Dieser Artikel stammt von Netzpolitik.org.
Onlinezugangsgesetz 2.0: Verwaltungsdigitalisierung mit Ausstiegsklausel
Das Onlinezugangsgesetz 2.0 sollte eigentlich strukturelle Hindernisse der Verwaltungsdigitalisierung abbauen. Nun aber haben sich die Länder durchgesetzt, mit dem Ergebnis, dass einheitliche Standards und eine Ende-zu-Ende-Digitalisierung nach wie vor in weiter Ferne liegen. Ein Kommentar.
Es ist so weit: Das neue Onlinezugangsgesetz steht. Nachdem Bund und Länder seit Ende 2022 und zuletzt im Vermittlungsausschuss hart verhandelt haben, hat der Bundesrat das OZG-Änderungsgesetz nun final abgesegnet.
Die Begeisterung hält sich allerdings in Grenzen. „Die Zettelwirtschaft hat endlich ein Ende“, kommentiert Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) das Ergebnis etwas trocken. Die Grünen Konstantin von Notz und Misbah Khan sprechen von einem „tragfähigen Kompromiss“. Und Maximilian Funke-Kaiser von der FDP zeigt sich gegenüber netzpolitik.org derweil vor allem darüber erleichtert, dass der Bund den Ländern kein zusätzliches Gelder geben muss.
Dass sich die Freude allenthalben in Grenzen hält, liegt vor allem daran, dass die OZG-Reform die überfällige Verwaltungsdigitalisierung kaum voranbringen wird. Dafür gibt es zwei zentrale Gründe: Erstens sind die Länder weiterhin nicht dazu verpflichtet, einheitliche Standards einzuführen. Zweitens verhindert genau dies eine Ende-zu-Ende-Digitalisierung, die es jedoch dringend braucht.
Standards auf freiwilliger Basis
Als der Bundestag im Februar dieses Jahres die erste Kompromissfassung des OZG 2.0 verabschiedete, sah es noch so aus, als könnte damit endlich eine der größten Baustellen der Verwaltungsdigitalisierung angegangen werden: das Fehlen einheitlicher Standards. Der Entwurf sah vor, dass der Bund die Standards für Dienstleistungen des Bundes festlegt. Das wäre bereits ein erster wichtiger Schritt gewesen, um Komplexität abzubauen und nachhaltig Kosten zu senken.
Doch dann hat der Bundesrat die Regelung ausgehebelt. Mit der jetzt verabschiedeten Fassung geht in Sachen IT-Standards künftig nichts mehr ohne den IT-Planungsrat – ein Gremium der Länder. Der Planungsrat hat hier aktives Mitspracherecht, muss den Standards „de facto einstimmig“ zustimmen, so Malte Spitz vom Nationalen Normenkontrollrat (NKR).
Damit drohen aber IT-Architekturentscheidungen, „die locker 20 bis 30 Jahre nachwirken, die in nicht-öffentlichen Gremien verhandelt werden und die den Umgang des Staates mit der digitalen Gesellschaft wesentlich prägen – im Hauruck-Verfahren, ohne Technikfolgenabschätzung und Wirtschaftlichkeitsbetrachtung“, so der IT-Sicherheitsexperte Markus Drenger.
In ihrer Erklärung (PDF) zum OZG-Änderungsgesetz bleibt der Bundesregierung nichts anderes übrig, als „an den IT-Planungsrat zu appellieren, seine Arbeitsweise transparenter zu gestalten“ als bisher.
Ende-zu-Ende-Digitalisierung in weiter Ferne
Einheitliche Standards sind eine entscheidende Voraussetzung für die Ende-zu-Ende-Digitalisierung. Damit ist ein Prozess gemeint, der durchgehend digitalisiert ist – vom Antrag durch die Bürger:innen bis hin zur Archivierung der Akte durch Verwaltungsmitarbeiter:innen.
Die erste Beschlussfassung sah noch vor, dass der Bund vorgeben kann, welche Verwaltungsleistungen die Länder durchgängig digitalisieren müssen. Durch eine nun hinzugefügte Klausel kann er dies nicht mehr tun. Damit steht es den Ländern frei, von den Vorgaben des Bundes abzuweichen. Vor allem Bayern habe sich für diese Klausel eingesetzt, so Digitalpolitikerin Misbah Khan gegenüber netzpolitk.org.
Malte Spitz nennt sie „die Ausstiegsklausel“. Der Bund werde nicht mehr Geld zur Verfügung stellen als bisher. Gleichzeitig sei die Ressourcenfrage auf Länder- und Kommunalebene akut. Spitz befürchtet, dass die Länder nun die Klausel nutzen könnten, um Druck auf den Bund auszuüben. „Dann kämen wir in der Tat nicht weiter und müssten schauen, wie wir die Prozesse neu denken“, sagte er gegenüber netzpolitik.org.
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Author: Esther Menhard