security“ besser allgemein von „security“ sprechen.
NLD äußerte Zweifel bezüglich Art. 5b, evtl. sei es besser diesen zu streichen. Zu Art. 7 Abs. 2 habe man Zweifel, ob es eine ausreichende Gewähr für eine sichere Ausführung der Tests. Die Formulierungen in Art. 10 Abs. 3 lit. e) zu E2EE seien zu begrüßen. Vorsitz habe mit dem Text umgesetzt, was einige MS schon seit langem gefordert haben. CSS habe nichts mit E2EE zu tun.
POL bedauerte, dass seine Anmerkungen zu Art. 7 nicht aufgenommen worden seien. Vorsitz wies darauf hin, dass nicht nachvollziehbar sei, dass POL immer wieder auf die bereits Verdächtigen abstelle. Dann sei man im Bereich Strafverfolgung.
EST machte geltend, dass Art. 5b eigentlich eine gute Regelung enthalte, die aber zu kostenintensiv sei. Art. 10 Abs. 3 lit. e) eröffne evtl. die Möglichkeit. Vorzugswürdig sei die Formulierung „no obligation to create access to full E2EE communication“.
DNK plädierte dafür, statt Art. 10 Abs. 3 lit. e) nur einen EG vorzusehen.
AUT begrüßte die Textvorschläge zu E2EE.
BEL unterstützte Art. 5b und legte einen PV zu Art. 10 ein.
SVK plädierte dafür, in Art. 10 Abs. 5 klarzustellen, dass automatisierte Methoden mit der DSGVO übereinstimmen müssen. Individuelle Nutzer müssten Information über Aufdeckungsanordnungen erhalten. Zu EG 23a werde man noch einen Textvorschlag unterbreiten. In EG 24 sei zu ergänzen, dass das EU-Zentrum unter die DSGVO falle.
KOM machte geltend, dass das „shall“ statt des „may“ in Art. 7 Abs. 4 in keiner Weise den Ermessensspielraum der Justizbehörden begrenze. Das Ermessen, ob die Kriterien erfüllt seien, obliege den Justizbehörden. Wenn die Kriterien erfüllt seien, dann müsse die Aufdeckungsanordnung aber zwingend erlassen werden. Die Aufdeckungsanordnung müsse so zielgerichtet wie möglich sein. Art. 10 Abs. 3 lit. e) schaffe keine Hintertüren, sondern stelle sicher, dass die Technologien E2EE ermöglichen sollen. Es müsse aber trotzdem ermöglicht werden, dass CSAM aufgedeckt wird. Entsprechende Technologien gebe es bereits. Bei den Tests sei entscheidend, dass die Justiz alle für die Entscheidung über eine Aufdeckungsanordnung notwendigen Angaben bekomme.
b) Kapitel III (Überwachung, Durchsetzung und Zusammenarbeit)
FRA hielt Art. 27 Abs. 4 für problematisch.
HUN machte Probleme mit Art. 26 geltend und kündigte eigene Textvorschläge an.
c) Kapitel IV (EU-Zentrum)
BEL plädierte dafür, in Art. 43 den Aspekt der Prävention noch stärker herauszuarbeiten (ebenso FRA). Man brauche qualitative Bewertungsmethoden für Präventionsmaßnahmen und best practice.
IRL unterstützte Art. 43 und 47a ausdrücklich.
NLD sahen Probleme mit dem Zugang von Europol zu Daten des EU-Zentrums. Die Ausführungen zur Zusammenarbeit mit Drittstaaten und internationalen Organisationen sei grundsätzlich gut, es geben aber auch noch Zweifel, v.a. hinsichtlich Finanzierungsbeiträgen, die möglicherweise eine Abhängigkeit erzeugen könnten. Statt KOM solle Verwaltungsrat die Zustimmung zur Zusammenarbeit erteilen.
CZE warf die Frage auf, ob im Rahmen von Art. 47a KI genutzt werden solle.
POL und ITA legten einen PV zu Art. 47a ein.
HUN unterstützte alle Textänderungen.
FRA fragte zu Art. 40, ob es einen HH-Ausschuss gebe, der sich mit der Gründung des Zentrums befasse. Art. 47a geht in die richtige Richtung. Art. 51 Abs. 2 lit. n) sollte präzisiert werden, evtl. in einem neuen EG. Man verstehe nicht, wieso in Art. 64 Abs. 4 lit. h) auch EPPO genannt sei. Es sei unverständlich, wieso ENDs aus den MS über die KOM an das EU-Zentrum abgeordnet werden sollten.
d) Kapitel V (Datenerfassung und Transparenzberichterstattung) und VI (Schlussbestimmungen)
FRA zeigte sich zufrieden mit dem Zusatz in Art. 83 Abs. 3 lit. k) und bat darum, in Art. 89 eine Überprüfungsklausel (review) hinzufügen.
3) Weiteres Vorgehen
Vorsitz wies auf die Möglichkeit der Übermittlung schriftlicher Kommentare hin, setzte dafür aber keine Frist. Er werde für den AStV am 20.09.2023 einen konsolidierten Text vorlegen. Sollte sich am angekündigten Zeitplan zur weiteren Behandlung des Dossiers (AStV 20.09.2023, JI-Rat 28.09.2023) aufgrund neuer Entscheidungen „auf höherer Ebene“ noch etwas ändern, werde er die MS informieren.
Datum: 19. September 2023
Von: Regierungskreise
Betreff: CSA-VO/Chatkontrolle
Das Thema wurde von der Tagesordnung der morgigen Sitzung des Ausschusses der Ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten gestrichen.
Das Bundesministerium des Justiz (BMJ) wirbt im Kreis der Ministerkolleginnen und -kollegen weiterhin für seine Position, wie es Minister Buschmann in der Vergangenheit bereits durch den gemeinsamen Brief mit seinen deutschsprachigen Amtskolleginnen an die übrigen Justizministerinnen und Justizminister der EU-Mitgliedstaaten getan hat.
Das BMJ setzt sich zudem für die Idee der Auf- bzw. Abspaltung ein. Deutschland hat in der Ratsarbeitsgruppe u.a. diese Idee vorgestellt. Die Idee ist, die umstrittenen Teile des Verordnungsvorschlags des Kommission (d.h. die Art. 7-11 über „detection obligations“, also client-side-scanning, Chatkontrolle und Verschlüsselungsaspekte) vom Rest des Vorschlags (d.h. die Regelungen zum Risk Management, zu den Berichts- und Löschpflichten und zur geplanten EU-Behörde) zu trennen. Diese verbleibenden Teile könnten nach Auffassung des BMJ schnell und einfach zwischen den Mitgliedstaaten geeint, im Rat vorangebracht und dann auch als Erfolg im Kampf gegen CSAM angesehen werden.
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Zur CC-Lizenz für diesen Artikel
Author: Andre Meister