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Die Schließung eines beliebten deutschen Studios offenbart Probleme einer kriselnden Branche, die von Spielerinnen und Spielern kaum bemerkt werden. Noch.
Es brodelt in der Branche. – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Martin SanchezWer dieser Tage ins Spielregal blickt, der kann schnell den Eindruck gewinnen, dass es in der Welt der Videospiele momentan so richtig rund läuft: Mit Baldur’s Gate 3 erschien unlängst ein hyperkomplexes und modernes Rollenspiel, das innerhalb von Stunden zum Bestseller wurde. Starfield beerbt den Alltime-Favoriten Skyrim mit einem neuen, grenzenlos erscheinenden Weltraumkapitel. Einfallsreiche Indie-Games wie Dredge und Sticky Business sorgten für kurze Abwechslung zwischendurch, bis Ende des Jahres dann ein neues Assassin’s Creed das Weihnachtsgeschäft einläutet – und auch hier stehen bereits weitere große und verheißungsvolle Titel in der Release-Warteschlange.
Ja, gemessen an seinen Releases ist das Jahr 2023 ein echter Höhepunkt. Aber hinter den Kulissen, da brodelt es gewaltig – unbemerkt von den meisten Spielerinnen und Spielern. Noch. Denn die Folgen dieses Brodelns werden spätestens in ein paar Jahren für uns alle spürbar werden.
Eine Schließung als Schlaglicht
Sicht- und hörbar wurde dieses Brodeln zuletzt Ende August, als das Münchner Entwicklerstudio Mimimi ankündigte, die Pforten zu schließen und seine zwölfjährige Geschichte zu beenden. Diese Meldung schickte Schockwellen durch die Spielebranche, denn Mimimi hatte einen ausgezeichneten Ruf und ihre Spiele waren Kritikerlieblinge.
Klar, Titel wie Desperado 3 oder Shadow Gambit bewegten sich in einer Genre-Nische, die vor ihnen fast 20 Jahre lang niemand mehr anfassen wollte, aber sowohl Presse wie auch Industrie waren überzeugt: Richtig gute Qualität setzt sich durch und sollte es auch einem 50-köpfigen Studio erlauben, von der eigenen Arbeit leben zu können. Oder?
Leider scheint die Marktrealität anders auszusehen. In ihrem offiziellen Statement vermeldeten Mimimi, dass sie zum einen von der vergangenen Entwicklungsarbeit in den letzten Jahren ausgebrannt sind. Zum anderen hätten sie keine Energie mehr, nach dem Release ihres neuesten Spiels ein weiteres Mal in das ewige Hamsterrad der Geldbeschaffung zu steigen, um ihr nächstes Projekt zu finanzieren. Industrie-Kollegen des Studios sagen auf Nachfrage: Ja, kennen wir, ist verständlich und nachvollziehbar.
Das klingt nach einem Achselzucken, aber die Stimmung innerhalb der Branche ist angespannter denn je. Mimimis Schließung machte ein Problem sichtbar, dass viele Entwicklerinnen und Entwickler verdrängen: Geld ist rar geworden, ehemals investitionsfreudige Publisher sind nun zurückhaltend, der Fördertopf der Bundesregierung ist längst wieder leer und Talente wandern ab, weil sie in Deutschland entweder keinen Job finden – oder zu schlecht bezahlt werden.
Der nächste Schuss vor den Bug
Und nun noch ein weiterer Schuss vor den Bug der Branche, der vielleicht sogar noch zum fatalen Volltreffer werden könnte: Unity, eine der meistgenutzten und (ehemals) populärsten Game-Engines überhaupt, hat ein neues Preismodell angekündigt. Zusammengefasst: Statt einer monatlichen Abo-Gebühr oder einer einmaligen Lizenzbepreisung wird der zu zahlende Preis nun auf Basis der Installationen eines Spiels abgerechnet – und das auch rückwirkend. Heißt: Wenn ein Entwickler vor vielen Jahren ein Spiel mit Unity programmiert, veröffentlicht und damit einen kleinen Hit gelandet hat, kommt nun im schlimmsten Fall eine Rechnung von vielen tausend Dollar auf ihn zu.
Das Bepreisungsmodell würde nach aktueller Planung sogar kostenlose Demos, Verlosungen von Spielen für wohltätige Zwecke oder den Einsatz von Games im Schulunterricht betreffen. Die Branche hofft, dass Unity noch einmal zurückrudern wird – aber selbst wenn, ist der Vertrauensbruch bereits passiert. Heute in einem Jahr haben wir Klarheit über den Ausgang dieser Entscheidung – und werden dann womöglich in ein sehr viel leereres Spieleregal blicken.
Kurzum: Es kommt gerade sehr viel zusammen, was die Arbeit als Spieleentwickler*in verdammt schwer macht. Für Spielerinnen und Spieler ergibt sich daraus ein Appell: Kauft die Spiele. Unterstützt Entwicklerteams. Setzt Titel, die euch interessieren, auf eure Wunschlisten. All das sind für uns nur ein paar wenige Klicks – aber sie könnten ein wenig Ruhe in eine angespannte Branche bringen.
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Author: Dom Schott