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Massenüberwachungspläne der Union: Trump geleckt

Dieser Artikel stammt von Netzpolitik.org.

Massenüberwachungspläne der UnionTrump geleckt

Die Union fordert in einem parlamentarischen Antrag die Vorratsdatenspeicherung von Telekommunikationsdaten, eine Ausweitung der automatisierten Gesichtserkennung, mehr Staatstrojanereinsätze und mehr Befugnisse für die Polizei. Zugleich will sie die Geheimdienste aufrüsten.


Constanze – in Demokratieeine Ergänzung
Friedrich Merz (CDU) mit Markus Söder (CSU). CC-BY 2.0 European People’s Party

Der Antragsentwurf der Christenunion hat es in sich: In Deutschland soll nicht nur bei Fragen der Einreise und des Asyls eine Politik im Stile Donald Trumps mit massiven Verschärfungen beginnen. Auch ein ganzer Überwachungskatalog soll Wirklichkeit werden. Neben mehreren Vorhaben von technisierter Massenüberwachung ist auch der Ausbau staatlichen Hackings vorgesehen, dazu mehr Befugnisse für Polizei und Geheimdienste.

Die Fülle an Vorhaben begründet die Union mit den zurückliegenden Morden von Tätern mit psychischen Auffälligkeiten in Magdeburg und Aschaffenburg und mit der „ernüchternden innenpolitischen Bilanz nach drei Jahren Regierung Scholz“, wie es im Antrag heißt. Das „gesellschaftliche Miteinander“ sei bedroht, denn: „Viele Menschen führen (sic) sich in ihrem Alltag oder in bestimmten Gegenden nicht mehr sicher.“ Der Staat müsse daher nun „entschlossener handeln“, schreibt die Union. Offenbar ist das Mittel dafür eine bisher ungekannte technische Überwachungsorgie.

Anlasslose Massenüberwachung

Der Klassiker bei CDU-Politikern darf nicht fehlen: die Forderung nach einer anlasslosen Vorratsdatenspeicherung von Telekommunikationsdaten. Sie wird seit mehr als fünfzehn Jahren als Allheilmittel in Fragen der Kriminalitätsbekämpfung gepriesen und ist nun wieder Teil des Forderungskatalogs. Das jüngste Urteil des Europäischen Gerichtshofs aus dem Jahr 2024 hat allerdings auch für die von der Union nun vorgesehene massenhafte Vorratsdatenspeicherung von IP-Adressen und Port-Nummern klare Begrenzungen eingebaut, die vor allem einer Profilierung des Surfverhaltens vorbeugen sollen.

Aber mit juristischen Feinheiten hält sich die Union in dem Antrag nicht auf. Stattdessen holzt sie gegen das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, das der anlasslosen Massenüberwachung im Weg stehe. Das alte Feindbild Datenschutz wird wieder bemüht: „Datenschutz darf nicht Täterschutz sein“.

Um die Inhalte der mannigfaltigen polizeilichen Datenbanken zusammenzuführen, drängt die Union schon länger auf ein spezielles Produkt von Palantir. Der riesige Überwachungskonzern, öffentlich wenig auskunftsfreudig und bisher ein kaum bekanntes Phantom, soll diese Software liefern.

Im Amtsdeutsch heißt das Palantir-Produkt „Bundes-VeRA“ und soll nach dem Willen der Union künftig vom Bundeskriminalamt und von der Bundespolizei genutzt werden. Auch Massendaten von Unbescholtenen wie etwa bei der Funkzellenabfrage, die von der Union ebenfalls wiederhergestellt werden soll, lassen sich damit auf Knopfdruck verarbeiten.

Mehr Gesichtserkennung und mehr Staatstrojaner

Die Union fordert außerdem eine Ausweitung der automatisierten Gesichtserkennung, bei der massenhaft die Gesichter Unbescholtener gescannt und analysiert würden. Die Maßnahme war schon Teil des sogenannten „Sicherheitspaketes“ der Ampel-Koalition, war vom Bundesrat aber abgelehnt worden. Jetzt soll das automatisierte Auswerten der menschlichen Körperdaten ausgeweitet werden, auch „in Echtzeit“.

Zudem kann die Union auch vom Staatstrojaner nicht lassen: Trotz der hinlänglich bekannten Gefahren für die Sicherheit möchte die Union die staatliche Nutzung dieser Spionagewerkzeuge ausbauen. Das betrifft nach dem Wortlaut des Antrags beide Arten des staatlichen Hackens, die sich technisch kaum unterscheiden, da sie nach dem Infiltrieren des Geräts Zugriff auf die Daten darauf nehmen: die „Online-Durchsuchung“ und auch die „Quellen-TKÜ“.

Dass bereits jetzt in Deutschland geltendes Recht ist, dass Staatstrojaner bei zahlreichen Straftaten genutzt werden dürfen, genügt der Union offenbar nicht. Sie möchte gern „wirksame und praktikable Kompetenzen“ schaffen. Da es in deutschen Behörden an diesen Kompetenzen mangelt, kann das nur heißen: Die Union möchte sich beim nach wie vor prosperierenden Markt von Staatstrojaner-Anbietern bedienen und ihn mit Steuergeldern päppeln.

Staatshacker

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Geheimdienst-Aufwuchs

Auch bei den Geheimdienste plant die Union einen Aufwuchs: Deren Befugnisse müssten „verbessert und ausgeweitet werden“, was praktisch vor allem noch mehr Geld und mehr Personal bedeuten dürfte, da bestehende Befugnisse zur heimlichen, auch massenhaften Überwachung bereits sehr weitgehend sind. Die heute schon üppige technische Ausstattung würde weiter wachsen. Zudem sollen nach den Unionsplänen „unverhältnismäßige rechtliche Auflagen zurückgeführt werden“, also die wenigen bestehenden Einschränkungen auch noch fallen.

Die wenigen Abgeordneten des Bundestags, die in Überwachungsfragen der Geheimdienste Einblick bekommen, sollte das beunruhigen. Denn die Kontrolle durch das Parlament ist schon heute unterentwickelt und kaum praktikabel. Parlamentarische Untersuchungsausschüsse des Bundestags, die wegen Geheimdienstskandalen immer wieder bemüht werden mussten, haben gezeigt: Das Stochern im Nebel hat System. Wenn nun noch mehr Auflagen „zurückgeführt werden“, läuft die Geheimdienstkontrolle ins Leere.

Geheimdienste raus aus dem Schatten

Das Bild einer Zukunft unter Kanzler Merz

Die lange Liste führt Forderungen nach mehr Überwachung aus den Wahlprogramm zusammen, die von der Union teilweise seit Jahren erhoben und vielfach vor Höchstgerichten behandelt und abgewiesen wurden. In der Zusammenschau ergibt sich das Bild einer Zukunft, in der technisierte massenhafte Überwachung allgegenwärtig wird.

Doch gerade die Möglichkeit einer Zusammenschau will die Union aktiv verhindern: Eine Überwachungsgesamtrechnung soll „umgehend“ aufgegeben werden, obwohl sie noch nicht einmal vorliegt, sondern erst geplant war. Eine solche Bestandsaufnahme von Überwachungsbefugnissen sollte künftigen Gesetzgebern bei der Bewertung neuer Vorhaben helfen und durch eine Freiheitskommission aus unabhängigen Experten unterstützt werden. Unter einem Kanzler Friedrich Merz wäre das undenkbar.

Parlamentarisch ist der Überwachungskatalog übrigens kaum praktikabel, da der Bundestag vor der Neuwahl nur noch begrenzt handlungsfähig ist. Das Parlament müsste ein beschleunigtes Verfahren bejahen, um die Ideen der Union im Schnelldurchgang und ohne eine Befassung durch die Ausschüsse durchzusetzen. Dafür jedoch ist eine Zweidrittelmehrheit nötig, die kaum wahrscheinlich ist.

Es ist Wahlkampfgetöse der Union. Doch das Getöse macht überdeutlich, wohin die Reise gehen wird, wenn sie die Kanzlerschaft erringt.

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Author: Constanze

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