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Kreml denkt, dass Ukrainer … mit Pinguinen … häh?

Dmitri Medwedew, ehemaliger russischer Präsident, jetzt stellvertretender Vorsitzender des russischen Sicherheitsrates und treue Putin-Marionette, schrieb auf Twitter eine eigenwillige Analyse zur geopolitischen Lage der Ukraine. Unter der hetzerischen Überschrift „WHY WILL UKRAINE DISAPPEAR? BECAUSE NOBODY NEEDS IT!“ schreibt er über die angeblichen Gründe, warum die Ukraine seiner Meinung nach verschwinden wird. Spoiler: Die völkerrechtswidrige russische Invasion mit Granaten, Panzern, Ermordung von Zivilist:innen, Verschleppung von ukrainischen Kindern und vielen weiteren Kriegsverbrechen kommt darin nicht vor. Dafür Pinguine in der Antarktis, denn laut Medwedew wollen die Menschen in der Ukraine irgendwie dahin umsiedeln oder so. Keine Ahnung.

Screenshot twitter.com

Fun Fact: Wir haben den Tweet von Medwedew bei Twitter gemeldet und er ist tatsächlich, während wir an diesem Artikel gearbeitet haben, vom NetzDG in Deutschland gelöscht worden. Shoutout an Phil.

Die Gaga-Propaganda vom Kreml

Gerne würden wir euch jetzt erklären, was der Hetzer Medwedew damit meint. Vielleicht möchte er vermeiden, aus dem Fenster zu fallen. Das passiert ja offenbar auffällig häufig Menschen im erweiterten Umfeld des russischen Machtapparats. Vielleicht ist er durchgedreht und hält Pinguine wirklich für einen wichtigen geostrategischen Faktor im Ukraine-Krieg. Das können wir natürlich schwer belegen. Auf jeden Fall ist Medwedew voll von Hass auf die Ukraine und regelrecht blind vor Wut. Und da wir das vermutlich eh nicht ändern können, aber ihr jetzt einmal auf den Artikel geklickt habt, nutzen wir die Gelegenheit doch, um stattdessen Fakten zu verbreiten. Leider mit wenig Pinguinen, dafür mit einem hervorragenden Video von Osteuropa-Experten Prof. Klaus Gestwa.

Wir geben euch einen Überblick über seine Argumente, aber wenn ihr die dreiviertel Stunde Zeit habt, empfehlen wir definitiv, das ganze Video zu schauen!

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Propaganda-Lügen des Kreml über die Ukraine

Wir haben für euch die 8 im Video widerlegten Thesen in 3 Kategorien zusammengefasst. In die erste Kategorie fallen drei Thesen, in denen es um die Ukraine geht. Wer sich mit russischer Propaganda im Ukrainekrieg beschäftigt, hat jede dieser drei schon einmal gehört. So wird fälschlicherweise behauptet u.a. vom Kreml, die Ukraine „gehöre historisch zu Russland“. Die etwas kleinere, aber ebenso faktenwidrige Behauptung ist, dass Krim und die Ostukraine (genauer: Der Donbas) zu Russland gehörten. Die dritte falsche Behauptung ist, dass die Ukraine kein demokratischer Staat sei. Natürlich sind alle drei Thesen falsch; wir fassen für euch zusammen, was der Osteuropa-Experte Prof. Gestwa dazu sagt.

Faktencheck: Die Ukraine gehört nicht zu Russland!

Okay, dass die Ukraine nicht zu Russland gehört, ist eigentlich offensichtlich, denn es sind nun einmal zwei verschiedene Staaten. Doch die russische Propaganda macht regelmäßig angebliche „historische Ansprüche“ geltend. Das ist natürlich Unsinn, da „historische Ansprüche“ immer willkürlich sind. Wer sagt denn, dass ausgerechnet die historische Epoche relevant ist, in der Moskau über die heutige Ukraine herrschte? Wer beweist mir, dass nicht das Jahr 1237/38 relevant ist, in dem Moskau unter mongolische Herrschaft fiel und 250 Jahre lang „historisch zur Mongolei“ gehörte?

Aber jetzt mal im Ernst: Die Sache ist bei der Ukraine eigentlich erstaunlich klar, bemerkt der Osteuropa-Experte Prof. Gestwa an dieser Stelle. 1991, während der Auflösung der Sowjetunion, gab es ein Referendum in der Ukraine, wo die Menschen angeben konnten, ob sie für oder gegen eine Unabhängigkeit ihres Staates waren. 90 % stimmten für die Unabhängigkeit der Ukraine, ein eindeutiges Votum. Ist aber natürlich doof, wenn man als Kreml-Propagandist einen imperialistischen Angriffskrieg auf genau diesen unabhängigen Staat verargumentieren muss.

Kreml-Propaganda verzweifelt an unabhängiger Ukraine

Deswegen klammert sich die Kreml-Propaganda so sehr an diese angebliche „historische Zugehörigkeit“, die laut Prof. Gestwa zum Teil auch auf dem großrussischen Imperialismus des 19. Jahrhunderts beruhen. In der Logik der Kreml-Propaganda gibt es demnach nur eine „großrussische Nation“, von der die Ukraine höchstens ein abtrünniger Teil ist. Tatsächlich gibt es historisch gesehen einen gemeinsamen Vorfahren der ostslawischen Staaten (Russland, Ukraine, Belarus), auf den sich alle drei berufen: Die Kyjiwer Rus, ein mittelalterliches Staatengebilde. Allerdings ist es eben nicht mehr und nicht weniger als das, nämlich ein gemeinsamer Vorfahre. Alle drei Staaten können sich „mit gleichem Recht“ darauf berufen, dessen Nachfolger zu sein. Doch sich auf die Kyjiwer Rus zu berufen, um dessen andere Nachfolgestaaten zu unterdrücken, so wie es Moskau tut, ergibt keinen Sinn. Die Ukraine entwickelte nämlich auch über einen längeren Zeitraum ein eigenes Nationalbewusstsein, vor allem im 19. Jahrhundert.

Doch egal, wie Putins Kreml-Propaganda die Geschichte nun drehen und wenden möchte: Spätestens mit dem Referendum 1991 ist die Ukraine ein souveräner und von Russland unabhängiger Staat. Bestätigt wurde das sogar von Russland durch mehrere völkerrechtlich bindende Verträge, in denen sie der Ukraine Sicherheitsgarantien geben [PDF]. Der Osteuropa-Experte Gestwa mahnt auch kritisch an: Wir sollten unseren Blick frei machen vom russischen Imperialismus, die Ukraine also nicht nur durch die Brille des „Vorgarten Russlands“ sehen. Genau das ist aber, was beispielsweise auch deutsche Putin-Unterstützerinnen wie Sahra Wagenknecht implizit tun. Die Ukraine ist sehr wohl ein unabhängiger Staat, der allerdings mit seiner geographischen Position zwischen verschiedenen Imperien eine schwierige Ausgangslage hatte.

Faktencheck: Krim und Donbas gehören nicht zu Russland!

Okay, das Bullshit-Argument „Ukraine gehört zu Russland“ hat Prof. Gestwa damit schonmal widerlegt. Doch die russische Propaganda ist scheinbar schon einen Schritt voraus: Oft hört man die „abgespeckte“, aber genauso falsche Version. Demnach gehöre nicht die ganze Ukraine, aber immerhin die Krim und der Donbas im Osten der Ukraine zu Russland. Dazu sagt der Osteuropa-Experte: „Bei einem solchen Satz klingeln bei allen Historikerinnen und Historikern gleich die Alarmglocken“. Auch hier gilt wieder das Gleiche: Historische Zugehörigkeiten als Argument für heutige Grenzverschiebungen sind laut Prof. Gestwa gefährlicher Revanchismus. Aber wenn ihr auf der nächsten Party mit Detailwissen glänzen wollt, liefert der Experte auch das:

Die Halbinsel Krim war schon seit der Antike von diversen Ethnien besiedelt. Putin ignoriert diese multiethnische Geschichte in seiner Rede zur Annexion der Krim 2014 und framed die Krim als „Heiligen Ort Russlands“. Denn hier wurde Wladimir der Große getauft, der von Russland als Nationalheiliger gesehen wird – aber eben auch von der Ukraine. Die größte Bevölkerungsgruppe auf der Krim waren jedoch bis ins 18. Jahrhundert die Krimtataren, die ein Khanat mit islamischer Hochkultur errichteten. 1793 annektierte das Russische Reich die Krim und erst im Zweiten Weltkrieg kam es zu einer grausamen Entvölkerung der Krim, sowohl durch deutsche Massenmorde als auch durch stalinistische Deportation. 1954 wurde die Krim dann Teil der Sowjetrepublik Ukraine. Das blieb sie nach 1991 und der Unabhängigkeit der Ukraine. Übrigens auch mit einer Mehrheit der Bevölkerung auf der Krim.

Auch Bevölkerung des Donbas wollte nicht nach Russland!

Und der Donbas im Osten der Ukraine? Der ist laut Prof. Gestwa schon seit den 1960er Jahren eine wichtige schwerindustrielle Region (und damit natürlich strategisch interessant). Die „historischen“ Ansprüche sind aus den oben genannten Gründen Unsinn, aber auch das Argument eines angeblichen „Willen des Volkes“ schlägt fehl. Denn auch in den Regionen Luhansk und Donezk ganz im Osten der Ukraine stimmten 1991 jeweils mehr als 83% für die ukrainische Unabhängigkeit. Und auch laut Umfragen von 2014 war im Donbas nach wie vor eine Mehrheit gegen die Abspaltung des Donbas, nur 18,2% unterstützen dies. Zwar stimmen mehr als 57% der Aussage zu, dass zwischen dem Osten und Westen des Landes „umfassende politische Widersprüche, sprachliche und kulturelle Unterschiede oder wirtschaftliche Ungleichgewichte“ bestünden. Gleichzeitig sahen aber fast 90% die Ukraine als ihre Heimat an.

Faktencheck: Die Ukraine ist ein demokratischer Staat!

Noch lieber als über Pinguine redet Medwedew darüber, dass die Ukraine angeblich unter einem „Nazi-Regime“ leide. Viermal taucht das Wort „Nazi“ in seinem Tweet auf. Wie viele Kreml-Propagandist:innen scheint Medwedew regelrecht besessen davon, nachzuweisen, dass die Ukraine kein demokratischer Staat sei und damit von der Schwere der Schuld des russischen Regimes abzulenken. Außerdem spricht er damit der ukrainischen Regierung ab, legitim die Interessen der ukrainischen Bevölkerung zu vertreten.

Doch das ist fernab von jeglicher Realität. Prof. Gestwa kritisiert vor allem die Darstellung der Ukraine als gespaltenen Staat, dessen eine Hälfte von den USA und die andere von Russland kontrolliert wird. Die Ukraine ist ein selbstständiger Staat, dessen Regierung durch demokratische Wahlen bestimmt wird. Das beste Beispiel für Demokratie in der Ukraine ist der Euromaidan 2013/14. Dieser wird von der russischen Propaganda ohne Beweise als angeblich vom Westen gestützter Putsch bezeichnet. Laut Gestwa haben mittlerweile jedoch zahlreiche Studien nachgewiesen, dass der Euromaidan die größte demokratische Massenbewegung in Europa nach 1990 ist.

Natürlich muss man hier auch einräumen, dass die Ukraine mit Korruption, Einschränkungen der Pressefreiheit und Mängeln bei der Rechtsstaatlichkeit zu kämpfen hat. Dennoch wird dieses Argument für das russische Regime mindestens zum Bumerang. Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht Russland auf Platz 155 (Ukraine: 106), auf dem Korruptionswahrnemungsindex auf Platz 136 (Ukraine: 122) und im Demokratieindex [PDF] auf Rang 146 (Ukraine: 87). Also: Die Ukraine hat noch einiges an Entwicklung vor sich, um als vollständige Demokratie zu gelten. Doch im Vergleich zu Russland steht sie deutlich besser da und ist der demokratischere Staat. Und auch abgesehen davon ist das eine echt schwache Entschuldigung für eine Invasion.

Propaganda-Lügen des Kreml Über Russland

Der Kreml lügt aber nicht nur über die Ukraine – sondern auch über Russland. Natürlich hier vor allem, um selbst besser dazustehen. Die beiden Argumente, die der Osteuropa-Experte Gestwa widerlegt, sind euch vielleicht auch schon einmal begegnet. Einerseits behaupten viele, dass man gar nicht wisse, was Putin will. So wird wahrheitswidrig das Bild eines abgeklärten, mystisch-undurchschaubaren Genies in Moskau erzeugt, dessen geheime Pläne der Westen nicht verstehe. Das ist eine komplette Verklärung des Autokraten Putins und es ist schlicht falsch. Denn wir wissen, was Putin will. Er hält seine Pläne ja nicht gerade geheim.

Die andere widerlegte Behauptung ist die, dass westliche Medien angeblich „genauso schlimm“ seien wie russische. Das ist natürlich offensichtlich Unsinn, doch „die Medien“ pauschal zu kritisieren, wird immer noch von vielen als besonders „intellektuell“ und „kritisch“ wahrgenommen. Dabei ist auch das einfach nur russische Propaganda.

Faktencheck: Wir wissen, was Putin will!

Viele Putin-Apologet:innen wollen gern glauben, dass Putins Motive im Dunkeln liegen und wir, also „der Westen“, ihn nur nicht verstünden. Doch tatsächlich sagt Putin ziemlich genau, was er vor hat. Laut Osteruopa-Experte Gestwa wird Putin dabei von 3 Motiven geleitet:

Putin-Motiv „Sozialimperialismus“

Das erste Motiv nennt Prof. Gestwa „Sozialimperialismus“. Der Hintergrund ist, dass Putin es nicht geschafft hat, Russland mit Modernisierungen und Reformen an die Entwicklungen im 21. Jahrhundert anzupassen. Deswegen sieht er Krieg als Mittel, die öffentliche Meinung hinter sich zu bringen. Das gilt übrigens nichtt erst seit 2022. Der Autokrat Putin führte in seiner gesamten Amtszeit Kriege (1999-2009 Tschetschenien, 2008 Georgien, 2014 Donbas, seit 2015 Syrien). Und es funktioniert auch: Seine Zustimmungswerte steigen regelmäßig stark an, wenn er Krieg führt. Wir haben in dieser statista-Grafik jeweils den Georgien-Krieg (2008), die Annexion der Krim (März 2014) und die Invasion der Ukraine (Februar 2022) hervorgehoben.

Quelle: statista.de, Hervorhebungen durch Volksverpetzer

Putin-Motiv „Entukrainisierung“

Das zweite Motiv des Kreml ist eine sogenannte „Entukrainisierung Osteuropas“. Putin sagt tatsächlich ganz offen, dass er die demokratische, souveräne, europäische Ukraine auslöschen will. Die Ukraine soll für ihn ein russischer Vasallenstaat sein. Putin fürchtet laut Gestwa gar nicht mal so sehr die militärische Bedrohung durch die NATO, sondern eher die politische Bedrohung durch die europäische Demokratie. Das erklärt vermutlich auch Putins verbissenen Kampf gegen angebliche „westliche Dekadenz“, was sich am deutlichsten an seiner rücksichtslosen Unterdrückung der LGBTQ+-Community zeigt.

Putin-Motiv „neue Konferenz von Jalta“

Als drittes Motiv erhofft sich Putin eine neue Konferenz von Jalta. Und auch das meint er genauso pathetisch, wie es klingt, denn er fordert wie 1945, dass die Vertreter der angeblichen Supermächte (Russland, China, USA, GB) zusammenkommen und die globalen Einflusszonen abstecken, in die die anderen Supermächte nicht intervenieren dürfen. Prof. Gestwa schrieb letztes Jahr selbst ausführlich dazu. Dieses Großmacht-Denkmuster stammt aus dem 20. Jahrhundert und ignoriert komplett das Selbstbestimmungsrecht der Völker, in diesem Fall vor allem der Menschen in der Ukraine. Übrigens erinnert uns das auch sehr an die Nazi-Rhetorik der „raumfremden Mächte“, welche die Parteijugend der AfD Anfang des Jahres nutzte:

Faktencheck: Westliche Medien sind nicht „genauso Schlimm“ wie russische

Über „die Medien“ zu schimpfen, gehört lagerübergreifend zum guten Ton echter oder scheinbarer „politischer Kritiker“. Auch wir kritisieren ja regelmäßig die Öffentlich-Rechtlichen, die Axel-Springer-Presse – und eben auch die russischen Staatsmedien, vor allem in Form von RT DE. Die Erkenntnis, dass sowohl in demokratischen Staaten wie Deutschland als auch im autokratischen Russland Medien kritikwürdig sind, sorgt allerdings bei manchen zu einem verhängnisvollen Kurzschluss. Sie behaupten dann fälschlicherweise, westliche Medien seien auch nicht besser als russische. Nun wird Menschen, die sich öfter mit Desinformationstechniken beschäftigen, schnell auffallen, dass das ein unsinniger Whataboutismus ist.

Doch nicht nur aus unserer Perspektive ist dieser geistige Kurzschluss zu kritisieren. Auch Osteuropa-Experte Gestwa bestätigt, dass diese Behauptung „in hohem Maße unredlich und auch sehr ärgerlich“ ist. Er zitiert den russischen unabhängigen Journalisten und Friedensnobelpreisträger Dmitrit Muratow, welcher die Situation in Russland als „Mediengenozid“ bezeichnet. Den deutschen Qualitätsmedien attestiert Gestwa einen „klaren Zuerwerb an Kompetenz“, während auf russischer Seite die „Enthemmung der Sprache“ schlimme Ausmaße erreiche. Besonders fällt beim russischen „Zombie-Kiste“-Staatsfernsehen die extreme anti-westliche Sprache in Talkshows auf, beispielsweise beim Chef-Hetzer Wladimir Solowjow. Ja, das ist der Solowjow, der Dresden und Berlin bombardieren lassen will. Wir berichteten:

Also: Westliche Medien sind nicht fehlerfrei, doch im Gegensatz zu russischen Staatsmedien sind sie nicht auf Regierungslinie gleichgeschaltet, sondern in der Lage, sich selbst und die Handlungen der eigenen Regierung zu kritisieren. Auch in deutschen Talkshows treten immer wieder fragwürdige Personen auf, doch nirgendwo wird auch nur ansatzweise so intensiv gehetzt wie in den Talkshows des russischen Staatsfernsehens. Wer hier beide Seiten als gleich schlimm bezeichnet, handelt naiv – oder mit Vorsatz für die Kreml-Propaganda.

Propaganda-Lügen des Kreml über den Westen

Wir haben es schon im vorherigen Abschnitt angedeutet: Aus Sicht des Kremls ist Russland nicht nur im Konflikt mit der Ukraine, sondern immer auch mit „dem Westen“. Auf den Westen beziehen sich daher auch viele Narrative, die Putin in der eigenen Bevölkerung gleichermaßen wie im westlichen Ausland pushen möchte. Das beliebteste darunter ist die aktive Falschdarstellung, die NATO sei der Aggressor (obwohl es offensichtlich die russische Armee ist, die in fremdes Territorium einmarschiert). Diese Falschdarstellung versucht an den Antiamerikanismus westlicher Rechtsextremer, aber auch Linker anzuknüpfen. Ähnliche Zielgruppen sprechen auch zwei andere Fake-Thesen an, die von Osteuropa-Experte Gestwa im Video zerpflückt werden. Die eine behauptet, Waffen zu liefern sei synonym mit „Krieg wollen“, die andere, dass der Krieg schon längst diplomatisch hätte gelöst werden können. Die Widerlegungen im Einzelnen:

Faktencheck: NATO ist nicht der Aggressor!

Gerade in rechten Kreisen ist die Strategie der Täter-Opfer-Umkehr sehr beliebt Daher findet die wahrheitswidrige These „Die NATO sei der Aggressor, Russland würde sich nur verteidigen“ anklang beim westlichen Publikum. Das wirkt angesichts des russischen Angriffskrieges bizarr und auch laut Osteuropa-Experte Professor Gestwa ist sie „schlicht Unfug“. Passend dazu erläutert er die Hintergründe und bringt gute Argumente für Diskussionen mit sturen Putin-Unterstützer:innen.

Gestwa setzt dafür bei der NATO-Osterweiterung 2004 an, als unter anderem die baltischen Staaten der NATO beitraten – also ausgerechnet die, die keine 15 Jahre zuvor noch Teil der Sowjetunion waren. Die Initiative ging damals von den baltischen Staaten selbst aus, NICHT von der NATO. Grund seien „neoimperiale Stimmen“ aus Russland, die im Baltikum Angst ausgelöst haben; es gab wenn, dann eher vonseiten der westlichen Länder kritische, kontroverse Diskussionen. Kritische Stimmen wie die von ex-Minister Egon Bahr („Wandel durch Annäherung“) oder vom US-Diplomaten George Kennan hatten so viel Einfluss, dass auch die Bundesregierung unter dem damaligen Kanzler Helmut Kohl sehr vorsichtig überlegte, ob und wie bald die baltischen Staaten beitreten sollten. Man wollte unbedingt „Ärger mit Moskau vermeiden„.

NATO geht sogar eher übervorsichtig vor, um Russland nicht zu verärgern!

Aus derselben Zeit stammt die NATO-Russland-Grundakte (1997). Die NATO verpflichtete sich darin, östlich der Elbe keine Militärstützpunkte zu unterhalten. Außerdem sollten nicht mehr als 5000 NATO-Soldat:innen in den Staaten, die der NATO neu beitreten, stationiert sein. Damit wird deutlich: Die Osterweiterung war eher eine politische Erweiterung, die militärische Präsenz der NATO ist keineswegs bedrohlich gewachsen. Selbst nach der völkerrechtswidrigen russischen Annexion der Krim 2014 hat die NATO sich noch enorm zurückgehalten, es gab bis zur russischen Invasion im Februar 2022 nur wenige Tausende Soldaten auf dem Gebiet der neuen Beitrittsländer. Auch nach der Invasion gab es keinesfalls eine schnelle Aufstockung der Truppen. Zum Vergleich: Allein auf dem Gebiet der DDR hatte Moskau zur Zeit der Wende über 330.000 Soldaten stationiert.

Die „Gefahr“ (aus russischer Sicht) eines NATO-Beitritts der Ukraine bezeichnet der Osteuropa-Experte übrigens als „herbeifantasiert“. Es gab zwar unter US-Präsident George Bush mal einen Vorstoß der US-Regierung, doch Deutschland und Frankreich legten schnell ihr Veto ein.

Also: Ganz anders, als Wagenknecht, Alice Schwarzer und Co. es immer wieder behaupten, lag in der Vergangenheit vom Westen aus sogar ein verhältnismäßig starker Fokus auf russischen Sicherheitsinteressen! In mehreren Situationen wurden NATO-Beitritte, die von der Bevölkerung der Staaten gewünscht war, vom Westen verzögert, da man Russland nicht zu nahe treten wollte. Gleichzeitig gab es einen Ausbau der wirtschaftlichen Beziehungen zu Russland. Gerade die deutsch-russischen wirtschaftlichen Beziehungen intensivierten sich. Die Behauptung, Interessen Russlands hätten keine Beachtung gefunden, ist also nicht haltbar und kann nur als Teil russischer Propaganda verstanden werden.

Faktencheck: Waffenlieferungen sind nicht synonym mit „Krieg wollen“!

Putin-Propaganda und pseudo-Pazifist:innen sind sich hier einig. Frieden schaffen gehe nur ohne Waffen – wer mehr Waffen liefert, der muss doch mehr Krieg wollen, oder? Das klingt auf den ersten Blick so logisch, dass manche nicht erkennen, warum diese Schlussfolgerung leider zu kurz gedacht ist. Natürlich wollen auch wir Frieden, so schnell wie möglich. Und dafür gibt es auch einen ganz einfachen Weg: Wladimir Putin muss seine Truppen aus der Ukraine abziehen. Doch solange er das nicht tut (und danach sieht es aktuell nicht aus), ist die Lage komplizierter.

Osteuropa-Experte Gestwa fasst es prägnant zusammen: „Wenn Russland seine Truppen aus der Ukraine abzieht, haben wir sofort Frieden. Falls die Ukraine den Krieg verlieren sollte oder ihre Waffen streckt, wird es die Ukraine nicht mehr als einen eigenständigen demokratischen Staat und eine europäische Nation geben!“. Er kritisiert auch die in Deutschland verbreitete Meinung, die Ukraine solle sich auf „Frieden für Territorium“ einlassen. Die Ukraine sollte nach dieser Meinung ein Teil des Territoriums an Russland abgeben, wenn Putin dafür wirklich ganz ehrlich verspricht, dass er dann aufhört, Druck auszuüben. Umfragen belegen, dass das leider wirklich eine weit verbreitete Meinung in Deutschland ist. Osteuropa-Experte Gestwa weist darauf hin, dass im Gegensatz dazu die Menschen in der Ukraine, für die der Krieg nicht auf der Couch in den Abendnachrichten, sondern ganz real vor der Haustür stattfindet, zu 90% gegen eine solche Scheinlösung des Konflikts sind.

Ohne vollständigen russischen Rückzug kein Frieden

Ursache für dieses klare Votum sieht Gestwa vor allem in den brutalen Kriegserfahrungen, die die ukrainische Bevölkerung in den vergangenen Monaten gemacht hat. Wer könnte es den Menschen in der Ukraine übel nehmen, dass sie nach dem Massaker von Butscha, dem Angriff auf eine Geburtsklinik in Mariupol, den Kriegsverbrechen in Irpin und so vielen mehr entschlossen sind, keine russische Besatzung auf ihrem Territorium mehr zu dulden? Sinnvolle Verhandlungen können überhaupt erst beginnen, wenn Wladimir Putin seine Truppen komplett von ukrainischem Territorium zurückgezogen hat. Und solange er das nicht freiwillig tut, müssen westliche Staaten die Ukraine mit Waffen unterstützen. Damit kann sie die Voraussetzungen für einen nachhaltigen Frieden selbst schaffen . So bitter diese Erkenntnis auch ist: Bis zu einem gewissen Grad sorgen mehr Waffen hier tatsächlich langfristig für nachhaltigen Frieden.

Übrigens bestätigt Osteuropa-Experte Gestwa damit das, was wir beim Volksverpetzer schon im Januar gesagt haben. Panzer liefern und Diplomatie fordern ist kein Widerspruch. Mehr dazu:

Faktencheck: Der Krieg hätte bisher nicht mit Diplomatie beendet werden können.

Die letzte Fake-Behauptung, die wir in diesem Artikel mit der Hilfe von Osteuropa-Experte Gestwa und seinem Video betrachten, folgt in Debatten oft auf die beiden vorherigen. Demnach hätte der Krieg schon längst mit Diplomatie beendet werden können. Verbunden ist diese ebenfalls wahrheitswidrige Behauptung meist mit dem impliziten Vorwurf, die Ukraine, die NATO oder die USA seien „gierig“ oder gar „kriegsgeil“. Das ist selbstverständlich ebenfalls Unsinn, wie man eigentlich aus den Entkräftungen der vorhergehenden Behauptungen schlussfolgern kann. Osteuropa-Experte Gestwa schaut aber auch hier noch einmal genau hin.

Er kritisiert in erster Linie das sogenannte (und von uns ebenfalls widerlegte) „Manifest für den Frieden“ von Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer. Grundsätzlich attestiert er den Initiatorinnen Blauäugigkeit. Konkret nennt er vor allem die fehlende Benennung des Verantwortlichen für den Krieg (nämlich dem Kreml) und die wahrheitswidrige Implikation einer strukturellen Ähnlichkeit zwischen der Ukraine und Russland (tatsächlich ist die Ukraine ein Staat, der sich in Richtung Demokratie entwickelt, während Russland unter Putin zu einem autokratischen Regime geworden ist, siehe oben).

Auch wir stoßen immer wieder auf Falschbehauptungen a la „der Westen/die Ukraine“ würden die Friedensbemühungen torpedieren. Bislang ist es allerdings immer wieder der imperialistische, russische Angriffskrieg, der jegliche Hoffnung auf Frieden zerstört. Der Ukraine vorzuwerfen, dass sie sich nicht von russischen Kriegsverbrechen an den Verhandlungstisch zwingen lassen will, halten wir darum für zynisch. Leider werden diese Vorwürfe selbst von einem eigentlich vernünftigen Politiker wie Gregor Gysi geteilt. Wir berichteten.

Fazit

Was das Ganze jetzt mit den von Medwedew erwähnten Pinguinen zu tun hat, das haben wir auch mithilfe des Videos von Osteuropa-Experte Gestwa nicht entschlüsseln können. Doch der Hass, den wir in Medwedews Tweet sehen, sorgt nicht einfach nur für die eine oder andere lustige Anekdote. Dieser Kreml-Hass, übertragen auf den Krieg in der Ukraine, spiegelt sich in unvorstellbaren Verstößen gegen die Menschenrechte, Kriegsverbrechen und Zerstörung wider. Die Menschen in der Ukraine werden Opfer eines brutalen, imperialistischen Angriffskrieges und brauchen daher die Solidarität der demokratischen Welt.

Diese Solidarität soll auch durch eine andauernde Flut an Fake News von Propagandist:innen durch den Kreml gebrochen werden. Umso wichtiger ist die Arbeit eines Experten wie Prof. Gestwa, der sich die Mühe macht, Desinformation aufzuklären und bei den Fakten zu bleiben. Teil diesen Artikel gern mit euren Freundinnen und Freunden, Eltern, Geschwistern und Bekannten. Zeigt ihnen das Video von Prof. Gestwa! Falschinformationen im Netz sind laut, wir müssen lauter sein.

Artikelbild: canva.com/Ekaterina Shtukina/Pool Sputnik via AP/dpa (Mewedew)

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