Drücken Sie „Enter“, um den Inhalte zu überspringen

Juristisches Gutachten: Chatkontrolle ist grundrechtswidrig und wird scheitern

Dieser Artikel stammt von Netzpolitik.org.Der Autor ist…
Der Juristische Dienst des EU-Rats bezeichnet die Chatkontrolle als rechtswidrig und erwartet, dass Gerichte das geplante Gesetz wieder kippen. Die EU-Staaten nehmen das Gutachten zur Kenntnis und verhandeln trotzdem einfach weiter. Wir veröffentlichen ein eingestuftes Verhandlungsprotokoll.
EU-Kommissarin Johansson verteidigt Chatkontrolle gegen Kritik. – Europäische KommissionVor einem Jahr hat die EU-Kommission eine Verordnung zur Prävention und Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern vorgeschlagen. Das Gesetz soll Anbieter von Internetdiensten verpflichten, auf Anordnung die Inhalte ihrer Nutzer:innen zu durchsuchen und strafbare Kinderpornografie sowie Grooming an ein EU-Zentrum weiterzuleiten – die Chatkontrolle.
Im Bundestag kritisieren alle Sachverständigen bis zum Kinderschutzbund: Die Chatkontrolle ist nicht notwendig, nicht effektiv und nicht verhältnismäßig. Jurist:innen bezeichnen die Maßnahmen als grundrechtswidrig und erwarten, dass Gerichte die Chatkontrolle kippen. Das sagen die deutschen und europäischen Datenschutzbeauftragten, die Wissenschaftlichen Dienste von Bundestag sowie EU-Parlament und jetzt auch der Juristische Dienst des EU-Rats.
Die EU-Staaten verhandeln den Gesetzentwurf in der Ratsarbeitsgruppe Strafverfolgung. Ende April ging es erneut ausschließlich um die geplante Verordnung. Wir veröffentlichen ein weiteres Mal das eingestufte Protokoll der Verhandlungsrunde im Volltext.
Besonders schwerer Eingriff in Grundrechte
Zu Beginn der Sitzung stellte der Juristische Dienst des EU-Rats sein Gutachten vor. Demnach verstößt das geplante Gesetz gegen die Grundrechtecharta. Die Chatkontrolle betrifft alle Nutzer:innen der verpflichteten Kommunikationsdienste, „ohne dass diese Personen auch nur indirekt in eine Situation geraten, die eine strafrechtliche Verfolgung nach sich ziehen könnte“. Diese allgemeine und unterschiedslose Kontrolle ist unverhältnismäßig und erfüllt die Voraussetzungen für Grundrechtseingriffe nicht.
Der Europäische Gerichtshof hat mehrmals klargestellt, dass die Vorratsdatenspeicherung unvereinbar mit der Grundrechtecharta ist. Die Chatkontrolle geht noch über die Vorratsdatenspeicherung hinaus: Sie betrifft nicht nur Verkehrs- und Standortdaten, sondern auch Kommunikationsinhalte. Und sie richtet sich nicht nur gegen Terrorismus und Gefahren nationaler Sicherheit, sondern gegen Straftaten. Wenn das oberste EU-Gericht die Vorratsdatenspeicherung kippt, dann die Chatkontrolle erst recht.
Die Jurist:innen des EU-Rats wählen starke Worte. Die Chatkontrolle „beeinträchtigt den Wesensgehalt der Grundrechte“. Das Grundrecht auf Vertraulichkeit der Kommunikation könne „unwirksam und inhaltsleer“ werden. Es besteht „die ernsthafte Gefahr, sogar den Kern des Grundrechts auf Achtung des Privatlebens“ zu verletzen. Um irgendwie rechtmäßig zu werden, müsste sich die Chatkontrolle auf Personen beschränken, die mit sexuellem Missbrauch in Verbindung stehen.
Zehn Staaten ignorieren Rechtsgutachten
Die EU-Kommission, die den Gesetzentwurf vorgeschlagen hat, widerspricht der juristischen Bewertung des Rats ausdrücklich. Die Kommission geht „von einer grundlegend anderen rechtlichen Bewertung aus“. Sie kündigte an, eine schriftliche Stellungnahme zu erarbeiten, um die Perspektive der Rats-Jurist:innen zu kontern. Die EU-Staaten kündigten ebenfalls an, das Gutachten des EU-Rats zu prüfen. Dann verhandelten sie weiter.
Zehn EU-Staaten haben sich in einer Gruppe gleichgesinnter Staaten zusammengetan und eine gemeinsame Position formuliert, die Irland vortrug. Sie fordern explizit, persönliche Kommunikation anlasslos zu durchsuchen, auch wenn die Nutzer:innen nicht im Verdacht stehen, mit Straftaten in Verbindung zu stehen. Die zehn Staaten wollen nicht nur nach bekannten strafbaren Inhalten suchen, sondern auch nach „unbekanntem Material“ sowie nach „Anwerbung von Kindern/Grooming“ – auch wenn dafür keine angemessene Technologie existiert.
Nach langem Streit fordert die deutsche Bundesregierung, nur unverschlüsselte Kommunikation zu scannen und verschlüsselte Kommunikation auszunehmen. Dieser Forderung widersprechen die zehn Staaten, sie wollen Ende-zu-Ende-verschlüsselte Dienste nicht ausnehmen. Die Staatengruppe fordert zudem, das Gesetz möglichst noch dieses Jahr zu beschließen.
Undifferenzierte Gesamtüberwachung
Andere Staaten sind kritischer. Österreich äußerte „datenschutzrechtliche und grundrechtliche Bedenken“, der Gesetzentwurf beinhalte eine „undifferenzierte Gesamtüberwachung“. Deutschland verwies auf die Stellungnahme der Bundesregierung und forderte „wesentliche Änderungen“ des Gesetzes, will sich aber „weiterhin aktiv und konstruktiv“ einbringen. Polen betonte: „Verschlüsselung darf nicht gebrochen werden“.
Tschechien fordert, auch neues Missbrauchsmaterial zu suchen, dafür dürfe man die Chatkontrolle nicht auf potenzielle Straftäter beschränken. Die Niederlande hingegen haben mit Blick auf die aktuell existierenden Technologien „erhebliche Zweifel“, ob die Suche nach unbekanntem Material und Grooming verhältnismäßig ist. Estland und Malta fordern, „grundlegende Fragen zu klären, um geeignete, rechtlich tragbare Lösungen für dieses Dilemma zu finden“.
Im weiteren Verlauf diskutierten die Staaten die aktuellen Kompromissvorschläge der schwedischen Ratspräsidentschaft. Schweden kündigte an, dass sich der Ausschuss der Ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten auf seiner heutigen Tagung mit der geplanten Verordnung und insbesondere mit „Umfang und Umgang mit Verschlüsselung“ befassen wird. Der Punkt wurde jedoch wieder von der Tagesordnung gestrichen – die EU-Staaten streiten weiter.

Hier das Dokument in Volltext:

Geheimhaltungsgrad: Verschlusssache – Nur für den Dienstgebrauch
Datum: 04. Mai 2023
Ort: Brüssel
Von: Ständige Vertretung der BRD bei der EU
An: Auswärtiges Amt
Kopie: BMI, BMJ, BMWK, BMDV, BMFSFJ, BKAmt, BMF
Betreff: Sitzung der RAG Strafverfolgung am 27./28. April 2023
Hier: Entwurf CSA–VO
Zweck: Zur Unterrichtung
Geschäftszeichen: 350.80/4

Sitzung der RAG Strafverfolgung am 27./28. April 2023
I. Zusammenfassung und Wertung
Die zweitägige RAGS Sitzung vom 27. bis 28. April 2023 befasste sich ausschließlich mit Verhandlungen der CSA–VO. Nach der Vorstellung einer Stellungnahme von JD-Rat wurden Artikel 12 bis 89 der CSA–VO behandelt.
II. Im Einzelnen
TOP 1: Proposal for a Regulation of the European Parliament and of the Council laying down rules to prevent and combat child sexual abuse
JD-Rat stellte zu Beginn der Sitzung seine Stellungnahme zu den vorgesehenen Aufdeckungsanordnungen in interpersonellen Kommunikationsdiensten vor. In der jetzigen Fassung bestünden Zweifel, ob CSA–VO–E den Anforderungen des Artikel 52 GR-Charta entspreche. VO–E sei teilweise nicht hinreichend klar, präzise und vorhersehbar formuliert. Das betreffe insbesondere nicht hinreichend konkrete Anordnungsvoraussetzungen („signifikantes Risiko“ u.a.). Trotz dieser Bedenken habe JD-Rat weiter geprüft. Die Maßnahmen der CSA–VO seien grundsätzlich geeignet, verfolgten einen legitimen Zweck und ein Ziel von allgemeinem Interesse. Allerdings würden die Aufdeckungsanordnungen einen „besonders schweren Eingriff“ in Artikel 7 und 8 GR-Charta darstellen. Die Aufdeckungsanordnungen würden Zugriff auf Daten von Nutzern gewähren, bei denen keine direkte Verbindung zu CSA-Delikten bestehe. Aufdeckungsanordnungen in interpersonellen Kommunikationsdiensten seien nach Auffassung von JD-Rat derzeit nicht verhältnismäßig ausgestaltet. Das liege insbesondere an fehlenden hinreichenden Safeguards. Verhältnismäßigkeit könne hergestellt werden, wenn Aufdeckungen auf Personen(gruppen) beschränkt würden, die in einer Verbindung zu (dem Verdacht auf) CSA-Delikten stünden. JD-Rat stellte fest, dass die CSA–VO innovativ konzipiert sei und über bisheriges EU-Recht hinausgehe. Aufdeckungsanordnungen würden durch eine nationale Justiz- oder Verwaltungsbehörde angeordnet werden und für die gesamte EU gelten. Auf Nachfrage erläuterte JD-Rat, dass eine Unterscheidung zwischen bekanntem, unbekanntem CSAM und Grooming nicht vorgenommen worden sei. Sofern Anordnungen auf bestimmte Nutzergruppen/örtliche Bereiche beschränkt würden, käme JD-Rat gegebenenfalls zu anderen Ergebnissen. Der Schlüssel zur Verhältnismäßigkeit von Aufdeckungsanordnungen liege in der (technischen) Beschränkung der Anzahl von Nutzern, die Adressaten von Aufdeckungen würden, sowie weiteren Schutzmaßnahmen.
Alle wortnehmenden MS legten PV zur Stellungnahme von JD-Rat ein. IRL trug für eine Gruppe von like-minded (LMG) vor. LMG umfasse derzeit 10 ausdrücklich unterstützende MS. LMG unterstütze die konzeptionelle Struktur des VO–E (Technologieneutralität). Aufdeckungsanordnungen sollten für bekanntes, neues CSAM und Grooming auch in interpersonellen Kommunikationsdiensten zulässig sein. CSA werde regelmäßig in großen Mengen in interpersonellen Kommunikationsdiensten verbreitet, diese Dienste sollten daher im Anwendungsbereich verbleiben. Verschlüsselung sollte nicht aus dem Anwendungsbereich ausgeschlossen werden, andernfalls würde ein „safe space“ für Täter geschaffen werden. AUT wiederholte datenschutzrechtliche und grundrechtliche Bedenken. KOM Entwurf sehe eine „undifferenzierte Gesamtüberwachung“ vor. Auf AUT Frage erwiderte JD-Rat, dass die Einschränkung der Definition eines interpersonellen Kommunikationsdienstes ggf. zu einer anderen Bewertung der Verhältnismäßigkeit führen könnte. Ein richtiger gleichwohl nicht ausreichender Schritt sei die Einschränkung auf nummernunabhängige Dienste.
DEU trug weisungsgemäß erneut allgemeine Bedenken und Hinweis auf schriftliche DEU Stellungnahme (Dok. 8268/23) vor. Aus dieser ersten DEU Stellungnahme (Positionspapier) gehe hervor, dass wesentliche Änderungen im VO–E erforderlich seien, damit dieser aus DEU Sicht zustimmungsfähig werde. DEU wolle sich weiterhin aktiv und konstruktiv in die Verhandlungen einbringen.
GRC äußerte Unterstützung für KOM-Entwurf. Es sei wichtig, sich auf betroffene Personengruppen zu beziehen. Maßgeblich sei, dass unabhängige Gerichte Anordnungen treffen und datenschutzrechtliche Standards gewahrt blieben. CZE verwies auf Zweck der CSA–VO: sofern man den Anwendungsbereich der VO–E bspw. auf Nutzer, die bereits Täter geworden seien, beschränke, stelle sich die Frage, auf welchem anderen Wege neues CSAM erkannt bzw. präventiv bekämpft werden könne. Es drohe aus CZE-Sicht, dass neues Material weder erkannt, noch in die Datenbank des EU-Zentrums überführt werde. Dadurch könnten Kinder nicht effektiv geschützt werden. Es bliebe vielmehr dem Zufall überlassen, neues CSAM zu erkennen. Man sei als Bürger auch in anderen Bereichen Adressat von Kontrollen unabhängig von einem konkreten Verdacht zur Begehung einer Straftat. (Grenzüberschreitende) Anordnungen könnten in allen MS angefochten werden. EST unterstützte CZE Ausführungen. Aus EST und MLT Sicht seien grundlegende Fragen zu klären, um geeignete, rechtlich tragbare Lösungen für dieses Dilemma zu finden. NLD dankte SWE ausdrücklich für intensive Arbeit. NLD unterstütze JD-Rat darin, die Verfahren von Aufdeckungen konkreter auszugestalten. NLD unterstütze den Umfang des VO-E, der auch interpersonelle Kommunikationsdienste umfasse. Angesichts der zur Verfügung stehenden Technologien gebe es erhebliche Zweifel, ob Aufdeckung von neuem CSAM und Grooming derzeit verhältnismäßig sei. Bei bereits bekanntem CSAM seien Aufdeckungen dagegen verhältnismäßig möglich. Grooming könne aus NLD präventive effektiv bekämpft werden. POL betonte, Verschlüsselung dürfe nicht gebrochen werden. Es sei größtmögliche Übereinstimmung u.a. mit NIS2 sicherzustellen. FIN unterstützte Ziele des VO–E und gemeinsames europäisches Vorgehen, es gelte eine angemessene, grundrechtskonforme Lösung zu finden. Hauptziel müsse sein, dass CSA–VO dazu beitrage, Verbrechen effektiv zu bekämpfen. ESP wies auf die derzeit gültige Interims-VO hin. Es sei zu verhindern, dass die CSA–VO hinter bereits bestehende Regulierung zurückfalle. JD-Rat betonte, dass eine Verlängerung der Interims-VO keinen Bedenken begegnen würde.
JD–KOM widersprach der Bewertung von JD-Rat ausdrücklich. KOM gehe von einer grundlegend anderen rechtlichen Bewertung aus und werde sich zu einem späteren Zeitpunkt noch detailliert dazu äußern. KOM widersprach insbesondere in drei Punkten. Erstens sei der Vorwurf, der VO–E sei nicht hinreichend präzise, ungerechtfertigt. Der EuGH habe in einem polnischen Verfahren klargestellt, dass EU-Recht in gewissem Maße offen zu formulieren sei, um eine sachgerechte Abwägung aller betroffenen Grundrechte zu gewährleisten. Zweitens hätten in der von JD-Rat in Bezug genommenen Rechtsprechung andere Voraussetzungen vorgelegen. In der EuGH-Entscheidung zur allgemeinen Datenverarbeitung hätten – anders als im KOM-Entwurf – keinerlei zeitliche sowie systematische Begrenzungen zugrunde gelegen. Drittens sei insbesondere festzuhalten, dass sich das von JD-Rat zitierte Fallrecht auf die Bekämpfung von Offlinedelikten beziehe. Mit der CSA–VO werde aber die Bekämpfung von Onlinedelikten angestrebt, wobei der Versand des Materials regelmäßig bereits die Straftat darstelle. Es gehe um die Frage, wie Onlinestraftaten zu verhindern und zu bekämpfen seien. Auf IRL Bitte sagte KOM zu, eine schriftliche Stellungnahme zum Gutachten JD-Rat zu übermitteln. Vorsitz kündigte an, dass die Debatte der Artikel 7-11 zu einem späteren Zeitpunkt fortgeführt werde.
Artikel 12-13a:
Vorsitz erläuterte, dass „imminent“ Artikel 18 DSA entnommen worden sei. Es handele sich um eine Situation mit der LEAs üblicherweise umgingen. DEU trug weisungsgemäß zu Artikel 13 vor und betonte nochmals den notwendigen Änderungsbedarf bzgl. Artikel 7-11 ff zu denen zum jetzigen Zeitpunkt leider keine weitere Aussprache erfolge. Auch ROM und EST stünden einer Streichung von 13a bei Ergänzung des vorgesehene Absatz 2 in Art. 13 aufgeschlossen gegenüber; Prävention sei besser als Heilung. BEL begrüßte fast-track Verfahren grundsätzlich. POL wiederholte Unterstützung für anonyme Meldungen (Artikel 12), es bedürfe einer Definition von Metadaten. HUN betonte, die Notwendigkeit niedrigschwelliger Meldemechanismen für Kinder. Es sei wichtig, nachvollziehen zu können, wer Urheber eine Meldung sei (Artikel 13 Abs. 1 lit. a). Vorsitz erwiderte, dass diese Information abschließend in Formular gem. Anhang 3 übermittelt werde. KOM betonte Notwendigkeit eines einheitlichen Verfahrens. Vorsitz stellte Unterstützung für die Streichung des Artikel 13a fest.
Artikel 14:
ITA äußerte Zweifel, ob die von Vorsitz vorgeschlagenen Ergänzungen ausreichten, um nationale Vorgaben erfüllen zu können. FRA kündigte alternative Textvorschläge an und wiederholte Forderung nach kürzerer Frist in Abs. 2; ROM habe geeignete abgestufte Fristen vorgeschlagen. Auch HUN sprach sich für eine einstündige Frist aus. Die 24-Stunden Frist in Abs. 2 sei aus CZE Sicht geeignet und bereits als Höchstfrist zu verstehen. Dem schlossen sich POL, ITA, NLD und DEU an. ROM stellte einen Vorschlag vor, wie die Frist des Absatzes 2 auf regelmäßig 1 Stunde, in Ausnahmefällen höchsten 24 Stunden abgestuft werden könnte. EST unterstütze diesen Vorschlag, möglich sei auch eine starre Frist von 12 Stunden. Vorsitz stellte fest, dass sich bisher eine Mehrheit der MS für eine Höchstfrist von 24 Stunden ausgesprochen hatte. In DNK dauere die Prüfung der nationalen Öffnungsklausel zur Klärung grenzüberschreitender Sachverhalte an. Für NLD sei es notwendig, dass Entfernungsanordnungen durch Gerichte erlassen würden. Dazu werde NLD einen Formulierungsvorschlag übersenden. Es sei eine vollständige Übersetzung erforderlich (Absatz 4). Vorsitz erläuterte, dass nach weiterer Behandlung der Artikel 7 ff ggf. auch Anpassung in Artikel 14 erforderlich würden. Aus BEL, POL und HUN Sicht gingen die Änderungen in die richtige Richtung. Vorsitz führte aus, dass die in Fußnote 14 vorgeschlagene Ergänzung einen neuen UAbs. in Abs. 1 darstellen könnte. Es sei notwendig klarzustellen, wenn nationale Anordnungen durch Justizbehörden getroffen würden. MLT und ESP unterstützten dies. Aus CZE seien derzeitige Formulierungen in Artikel 14 Abs. 1 ausreichend, vorgeschlagene Ergänzungen daher nicht erforderlich. KOM erwiderte, dass Justizbehörden gegenüber zuständigen Behörden eine eigenständige Kategorie darstellten. Daher seien klarstellende Ergänzungen erforderlich.
Artikel 14a:
CZE widersprach der Streichung der Koordinierungsstelle in Absatz 3, Überprüfung sollte durch die Koordinierungsbehörde zulässig sein. FRA fragte nach zulässigen Rechtsmitteln im Fall von Art. 14a, Unterschiede zur TCO–VO seien nicht nachvollziehbar. Aus IRL Sicht sollten nicht alle Regelungen der TCO–VO übernommen werden.
Artikel 15-18:
FRA hinterfragte die Streichung von „of establishment“ in Artikel 15 Abs. 2. Vorsitz erläuterte, Änderungen in Artikel 16 sollten „overblocking“ verhindern. „Less intrusive measures“ (in Abs. 4 lit a) seien insbesondere Entfernungsanordnungen. FRA begrüßte Änderungen in Artikel 16 grundsätzlich, weiterhin setze sich FRA für eine Streichung des Absatz 6 ein – es seien bereits ausreichende Safeguards vorgesehen. DEU trug weisungsgemäß zu Artikel 16 vor. Auch aus HUN Sicht bedürfe „reasonable time“ weiterer Konkretisierung. Aus BUL Sicht sollten, Sperranordnungen auch für Inhalte erlassen werden können, die in der EU gehostet werden. Sog. „bulletproof“-Anbieter würden regelmäßig nicht mit LEAs kooperieren. Jetzige Fassung ermögliche aus Sicht des Vorsitzes auch Erlass einer Sperranordnung für Inhalte innerhalb der EU.
Artikel 18a:
FRA begrüßte Ergänzung einer grenzüberschreitenden Dimension in Artikel 18a. Es bedürfe weiterer Klarstellung beispielsweise, ob eine Anordnung an Google Frankreich auch für Google Deutschland gelte. Ein kohärenterer Umgang mit Fristen sei erforderlich. DEU trug weisungsgemäß vor. Auf DEU Frage erläuterte KOM, dass mit Blick auf den Impact von Delisting Orders die Schutzmechanismen für Delisting Orders denen von Entfernungsanordnungen im KOM-Entwurf entsprechen sollten.
Artikel 20-21:
Vorsitz erläuterte, dass die Aufnahme einer starren Frist in Artikel 22 weiterhin notwendige Flexibilität ermöglichen müsste.
Artikel 22:
KOM erläuterte, dass der Bezug zu Artikel 7 in Absatz 1 lit a durch vorgeschlagenen neuen Absatz ersetzt werden sollte. Zunächst bedürfe es einer temporären Datenaufbewahrung zu Zwecken des Datenabgleiches. Dies werde in den vorgeschlagenen Ergänzungen in EG 39 erläutert. Daneben bedürfe es einer Datenaufbewahrung auch zur Anwendung der in Artikel 10 vorgesehenen Schutzmechanismen. Aus Sicht des Vorsitzes seien im Umgang mit Daten und deren Speicherung regelmäßig eindeutige Regelungen erforderlich. FIN und ROM begrüßte Änderungen grundsätzlich. DEU trug weisungsgemäß vor. DEU Vortrag wurde von AUT unterstützt. FRA hingegen widersprach der Ergänzung von „necessary“ in Absatz 1. Für EST bleibe unklar, was unter „notwendige“ Daten zu verstehen sei. IRL wiederholte Forderung, IRL Vorgaben im Umgang mit Beweismaterialien berücksichtigen zu können. POL unterstützte Streichung des Absatz 4, denn Absatz 4 sei nicht mit Absatz 1 kompatibel.
Artikel 25 und Artikel 26:
FRA bevorzuge ursprüngliche Differenzierung zwischen einer überwachenden Koordinierungsbehörde (wie im DSA der DSC) und weiteren zuständigen Behörden. Der neue Vorschlag könne aber von FRA unterstützt werden, sofern ein EG (analog zu EG 35 TCO–VO) ergänzt werde. Die „Unabhängigkeit“ im neu vorgeschlagenen EG sei dagegen inakzeptabel. Artikel 26 bedürfe weiterer Konkretisierung. BEL begrüßte neue Struktur grundsätzlich. Aufgaben der Koordinierungsbehörde sollten im VO-E/EG aufgeführt werden. Es sei notwendig festzuschreiben, dass unabhängige Behörden keine Anweisungen erhielten. DEU trug weisungsgemäß vor. Vorsitz führte auf DEU Nachfrage aus, notwendig sei eine Schnittstelle zwischen nationalen Behörden, EU-Zentrum und Koordinierungsbehörden. Aus KOM Sicht gehöre die Kommunikation mit dem EU-Zentrum zu den exklusiven Aufgaben der Koordinierungsbehörde. Dies schließe eine direkte Kommunikation zwischen nationalen Behörden und EU-Zentrum grundsätzlich aus. Auch aus EST und FRA Sicht sei direkte Kommunikation zw. zuständigen Behörden und EU-Zentrum erforderlich. KOM ergänzte, dass Koordinierungsbehörden ggf. in direkte Kommunikation einbezogen werden könnten.
Artikel 27 ff.:
Aus Sicht des Vorsitzes sei größtmögliche Kongruenz mit DSA (insbes. Artikel 51 DSA) anzustreben. Wegen der Nähe zu LEAs könne dies ggf. zu sprachlichen Ungenauigkeiten führen. NLD begrüßte Übernahme NLD-Änderungswünsche.
Artikel 32:
DNK, PRT und CZE könnten die Streichung von Artikel 32 unter Aufnahme des vorgeschlagenen EG mit Verweis auf den DSA mittragen.
Artikel 38a:
DEU legte weisungsgemäß PV zu dem neu vorgeschlagenen EG ein. Auch HUN legte PV ein. BUL erläuterte, dass Fristen hilfreich sein könnten. BEL dagegen fordere mehr Flexibilität in Abs. 3 („without undue delay“).
Artikel 39:
FRA betonte, es sei unabdingbar, dass zuständige Behörden Daten in die Datenbank einspeisen könnten. BEL begrüßte Änderungen. Die Ergänzung von „sincerely“ stamme aus Artikel 66 DSA.
Vorsitz führte die Debatte am 28. April 2023 mit Artikeln 36 und 39 fort:
FRA – unterstützt von ITA – hinterfragte das Unabhängigkeitserfordernis der Behörden, die CSAM Inhalte bestätigen und zur Aufnahme in Datenbank des EU-Zentrums weiterleiteten. Offen bliebe die praktische Ausgestaltung der Weiterleitung bestätigter Inhalte. Artikel 39 Absatz 2 sei für FRA in dieser Fassung nicht akzeptabel. IRL und CZE begrüßten Änderungen grundsätzlich und schloss sich gleichzeitig FRA-Fragen an. DEU trug weisungsgemäß vor. HUN begrüßte Änderungen grundsätzlich. EST unterstützte Artikel 36 grundsätzlich, der vorgeschlagene EG werfe allerdings Fragen auf. KOM erläuterte, dass Datenbank elementar für Struktur des VO–E sei. Die Pflege dieser Datenbank und die rechtliche Bewertung der Inhalte, die in die Datenbank aufgenommen würden sei essentiell. Maßgeblich sei, dass die Unabhängigkeit der Person, die die Illegalität der Inhalte bewerte, nicht in Frage gestellt werde. Es sei allerdings nicht vorgesehen, dass ein Richter jedes einzelne Bild prüfe. Denkbar sei, dass LEAs eine Bewertung der Inhalte unter justizieller Aufsicht vornehmen. LEAs könnten also ihre Prüfungen weiterhin durchführen, ihre Prüfung müsste aber durch Justizbehörde validieren werden. Die genaue Ausgestaltung obliege den MS. Validierte Inhalte könnten so auch vor Abschluss eines Strafverfahrens in die Datenbank aufgenommen werden. JD-Rat unterstützte KOM-Ausführungen. JD-Rat wies auf die Notwendigkeit eines einheitlichen Rahmens dessen was illegal ist hin. Bei der Umsetzung der CSA–RL ergäben sich Unterschiede zwischen nationalen Strafbarkeiten. Auch bei der Bewertung von Grooming sei darauf zu achten, dass ausschließlich illegale Inhalte in die Datenbank aufgenommen werden. Vorsitz betonte Bedeutung hoher Datenqualität. Mehrere MS wiesen darauf hin, dass regelmäßig nicht alle Inhalte, die LEAs bekannt werden, Gerichten im Rahmen eines Strafverfahrens vorgelegt würden. KOM verwies auf den Jahresbericht der Internet Watch Foundation. Daraus gehe ein starker Anstieg der Verbreitung selbstgenerierten Materials, insbesondere von Kindern, die das Alter der sexuellen Mündigkeit noch nicht erreicht haben, hervor. Es handele sich um illegales Material, das regelmäßig auf „Sextortion“ hinweise.
Artikel 43:
BEL regte an, Offlineprävention stärker in den VO–E aufzunehmen.
Artikel 46:
DEU trug weisungsgemäß vor. BEL fragte, ob bei der bei der Aufdeckung von Gooming vollständige menschliche Überprüfung vorgesehen sei und ob weitere Kontextinformationen überprüft würden. KOM erläuterte, Verfahren zum Einspeisen von Indikatoren zur Grooming-Aufdeckung entspreche Verfahren für neues CSAM. Es werde ausschließlich illegales Material übermittelt, auf dessen Grundlage KI-Indikatoren erstellt und für zukünftige Aufdeckung verwendet würden. Material, das „noch nicht“ illegal sei, also bspw. Bilder, die unmittelbar vor dem eigentlichen Missbrauch entstünden und regelmäßig als Teil einer Serie übermittelt würden, seien für Ermittlungsarbeiten relevant, könnten aber nicht in die Datenbank aufgenommen werden.
Artikel 48:
KOM erläuterte, die in der Fußnote vorgesehen Ergänzungen sollten den bisherigen Absatz 4 ersetzen. FRA regte an, in Absatz 4 zu ergänzen, dass Dringlichkeit aus der Tatsache folge, dass es sich um neues CSAM handele. DEU trug weisungsgemäß vor. Vorsitz erläuterte, MS hätten im Zusammenhang mit Artikel 13 Zustimmung zu einem „fast track“ von Meldungen über das EU-Zentrum signalisiert. Diese Änderung gelte es in Artikel 48 nachzuvollziehen.
Artikel 49:
BEL – unterstützt von IRL – regte an, das EU-Zentrum sollte Maßnahmen gem. Absatz 1 auch eigeninitiativ ergreifen können. DEU trug weisungsgemäß vor.
Artikel 51:
DEU trug weisungsgemäß Allgemeine Anmerkungen zur Governance Struktur des EU-Zentrums sowie Positionen zu Artikel 51 vor. DEU Kritik an der Einrichtung des Exekutivausschuss und KOM-Vetorecht wurde von FRA und BEL unterstützt.
Artikel 52/53:
DEU trug weisungsgemäß vor. DEU Position wurde von BEL unterstützt. Auch POL fragte nach der Zusammenarbeit zwischen EU-Zentrum und Europol. Es sei sicherzustellen, dass Europol-Personal nicht mit der Verarbeitung von Daten des EU-Zentrums befasst sei. KOM könne den Wunsch der MS, die Zusammenarbeit zwischen EU-Zentrum und Europol im VO–E konkreter zu definieren, grundsätzlich unterstützen.
Artikel 54:
Auf Nachfrage erläuterte KOM, in einem MoU sei zu regeln, in welchem Rahmen das EU-Zentrum mit Partnerorganisationen, wie z.B. Europol, zusammenarbeite.
Artikel 55:
FRA forderte Streichung des Exekutivrates. DEU trug weisungsgemäß vor. KOM antwortete, dass der Europol-Vertreter kein Stimmrecht habe (Artikel 56 Abs. 2). KOM erläuterte, der unabhängige EP-Sachverständige werde verschiedene Interessen beachten. Das könnten bspw. Rolle und Aufgaben des Technologieausschusses, Zusammenarbeit mit Anbietern sein. Auch bei Errichtung eines Betroffenenbeirates verbliebe daher Bedarf für unabhängigen EP-Sachverständigen. Aus FRA-Sicht sollte KOM analog zur Europol-Regelung lediglich einen Vertreter entsenden (Absatz 1). BEL fragte, ob Möglichkeit bestünde, dass MS-Vertreter durch Experten begleitet würden.
Artikel 57-65:
DEU trug weisungsgemäß vor. KOM erläuterte, eine Agentur mit Größe und Aufgabenbreite des EU-Zentrums sollte durch soliden Exekutivrat unterstützt werden. KOM sei offen, Aufgabenstruktur anzupassen, KOM habe sich an jüngsten Agenturen, wie AMLA, orientiert. FRA forderte, Rolle des Verwaltungsrates (Absatz 4) aufzuwerten.
Artikel 66a:
EST begrüßte, Einbeziehung Betroffener durch einen Betroffenenbeirat. Gleichwohl sollte sichergestellt werden, dass Betroffene durch Sachverständige unterstützt werden. CZE und BEL begrüßten Artikel 66a sowie EST Vorschlag. Sachverständige sollten als Mitglieder des Betroffenenbeirates benannt werden und gleiche Kompetenzen erhalten. FRA legte Prüfvorbehalt. IRL begrüßte Artikel 66a. KOM sei offen, für Betroffenenbeirat sowie Einbeziehung von Sachverständigen. Wichtig sei es (ggf. in einem EG) zu regeln, wie der Input des Betroffenenbeirates in die Arbeit der nationalen Koordinierungsbehörden und – andersherum – nationale Erfahrungen auf EU Ebene einfließen könnten.
Artikel 67-81:
DEU trug weisungsgemäß vor. Im Übrigen keine Wortbeiträge. ESP äußerte den Wunsch, das EU-Zentrum in Spanien anzusiedeln.
Artikel 83:
Vorsitz erläuterte, dass keine Verarbeitung personenbezogener Daten vorgesehen sei (Absatz 4). DEU trug weisungsgemäß vor. FRA unterstützte DEU darin, dass die vollständige Streichung von Abs. 2 lit a zu weit gehe. FRA widersprach der Streichung von Absatz 5. KOM unterstützte DEU/FRA Vortrag. Datenerfassung sei aus rechtlichen Gründen sowie zur Überprüfung der Effizienz der Maßnahmen der VO notwendig. Es sollten Anpassungen vorgenommen werden, bspw. schrittweise Einführung, (finanzielle) Unterstützung durch KOM. Streichung von Absatz 5 sei nicht nachvollziehbar. Es gehe dabei (vgl. Absatz 4) nicht um personenbezogene Daten. Vorsitz kündigte an, Absatz 5 wieder aufnehmen zu wollen. BEL, AUT, DNK und HUN unterstützten Streichung von Abs. 2 lit. a. HUN unterstützte auch Streichung von Absatz 2 lit. h und i.
Artikel 89:
DEU trug weisungsgemäß vor. Auch FRA plädierte für eine entsprechende Fristverlängerung. PRT kündigte einen schriftlichen Vorschlag an. KOM wies darauf hin, dass es verschiedene Optionen gebe, um Lücken zwischen Auslaufen der Interims-VO und Anwendung der CSA–VO zu vermeiden. Sie werde ggf. einen Vorschlag zur Verlängerung der Interims-VO vorlegen werden, aber nur, wenn die CSA–VO vor Auslaufen der Interims-VO angenommen werde.
Gegen Ende der Sitzung fragte Vorsitz, ob es noch weitere Anmerkungen zum VO–E gebe.
Auf Nachfrage von BEL erklärte JD-Rat, dass es aus seiner Sicht nicht zu beanstanden sei, dass bei den Definitionen in Artikel 2 VO–E auf RL 2011/93/EU Bezug genommen werde. Auch in anderen Verordnungen werden bei den Begriffsbestimmungen auf Richtlinien verwiesen.
DEU wies nochmals auf die Ausführungen in seiner schriftlichen Stellungnahme, insbesondere zu den Aufdeckungsanordnungen (Artikel 7 ff.), hin.
Vorsitz kündigte an, dass sich der AStV am 17. Mai 2023 mit der CSA–VO und insbesondere Fragen zu Aufdeckungsanordnungen (Umfang und Umgang mit Verschlüsselung) befassen werde.
Vorsitz kündigte weiter an, dass die nächste RAGS-Sitzung zur CSA–VO am 12. Mai 2023 stattfinde. Die Tagesordnung werde rechtzeitig bekannt gegeben.
TOP 2: AOB
Keine Beiträge der Delegationen.

Die Arbeit von netzpolitik.org finanziert sich zu fast 100% aus den Spenden unserer Leser:innen. Werde Teil dieser einzigartigen Community und unterstütze auch Du unseren gemeinwohlorientierten, werbe- und trackingfreien Journalismus jetzt mit einer Spende.
Zur Quelle wechseln
Zur CC-Lizenz für diesen Artikel

Author: Andre Meister

Kwara chronicles : unveiling enchanting tales of life in our vibrant state !.