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Online-Werbung: Ursula von der Leyen bricht eigene Transparenzregeln

Dieser Artikel stammt von Netzpolitik.org.

Online-WerbungUrsula von der Leyen bricht eigene Transparenzregeln

Der Schutz vor Manipulation und Desinformation im Netz war einer der Schwerpunkte der scheidenden EU-Kommission. Doch ausgerechnet Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat nun verschleiert, hinter einer Online-Kampagne zu stecken.


Tomas Rudl – in Öffentlichkeiteine Ergänzung
In Sonntagsreden verspricht Ursula von der Leyen mehr Schutz vor verdeckten Wahlkampagnen, hat aber selbst intransparente Anzeigen schalten lassen. – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / Political-Moments

Ursula von der Leyen hat verschleiert, hinter einer politischen Online-Werbekampagne zu stecken. Rund 70.000 Euro haben die EU-Kommissionspräsidentin und ihre politische Gruppe, die konservative Europäische Volkspartei (EVP), für insgesamt 17 Anzeigen ausgegeben, berichtet Politico. Statt den eigentlichen Absendern wurde im Transparenzregister von Google jedoch die französische Agentur MCC AdQuality als dafür verantwortlich ausgewiesen.

Ab Mitte März wurden die Botschaften über das Werbenetzwerk von Google europaweit ausgespielt und sollen millionenfach angesehen worden sein, schreibt Politico. In den Spots bewarb von der Leyen ihre Führungsqualitäten und ihren Einsatz für das europäische Projekt, rechtzeitig vor den nächste Woche anstehenden EU-Parlamentswahlen. Für einen Sitz im Parlament bewirbt sich von der Leyen zwar nicht, die deutsche EU-Politikerin ist jedoch EVP-Spitzenkandidatin für den Posten der Kommissionspräsidentin. Abhängig vom Wahlergebnis will sie das Amt weiter ausüben, sie ist aber auch auf den guten Willen der EU-Regierungschefs angewiesen.

Verstoß gegen Regeln

Die verschleierte Urheberschaft der Werbekampagne spießt sich mit gleich zwei Verpflichtungen: Zum einen hat die EVP einen Verhaltenscodex für die Parlamentswahlen unterschrieben, mit dem sie sich zu „ethischen und fairen Wahlkampfpraktiken verpflichtet“. Dazu zählt etwa, „keine politischen Anzeigen zu schalten, die von nicht deklarierten Quellen gesponsert werden, oder anderweitig Vermittler zu beauftragen, Wahlkampfbotschaften ohne entsprechende Kennzeichnung zu platzieren.“

Zum anderen hat die EU jüngst neue Regeln für politische Werbung verabschiedet, die allerdingst erst nach der Wahl in Kraft treten. Die Vorgaben zielen vor allem darauf ab, mehr Transparenz im Bereich von Online-Werbung zu schaffen. Um verdeckte Einflussnahme und Manipulation einzudämmen, soll unter anderem klar ersichtlich sein, wer die Anzeigen finanziert hat.

Gegenüber Politico bestätigte EVP-Generalsekretär Thanasis Bakolas, dass MCC AdQuality im Auftrag der Partei gehandelt und die Anzeigen geschaltet zu haben. Inzwischen sollen die Anzeigen in Googles Transparenzregister unter dem Banner der EVP auftauchen, schreibt Politico. Google untersuche derzeit noch, ob die EVP gegen die Transparenzvorgaben des Konzerns verstoßen habe, heißt es.

Mit Transparenz auf Kriegsfuß

Es ist nicht das erste Mal, dass die EU-Kommission und von der Leyen es mit der Transparenz nicht so ernst meinen. So soll die Kommissionschefin über Smartphone-Nachrichten einen milliardenschweren Corona-Impfstoff-Deal mit dem Pharmaunternehmen Pfizer ausgehandelt haben. Wie genau diese Verhandlungen abgelaufen sind, bleibt jedoch öffentlich unbekannt. Bislang verweigert die Kommission Antworten auf Informationsfreiheitsanfragen, trotz einer Rüge der EU-Ombudsfrau.

Zudem enthüllte im Vorjahr eine gemeinsame Medienrecherche, dass sich die Kommission selbst einen weiten Handlungsspielraum dabei einräumt, welche Dokumente sie im Dokumentenverwaltungssystem Ares oder anderen Kommissionsarchiven ablegt. Das macht es der Brüsseler Behörde etwa möglich, massenhaft E-Mails zu löschen und damit systematisch die öffentliche Kontrolle ihrer Arbeit zu behindern.

Löchrige Regelwerke

Schon nach der Verabschiedung der EU-Verordnung für politische Online-Werbung hatten Analysen festgestellt, dass weiterhin Schlupflöcher für potenzielle Manipulation offenstehen. Mit Nachdruck hatte zudem erst vor wenigen Tagen ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis an die EU-Kommission sowie an Google, den größten Online-Werbeanbieter, appelliert. So genüge Googles Transparenzregister den Vorgaben des neuen Digital Services Acts nur ungenügend, heißt es in einem offenen Brief der Nichtregierungsorganisationen. Das Register versage dabei, tatsächlich sämtliche politische Werbung abzubilden, die über den Anbieter geschaltet wurde.

Dabei hatte sich die EU-Kommission und insbesondere von der Leyen mehr Transparenz auf die Fahnen geschrieben. Im April hatte die Kommission ein Verfahren gegen Meta eingeleitet, weil sie mutmaßliche Verstöße gegen den DSA und „irreführende Werbung und politische Inhalte“ auf den Diensten des Unternehmens vermutete. Damals erklärte Ursula von der Leyen noch, den Schutz demokratischer Wahlen hochzuhalten: „Große digitale Plattformen müssen ihrer Verpflichtung nachkommen, dafür ausreichende Ressourcen einzusetzen, und die heutige Entscheidung zeigt, dass wir es mit der Einhaltung von Vorschriften ernst nehmen“, sagte von der Leyen.

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Author: Tomas Rudl

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