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Mit neuen Glasfasernetzen könnte der Modemzwang zurückkommen, sollte die Bundesnetzagentur den Wünschen mancher Netzbetreiber folgen. Dagegen laufen nun Verbraucherschützer:innen und die Free Software Foundation Europe Sturm.
Manche Netzbetreiber wünschen sich in Glasfasernetzen die Rückkehr von Zwangsmodems. Dagegen wehrt sich nun die Zivilgesellschaft. – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / Jochen TackEs ist eine Debatte, die alle paar Jahre hochkocht: Welche Geräte sollen Kund:innen an ihre Anschlussdosen stecken dürfen, um ins Internet zu kommen? Wo endet das Netz der Anbieter und beginnt das private Heimnetz? Und sollten für Glasfaserleitungen andere Regeln gelten als beispielsweise für DSL-Anschlüsse?
Schon im Vorjahr hatten sich eine Handvoll Betreiberverbände an die Bundesnetzagentur gewandt. Gemeinsam drängen sie seitdem auf eine Ausnahme von den geltenden Regeln. Die schreiben eigentlich seit Jahren fest, dass das Netz des jeweiligen Betreibers am „passiven Netzabschlusspunkt“ endet, also an der Dose an der Wand. Das bedeutet: Kund:innen können selbst entscheiden, welche der handelsüblichen Modems oder gegebenenfalls Kombi-Geräte mit eingebautem Router sie anstecken und einrichten, um dann loszusurfen.
Glasfaser ist angeblich anders
Doch bei FTTH-Netzen (Fibre to the home: Glasfaserleitung bis in die Wohnung) soll diese Gerätefreiheit künftig nicht gelten, wünschen sich die Betreiber. Es gebe derzeit keinen allgemein akzeptierten Standard, wenn es um die Wandlung zwischen optischem und elektrischem Signal gehe. Auch bei der Adressierung der einzelnen Nutzer:innen und ihrer Anschlüsse würden Gerätehersteller und Netzbetreiber jeweils eigene Süppchen kochen.
Die Folgen wären Störungen im Netz, Verschwendung von Netzressourcen und Sicherheitsprobleme, mahnen die Betreiber. All dies ließe sich vermeiden, wenn die von den Betreibern gestellten Modems zum Netzabschlusspunkt erklärt würden. Dahinter könnten Kund:innen weiterhin ihre eigenen Router über Ethernet-Kabel anschließen, wenn sie dies wünschen, fordern sie.
Damit lagen sie der Netzagentur so lange in den Ohren, bis diese im Sommer ein förmliches Verwaltungsverfahren einleitete. Letzte Woche endete die Konsultation, und die Branche muss sich auf Gegenwind einstellen. Vor allem zivilgesellschaftliche Gruppen wie die Free Software Foundation Europe (FSFE) und Verbraucherschützer:innen wollen die Argumente nicht gelten lassen.
Politische und soziale Aspekte bleiben außen vor
Die Hauptgründe für die Anbieter seien „in erster Linie kommerzielle Interessen“, schreibt etwa die FSFE in ihrer Stellungnahme. Dabei würden die Betreiber soziale und politische Fragen außen vor lassen – und dabei etwa die Rolle der Netzneutralität ignorieren. „Die Endgerätefreiheit ist die Hardwarekomponente der Netzneutralität, und ihr Schutz sollte nicht nur aus technischer Sicht verstanden werden, sondern ihren Charakter als wesentliches Element des offenen Internets umfassen“, erklärt die FSFE.
Auch auf technischer Ebene kann die FSFE den Betreibern nicht folgen. Schließlich würden die potenziellen Probleme jenen von Kabelnetzen ähneln, und dort wäre die Endgerätefreiheit inzwischen auch kein Problem mehr. Zudem dürften Streitigkeiten zwischen Hardwareherstellern und Netzbetreibern nicht auf dem Rücken von Nutzer:innen ausgetragen werden. Für Probleme bei der Interoperabilität seien nicht die Endnutzer:innen verantwortlich, und daraus erwachsende Kosten dürften nicht auf sie abgewälzt werden, fordert die FSFE.
Auf die EU-Regeln zur Netzneutralität verweist auch der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv). In diesem Regelwerk hatte die EU aus gutem Grund auch die Freiheit verankert, sein Endgerät selbst zu wählen. Ausnahmen davon sind nur möglich, sofern dies „technisch objektiv erforderlich“ ist, wie später das Gremium europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation (GEREK) klarstellte. In diesem Gremium versammeln sich die europäischen Regulierer, darunter auch die Bundesnetzagentur, und arbeiten etwa europaweit geltende Leitlinien aus.
Probleme nicht nachvollziehbar
Die verlangte technische Notwendigkeit für eine Ausnahme sei nicht gegeben, so der vzbv. Zwar hatte die Branche ein Dokument nachgeliefert, das die technischen Probleme nachvollziehbar machen soll. Doch die von den Verbänden vorgebrachten, teilweise geschwärzten Fälle überzeugen den vzbv nicht. „Vor allem gibt es scheinbar keine umfassenden und flächendeckenden Probleme, sodass die Einschränkung der Endgerätefreiheit für den gesamten Glasfaserbereich gerechtfertigt wäre“, heißt es in der Stellungnahme der Verbraucherschutzorganisation.
Zugleich müsse die Netzagentur den Blick nach vorne richten, sagt der vzbv und weist damit auf den langsam Fahrt aufnehmenden Glasfaserausbau hin. „Käme es nun zu einer Regelung, die den Netzabschlusspunkt hinter dem Glasfasermodem verortet, würde die Endgerätefreiheit für eine gesamte Technologie außer Kraft gesetzt werden, die in Zukunft flächendeckend verbaut ist.“ Die Ausnahme würde dann zum Regelfall und die Endgerätefreiheit in Deutschland stark beeinträchtigt.
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Author: Tomas Rudl