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Jesiden sollen in den Irak abgeschoben werden, obwohl es dort nicht sicher ist

Viele jesidische Gemeinschaftsmitglieder demonstrierten am Reichstag in Berlin und traten in einen Hungerstreik gegen die mögliche Abschiebung ihrer Angehörigen in den Irak ein. Dies geschieht im Kontext drohender Abschiebungen von Jesiden in den Irak, wo ihnen immer noch Gefahr drohe. Mit einem offenen Brief wendet sich Düzen Tekkal an Innenministerin Nancy Faeser um die Abschiebungen zu verhindern und äußert sich am Ende des Artikels auch uns gegenüber zur Thematik.

Die Minderheit der Jesiden hat besonders seit 2014 unter den Gräueltaten des „Islamischen Staates“ gelitten, wobei viele in Deutschland Zuflucht suchten. Die deutsche Regierung anerkannte die Verbrechen gegen die Jesiden als Völkermord. Trotzdem strebt die aktuelle Ampel-Koalition an, Jesiden vermehrt in den Irak abzuschieben.

Die Bedrohung für Jesiden

„Vor dem Hintergrund des Völkermordes an den Jesidinnen hat das BAMF eine sogenannte Gruppenverfolgung von Jesidinnen aus dem Nordirak festgestellt, d.h. die bloße Zugehörigkeit zu dieser religiösen Gruppe genügte für die Feststellung des Flüchtlingsschutzes. Ende 2017 wurde diese Gruppenverfolgung angesichts der Verbesserung der Lage in den Wohngebieten der Jesid*innen nicht mehr angenommen, d.h. Entscheidungen zu jesidischen Geflüchteten werden seitdem im Rahmen einer Einzelfallentscheidung anhand der aktuellen Situation im Irak getroffen.“

So antwortete die Bundesregierung auf Fragen aus dem Parlament im Februar 2023. Die Lage im Nordirak bleibt angespannt und unsicher, insbesondere in der Region Schingal, die Heimat vieler Jesiden. Schingal präsentiert immer noch als Trümmerlandschaft, wobei die Rückkehr vieler Jesiden in der Regel eine Rückkehr in IDP (Internally Displaced Persons) Camps bedeutet. Trotz der zerstörten Strukturen und fehlender Unterstützung haben einige Jesiden den gefährlichen Weg zurück in ihre Heimat gewählt, oft getrieben durch die hohen Kosten für Menschenschmuggler nach Europa und die menschenunwürdigen Bedingungen in Flüchtlingslagern.

Doch die Rückkehr ist mit Risiken verbunden. Berichte aus dem Jahr 2022 deuten darauf hin, dass in dieser Region erneut Kämpfe ausgetragen werden, vornehmlich durch eine türkische Offensive gegen die PKK. Luftangriffe durch die türkische Armee sind keine Seltenheit, wobei auch Zivilisten ihr Leben verlieren.

Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock besuchte die Region im März und versprach den irakischen Kurden Unterstützung beim Wiederaufbau. Sie betonte, dass niemand sein Leben lang in einem Camp verbringen möchte.

Obwohl die Dschihadisten seit 2017 als militärisch besiegt gelten, gibt es weiterhin Berichte über Anschläge durch IS-Zellen. Trotz der anhaltenden faktischen Diskriminierung gegen Minderheiten, wie die Jesiden, sieht das Bundesinnenministerium derzeit keine ausreichenden Gründe für asylrechtliche Erwägungen. Dies stellt eine Kehrtwende in der Haltung des Ministeriums dar, das noch im März betonte, dass es für Jesiden aufgrund des Völkermords durch den IS unzumutbar sei, in den Irak zurückzukehren.

Wie viele Menschen betroffen sind, ist schwer zu sagen. Das bayerische Innenministerium erklärt auf Anfrage, man habe in diesem Jahr bislang vier Menschen in den Irak abgeschoben, bei denen als Volkszugehörigkeit oder Religion êzîdisch vermerkt war. Da dies aber nicht verpflichtend erfasst wird, könnte die Zahl höher liegen. Nordrhein-Westfalens Fluchtministerium erklärt auf taz-Anfrage, eine „Rückführungsstatistik, die die ethnisch-religiöse Zugehörigkeit erfasst“, liege nicht vor. Mit anderen Worten: Ob unter denjenigen, die in den Irak abgeschoben wurden, auch Jesiden waren, ist unbekannt. Das BMI gibt an, bis Ende August dieses Jahres seien 339 Menschen in den Irak abgeschoben worden. Wie bereits erwähnt, obwohl die Lage für Jesiden offensichtlich nicht sicher ist.

Hungerstreik vor dem Bundestag

Die Betroffenen, die vor der Abschiebung bedroht sind, sind vor etwa einer Woche in einen Hungerstreik vor den Bundestag getreten.

Hier eine der Streikenden: 

Düzen Tekkal, deutsche Autorin mit kurdisch-jesidischer Abstammung, richtet jetzt einen offenen Brief an Innenministerin Faeser. Die Forderung von Tekkal ist simpel: Keine weiteren Jesiden mehr abzuschieben. Gegenüber dem Blog Volksverpetzer erklärt Tekkal:

Mit unserer Menschenrechtsorganisation HÁWAR.help fordern wir eine menschenrechtsgeleitete Außenpolitik. Es braucht auch menschenrechtliche Standards bei der Frage, wer gehen und wer bleiben darf.

Das war eigentlich einmal Konsens, wenn es ums Asylrecht ging. Und statt dass es verteidigt wird, haben sich die demokratischen Parteien sich dazu hinreißen lassen, auf Druck von rechts, es immer weiter auszuhöhlen. Das fing mit den ausländerfeindlichen Ausschreitungen gegen die Asylbewerber-Heime an und hat bis heute nicht aufgehört. Resilienz bedeutet, dass wir Einwanderung aushalten und Menschen eine Chance geben. Es kann nicht sein, dass der Bundestag noch im Januar den Genozid an den Jesiden anerkennt und dann 10 Monate später Sammelrückführungen von Jesiden nach Irak durchführt. Irak ist für Jesiden nicht sicher: Hunderttausende leben noch immer in IDP-Camps in der autonomen Region Kurdistan. Anfang des Jahres hat der Deutsche Bundestag die für Jesiden unsichere Lage in Irak auch in seiner Erklärung zur offiziellen Anerkennung des Genozids festgehalten.

Die Jesiden können nicht mehr kämpfen. Sie haben einen Völkermord überlebt und sind nun wieder existenziell in ihrer Lebensgrundlage bedroht!

Artikelbild: Paul Zinken/dpa

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