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„Kinderpornografie“-Paragraf: Bundestag senkt Mindeststrafen
Wer sogenannte kinderpornografische Inhalte besitzt oder verbreitet, muss künftig nicht mehr angeklagt werden. Das ermöglicht ein niedrigeres Strafmaß. Dabei es geht nicht um die Verharmlosung sexualisierter Gewalt, sondern um diejenigen, die sich ohne kriminelle Absichten strafbar gemacht haben.
Am Donnerstag hat der Bundestag beschlossen, die Mindeststrafen beim „Erwerb und Besitz kinderpornografischer Inhalte“ zu senken, dazu wird Paragraf 184b des Strafgesetzbuches angepasst. Bisher beträgt das Mindeststrafmaß mindestens ein Jahr Freiheitsstrafe. Fortan sollen es bei Besitz und Erwerb mindestens drei Monate, bei Verbreitung mindestens sechs Monaten sein.
Der Begriff Kinderpornografie ist die juristische Bezeichnung aus dem Strafgesetzbuch. Er steht in der Kritik, da es bei den entsprechenden Taten nicht um Pornografie geht, sondern um Gewalt. Treffender für die Straftat wäre daher „Darstellungen sexualisierter Gewalt gegen Kinder“. Wir referenzieren den Begriff aus dem Strafgesetzbuch dennoch weiter dort, wo er für das Verständnis der juristischen Zusammenhänge erforderlich ist.
Bei der Änderung des Straftatbestandes geht es nicht darum, Darstellungen sexualisierter Gewalt als weniger schwerwiegend zu beurteilen. Mit dem bisherigen Mindeststrafmaß, das erst vor drei Jahren erhöht worden war, gab es ein Problem: Verfahren konnten nicht mehr eingestellt werden, auch wenn die vermeintlichen Täter:innen nicht in pädokrimineller Weise handelten und es gerade nicht um die Verbreitung entsprechender Bild- und Videomaterialien ging.
Kinder, Eltern und Lehrkräfte als Angeklagte
Das wurde zum Problem, etwa für Eltern oder Lehrkräfte. In Rheinland-Pfalz kursierte beispielsweise ein Video, das eine 13-Jährige von sich erstellt hatte und das rechtlich unter den Begriff Kinderpornografie fiel. Als eine Lehrerin die Mutter des Mädchens informieren wollte und sich dazu das Video besorgte, machte sie sich strafbar. Auch wenn ihre Absichten offenbar darin lagen zu helfen, musste die Staatsanwaltschaft sie anklagen.
Auch Jugendliche, die beim Sexting einvernehmlich Nacktbilder oder -videos verschickten, stehen vor einem Problem und so sind viele der Tatverdächtigen minderjährig. Daher brachte das Justiziminsterium von Marco Buschmann (FDP) die Reform auf den Weg.
Durch die Senkung des Strafmaßes bekommen Staatsanwaltschaften nun die Möglichkeit, Verfahren einzustellen, bei denen es keinen kriminellen Hintergrund gibt. Die Höchststrafen jedoch bleiben bestehen. Aus pädokrimineller Motivation heraus begangene Taten können also auch künftig mit mehrjährigen Haftstrafen geahndet werden.
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Author: Anna Biselli