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Sendung mit der Maus: Türen auf für Pseudowissenschaft?

Gastbeitrag Oliver Rautenberg von „Anthroposophie.blog“

Die „Sendung mit der Maus“ ist älter als ich. Seit über 50 Jahren bringt sie mit ihren Lach- und Sachgeschichten Kinder zum Schmunzeln und zum Staunen. Von Tschernobyl bis zur Flutkatastrophe im Ahrtal – der augenklimpernde Nager erklärte nicht nur mir, sondern Generationen von Kindern mit seinem Wissensformat die Welt. Umso geschockter reagierten die „lieben Maus-Fans“ – die mittlerweile oft selbst Eltern geworden sind – auf die Nachricht, dass der beliebte „Türöffner-Tag“ ihrer Maus in diesem Jahr ausgerechnet in das Homöopathie-Labor der Pflüger-Pharma GmbH nach Rheda-Wiedenbrück führte. Am 3. Oktober können 40 Kinder im Alter von 6 – 12 Jahren eine „spannende Schatzsuche“ in der Globuli-Produktion erleben. Der Pharma-Produzent Pflüger ist nicht nur Spezialist für „Schüssler-Salze“, sondern der drittgrößte Globuli-Produzent am deutschen Markt

PR-Desaster für die Maus

Meine Posts über die Aktion „Türen auf mit der Maus!“ auf Social Media wurden auf „X“ (formerly known as Twitter) aktuell rund 450.000-mal gelesen; auf Mastodon trendete das Thema auf Platz 2. Die „lieben Maus-Fans“ waren – gelinde gesagt – entsetzt. Viele davon beschwerten sich beim verantwortlichen Westdeutschen Rundfunk und posteten dessen Antworten im Netz. Was dann folgte, kann nur als PR-Desaster bezeichnet werden. 

Kurz nach meinem ersten Tweet meldete sich der öffentlich-rechtliche Nager zurück. „Die Maus steht für sachliche, neutrale und an den Wissenschaften orientierte Wissensvermittlung“. Brisant dann der Nachsatz: „Wir legen großen Wert darauf, dass dabei weder Meinungsjournalismus noch werbliche Darstellungen oder weltanschauliche Themen eine Rolle spielen“. Für die „werbliche Darstellung“ hatte die Maus indes bereits gesorgt: Die Zuckerfabrik wird auf der Maus-Webseite faktenwidrig zum „Naturheilmittel-Hersteller“ verklärt.

Erstverschlimmerung

Der im Haus der Maus so verpönte „Meinungsjournalismus“, der klar Stellung in einer Sache bezieht, ist die Urform des Journalismus. Der veraltete Begriff erinnert an das Schmähwort vom „Haltungsjournalismus“, mit dem KritikerInnen ihr Misstrauen in die „voreingenommenen“ Medien ausdrücken. Doch dieser rhetorische Tiefschlag war nur die Erstverschlimmerung:

In den Antwort-Mails an die erbosten Maus-Fans stellt der Westdeutsche Rundfunk klar: „Kein Ausschlusskriterium, als Veranstalter beim Türen-auf-Tag dabei zu sein, war es bisher, dass um die wirtschaftlichen Aktivitäten eines Veranstalters gesellschaftliche Diskussionen geführt werden – im Gegenteil“. Man habe die Türöffner-Aktion „immer auch als Möglichkeit verstanden, sich unmittelbar und vor Ort ein eigenes Bild zu machen“.

Via

Fakt: Homöopathie wirkt nicht über den Placebo-Effekt hinaus

Bildungsauftrag verfehlt? Hier degradiert die Maus den unzweifelhaft belegten wissenschaftlichen Fakt, dass Homöopathie nicht über den Placebo-Effekt hinaus wirkt, zur subjektiven „Meinung“. Mehr noch: Grundschulkinder sollen beim Gang durch eine industrielle Globuli-Produktionsstraße unvoreingenommen und ergebnisoffen selbst beurteilen, ob das aufwändige Verfahren einen Sinn ergibt.

Die Einladung der Maus in die Globuli-Fabrik gerät mehr und mehr zur Lachgeschichte. Doch das Lachen bleibt schnell im Halse stecken: Auch ein „biodynamischer“ Demeter-Bauernhof, auf dem zu dieser Jahreszeit magische Kuhhörner zwecks Aufnahme „kosmischer Strahlen“ im Acker vergraben werden, ist zu besichtigen

„Das Mittel ist ohne Wirknachweis und kann schädlich sein“

Man könnte meinen, dass die Maus aus ihrem letzten PR-Desaster etwas gelernt hätte. 2020 durfte der „Mistel-Experte“ Hartmut Ramm bei einer Sachgeschichte mit dem beliebten Maus-Moderator Christoph ein „alternatives“ Mittel gegen Krebs in die Kamera halten. Das Präparat geht auf die hellseherischen Schauungen des Anthroposophie-Gründers Rudolf Steiner zurück. Doch das Deutsche Krebsforschungszentrum DKFZ warnt: Das Mittel ist ohne Wirknachweis und kann schädlich sein. Todesfälle nach der Anwendung sind belegt. Die Maus zog den Beitrag nach meiner Kritik zurück und gelobte dankenswerterweise eine Überarbeitung. 

Die Maus genießt einen riesigen Vertrauensvorschuss, bei mir und bei den meisten anderen Maus-Fans. Den sollte sie nicht derart leichtfertig verspielen. Zugegeben: Bei den vielen dutzend Betrieben, die heute am Türöffner-Tag kleine Maus-Fans empfangen, kann leicht auch mal ein fauler Apfel dabei sein. Das macht die jahrzehntelange, hochqualitative und wissenschaftsbasierte Arbeit der „Sendung mit der Maus“ noch lange nicht zunichte. Der gestrige Angriff der Maus auf faktenbasierten Journalismus und medizinische Evidenz ist jedoch nur mit Leichtgläubigkeit zu erklären. Und gegen diese sollen die Schüssler-Salze mit der Nummer 3, 7 und 20 hilfreich sein. Einen Hersteller dafür hat man ja zum Glück schon an der Hand.

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Artikelbild: Jens Kalaene/dpa-Zentralbild/dpa

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