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Sprachrohr rechter Narrative erstaunt, woher Zustimmung für AfD kommt

Leider sind wir hier nicht beim Postillon. Das weitreichenstärkste Desinformationsblatt des Landes, BILD, hat sich ganz überrascht gefragt, woher es kommt, dass die rechtsextreme AfD derzeit so viel Zustimmung genießt wie noch nie. Bei Forsa 17 % oder bei der umstrittenen INSA 18 %. Im Vergleich zu den Ergebnissen der Bundestagswahl hat die SPD bei Forsa circa 7 Prozentpunkte eingebüßt, die FDP knapp 5 und die Grünen knapp einen. Versuchen wir das mal faktenbasiert – also ganz BILD-untypisch – zu erörtern.

Verunsicherung

Johannes Hillje, Politik- und Kommunikationsberater, hat kürzlich auf Twitter eine gründliche Analyse der steigenden Popularität der AfD veröffentlicht. Laut Hillje ist es falsch, das Umfragehoch der Partei auf einen einzelnen Faktor wie die Ampel-Koalition, die Union oder den Wokeness-Diskurs zu reduzieren. Solche vereinfachten Deutungen, so argumentiert er, spielen der AfD letztendlich in die Hände.

In Wirklichkeit sei der Zuspruch für die AfD multikausal und komplexer. Hillje hebt hervor, dass der größte Sprung in den Umfragen für die AfD im Juli 2022 erfolgte, als es eine allgemeine Verunsicherung im Kontext von Inflation, Energieknappheit und Wirtschaftsabschwung gab. „Die AfD konnte von diesen Ängsten profitieren, indem sie sie in Wut auf das ‚Establishment‘ umwandelte“, erklärt er. Sie ist nun mal auch eine „Dagegen“-Partei.

In der aktuellen Phase eines moderaten Aufstiegs der AfD sieht Hillje die wieder aufkeimende Migrationsdebatte und die Diskussion um das Heizungsgesetz als entscheidende Faktoren. In beiden Debatten würden Positionen der AfD von anderen Parteien teilweise legitimiert und ökonomische Unsicherheiten geschürt.

AfD lebt von Angst. Man schürt Angst. Ergo …?

Hillje weist darauf hin, dass die AfD besonders dann erfolgreich sei, wenn die Regierung nicht ausreichend auf soziale Fragen eingeht und die Opposition den kulturellen Diskurs mit Schlüsselbegriffen der AfD befeuert. Er beschreibt dies als „angststiftende und antagonistische Kulturalisierung ökonomischer Themen“.

Mit pausenloser Desinformation und falschen Vorwürfen arbeiten BILD, WELT gemeinsam mit FDP, CDU und CSU gemeinsam daran, diese Vorwürfe und Ängste zu schüren. Nehmen wir die im Screenshot erwähnte BILD-Schlagzeile. Angst vor Überwachung und Unterdrückung wird geschürt, garniert mit einer Verharmlosung der DDR-Diktatur. Wegen eines Gesetzentwurfs, der ähnlich bereits im schwarz-grün regierten Schleswig-Holstein seit 2017 Gesetz ist, im grün-schwarz regierten Baden-Württemberg seit Februar dieses Jahres und im die meiste Zeit rein schwarz regierten Bayern seit 2020. Dennoch hetzte die CSU dagegen als „Heizungsspionage“.

Die massiv von Unwahrheiten und glatten Lügen durchtränkten Kampagnen gegen Wärmepumpen und gegen den-GEG-Gesetzentwurf ist ein weiteres Beispiel. Hier werden Ängste geschürt, wird das Narrativ von Unterdrückung bedient, werden die Grünen als Feindbild aufgebaut. Aber nicht (nur) von den Rechtsextremen (der AfD). Sondern von BILD, WELT, FDP und Union.

Lügen über die Grünen

Wir haben schon mehrfach ausführlich und gut belegt dokumentiert, wie viele der in den Medien diskutierten Anschuldigungen einfach nicht wahr sind. Dass der Gesetzentwurf Habecks von der FDP bereits im März als „technologieoffen“ gelobt wurde, und FDP-Chef Lindner es auch bereits als „pragmatisch“ mitbeschlossen hatte und zugestimmt hat, es vor der Sommerpause zu beschließen. Dass Technologieoffenheit bereits vorhanden war, niemand zum Wechsel gezwungen werde, dass die „100 Fragen“, wegen der die FDP das Gesetz blockierte, gar nicht existiert hatten und so weiter.

Bei den meisten Menschen kommt natürlich einfach nur das Narrativ dahinter hervor: Die Grünen machen irgendetwas mit „Verbot“ und was Böses, was deine Freiheit bedroht, und es soll alles teurer werden und wir sollen unsicher sein. Chris Stoecker, Kolumnist beim SPIEGEL, hat das Konzept des „Issue Ownership“ – ein Fachbegriff aus der Politikwissenschaft, den John Petrocik geprägt hat – hervorgehoben. Stoecker erklärt, dass bestimmte Themenbereiche oft als Domäne bestimmter Parteien gesehen werden. Beispielsweise werden Themen wie Klimaschutz am häufigsten mit den Grünen assoziiert, während soziale Gerechtigkeit oftmals der SPD und der Linken zugeschrieben wird. Stoecker weist darauf hin, dass „Issue Ownership“ messbare Auswirkungen hat. „Wenn die Themen einer Oppositionspartei medial besonders präsent sind, profitiert diese Partei davon in der Regel auch in Umfragen und Wahlen“, so Stoecker.

Die Anti-Grünen-Partei gewinnt, wenn man Anti-Grüne-Rhetorik bedient

In Bezug auf die AfD und die Grünen legt Stoecker dar, dass die Ablehnung der Grünen oft als charakteristisches Thema der AfD angesehen wird. „Einer Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung zufolge, die auf Umfragen in den Jahren 2019 und 2020 basiert, lehnten damals 77 Prozent der Anhängerinnen und Anhänger der AfD die Grünen ab“, zitiert Stoecker. Dieser hohe Anteil wird nur von einer anderen Konstellation übertroffen: 92 Prozent der Grünen-Anhänger lehnen die AfD ab.

Stoecker zeigt auch auf, wie das rechtsradikale Feindbild „linksgrün versifft“, das die AfD seit vielen Jahren lautstark propagiert, zunehmend von Teilen der Union, insbesondere der wahlkämpfenden CSU, übernommen wird. Die CSU, aber auch Teile der CDU verwenden Begriffe und Slogans, die gegen die Grünen gerichtet sind, und sprechen im Einklang mit der AfD bei jedem Anflug von strategischem Denken von „Planwirtschaft“. „Heiz-Hammer“, „Heiz-Pranger“, „Heizungsspionage“, „Heiz-Stasi“. Dabei, so Stoecker, stellt bei den Grünen wirklich niemand die Marktwirtschaft infrage.

Also: Alle reden über die alte „Verbots“-Leier, schüren Ängste und die Grünen seien schuld. Oh, warum laufen nur so viele zur „Die Grünen sind an allem Schuld“-Partei?

Wer rechte Narrative verbreitet, normalisiert sie

Die wohlwollendste Auslegung der konservativen Strategie, rechte Narrative, Feindbilder und Lügen zu übernehmen, ist, dass es besser sei, wenn man sie wählen würde, statt der Rechtsextremen. Friedrich Merz kündigte einst an, die AfD unter seiner Führung halbieren zu wollen. Sie hat sich verdoppelt. Das ist natürlich nicht seine alleinige Schuld, aber ganz offensichtlich scheint seine Strategie des Rechtspopulismus nicht aufzugehen. Hätte man ihm auch schon längst sagen können.

Eine Studie aus dem Jahr 2022 kommt zu dem Schluss: „Wir finden keine Evidenz dafür, dass Anpassungsstrategien Unterstützung für Rechtsradikale reduzieren. Wenn überhaupt, legen unsere Ergebnisse nahe, dass sie dazu führen, dass mehr Wähler zur radikalen Rechten übergehen.“ Das wird auch in der Union kritisiert. Der ehemalige CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz trifft die von der CDU ausgehende Gefahr und resultierende Verantwortung auf den Punkt: „Die Faschisten sind nur dort an die Macht gekommen, wo die Konservativen ihnen die Plattform geboten haben“, sagt er 2020 im Interview mit Republik.

Rechtspopulismus ist Wahlkampf für die AfD

Die CDU hat sich klar gegen eine Zusammenarbeit mit der rechten Partei AfD ausgesprochen. Trotz dieses parteipolitischen Beschlusses hatte die CDU in Bautzen einem AfD-Antrag zugestimmt, was auf lokale Zusammenarbeit hinweist. Udo Witschas, CDU-Landrat von Bautzen, hat den Antrag inhaltlich befürwortet und keine Bedenken hinsichtlich der Unterstützung der AfD geäußert.

Der politische Ansatz von Witschas, der auch in einer veröffentlichten Weihnachtsrede über die Unterbringung von Geflüchteten sichtbar wurde, weist auf eine Sympathie für AfD-Positionen hin. In seiner Rede vertrat er die Ansicht, dass Geflüchtete die deutsche Kultur nicht kennen und somit den sozialen Frieden gefährden könnten.

Diese Annäherung der CDU an die Positionen der AfD ist kein Einzelfall. Politikwissenschaftler Steven Hummel hat die Zusammenarbeit der AfD mit anderen demokratischen Parteien untersucht und festgestellt, dass die CDU in 18 von 21 Fällen nachweislich mit der AfD zusammengearbeitet hat.

Union verliert vor allem an die AfD

Die Volksverpetzer-Autorin Vanessa Magri beschrieb das Problem schon im Winter: „Die CDU/CSU verliert seit einigen Jahren Wählerinnen und Wähler an die AfD und versucht durch die Annäherung an AfD-Positionen, weitere Wählerwanderungen zu verhindern. So sind nationalistische und kulturkonservative Themen bei den bisherigen Unionswählern beliebt, die sich nicht mehr ausreichend repräsentiert fühlen. Diese Strategie schien bei der Bundestagswahl 2017 erfolgreich zu sein, als rund 7 % der Wählerschaft der Union zur AfD abwanderten.

Bei der Landtagswahl in Niedersachsen hat die CDU ihre meisten Wählerinnen und Wähler an die AfD verloren. In der aktuellen politischen Landschaft mit Themen wie Energiekrise, Inflation und Migrationsströmen kann die AfD ihre nationalistische Kampagne „Unser Land zuerst“ wieder in den Mittelpunkt stellen. Als Reaktion darauf nähert sich die Union inhaltlich und kommunikativ der AfD an. Dabei schreckt sie auch nicht vor der Verbreitung von Falschinformationen zurück, beispielsweise im Zusammenhang mit Bürgergelddebatten und Einbürgerungsfragen.

Die CDU nutzt einen Politikstil, der einen Gegensatz zwischen Migranten und „deutschen Passinhabern“ oder zwischen Vollzeitarbeitnehmern und Bürgergeldempfängern schafft. Diese Strategie bedient sich der populistischen Taktik, Ängste und Feindbilder zu schüren.“

Wer wie AfD spricht, hilft der AfD

Und wie Magri weiter schrieb: „Wie eine Studie zu Annäherungsstrategien zeigt, ist es nicht nur nicht effektiv, wenn sich ‚Mainstreamparteien‘ rechtsradikalen Positionen annähern, es bewirkt auch noch das Gegenteil: Anbiederungsstrategien machen rechte Parteien stärker. Nähert sich die CDU/CSU also noch weiter rechten Positionen der AfD an, läuft sie Gefahr noch mehr Wähler:innen zu verlieren. Die Union sollte das eigentlich wissen. Denn bereits in der Vergangenheit beging sie diesen Fehler. So zeigt die Studie, dass bei der bayerischen Landtagswahl 2018 die CSU mit einwanderungsfeindlichen Positionen Wahlkampf machte. Doch mit ca. 37 % fuhrt sie das schlechteste Ergebnis seit langem ein. Gleichzeitig zog die AfD erfolgreich mit ca. 10 % erstmals in den Landtag. Die Anbiederungsstrategie der CSU hatte somit genau den gegenteiligen Effekt.

Auch die CDU in Baden-Württemberg machte 1992 ähnliche Erfahrungen, als sie sich der Flüchtlingspolitik der Republikaner annäherte und letztere mit 10 % den größten Erfolg seit Jahrzehnten erzielte. Ähnliches wurde bei Hans-Georg Maaßens Strategie in der Thüringer Landtagswahl 2021 sichtbar. Maaßen gibt regelmäßig Interviews für rechtsradikale und rechtsextreme Medien und verwendet antisemitisch kodierte Begriffe sowie Verschwörungsmythen. Dennoch wurde in Maaßens Wahlkreis die AfD nicht geschwächt. Im Gegenteil sogar: sie gewann 3,4 Prozentpunkte und wurde stärkste Kraft. Dies war der größte Zuwachs in ganz Thüringen, während es in anderen Wahlkreisen mit gemäßigteren Kandidaten weniger Zuwachs oder gar Verluste für die AfD gab.

Union verliert auch weiter Stimmen an die AfD

Hier versuchte Friedrich Merz sich über seine „Sozialtourismus“-Aussage rechten Narrativen anzunähern. Gleichzeitig verlor die CDU bei dieser Landtagswahl die meisten ihrer Wähler an die AfD, Grüne und Nicht-Wähler:innen. Die AfD ging als klare Gewinnerin hervor und gewann die meisten Wechsel-Wähler:innen aus dem CDU-Lager und der FDP.

 Auch der Populismusbarometer 2018 warnte bereits die CDU: „Durch mehr Populismus würde sie ihren Markenkern als stärkste politische Kraft der unpopulistischen bürgerlichen Mitte preisgeben, ohne dadurch den an die AfD verlorenen rechtspopulistischen Rand wieder zurückzugewinnen. Sie liefe Gefahr, ihren unpopulistisch-bürgerlichen Markenkern an die Grünen zu verlieren.“

Wenn die Union zurzeit relative Stimmengewinne zu verzeichnen hat, dann kommen diese weniger von Rechts – sondern sind eher Wähler, die sie hat die SPD und die Grünen verloren hatte. Vermeintlich edle Motive wie die „Halbierung“ der AfD sind offensichtlich bestenfalls Selbsttäuschung.

AfD-Wähler sind keine reinen „Protestwähler“ – Es sind halt auch viele einfach rechtsextrem

Als mögliche Quellen für die neugewonnenen Umfragepunkte der AfD identifiziert Hillje, Autor von Sachbüchern wie „Propaganda 4.0“, einerseits frühere Wähler der rechtsextremen Partei, die bei der letzten Wahl nicht abgestimmt hatten und die nun in einem aktuellen Kontext der Verunsicherung wieder aktiviert werden könnten. Andererseits könnten frühere AfD-Wähler, die 2021 zur FDP gewechselt waren, zurückgekehrt sein. Dort habe die AfD das größte Potenzial, laut Umfragen.

Hillje betont, dass die Behauptung, die Unterstützung für die AfD sei nur Protest, niemals zutreffend war. Er verweist auf Studien, die zeigen, dass die Anhänger der AfD eindeutig rechtspopulistisch eingestellt sind. „In der Bevölkerung sind laut Mitte-Studie 13,5% rechtspopulistisch und 33,3% teilweise derart eingestellt“, zitiert er.

Besonders besorgniserregend sei laut Hillje die gesellschaftliche Normalisierung der sich immer weiter radikalisierenden AfD. Gewöhnungseffekte, die Zusammenarbeit anderer Parteien mit der AfD auf Landes- und Kommunalebene und die Übernahme rechtspopulistischer Rhetorik im politischen Diskurs trügen dazu bei.

BELIEBTESTE POLITIKER: GRÜNE & CDULER MIT KANTE NACH RECHTS

Ein Hinweis dafür, dass die Mehrheit der Wähler:innen unpopulistische Programmatiken präferiert, liefert das aktuelle Trendbarometer zur Frage, bei wem die Bürger:innen das Land „in guten Händen“ sähen. Auf den ersten sieben Rängen befinden sich drei Politiker:innen der Grünen, zwei der SPD und zwei der CDU. Der beliebteste CDU-Politiker ist laut Forsa-Umfrage Daniel Günther, der sich in der Vergangenheit bisher klar von Rechtspopulisten abgrenzte und als „konsensorientiert“ gelobt wird. Ähnliches gilt für Hendrik Wüst. Wüst lobte erst vor Kurzem noch den Politikstil Merkels oder sprach sich für bessere Unterbringung Geflüchteter aus.

Wer also Wählerwanderung zur rechtsextremen AfD aufhalten will, muss auf faktenbasierte Inhalte setzen und wer Populismus schwächen will, muss echte Lösungen für jene Probleme bieten, von denen Populisten profitieren. Das heißt, die Schaffung sozialer Gerechtigkeit, das Schließen von Repräsentationslücken und die Stärkung der politischen Responsivität. Solange diese Probleme weiterhin bestehen, wird es populistische Parteien geben und solange wird die Union auch weiter Wähler verlieren. Setzt sie weiter auf Populismus und rechte Narrative, wird sie bald der Vergangenheit angehören.

Via

Und umgekehrt heißt das auch: BILD & Co. sind die besten Helfer, die sich die AfD wünschen kann. Die Axel-Springer-Medien BILD und WELT sind DIE Lieblingsmedien der AfD. Nicht vergessen, dass BILD und WELT zum Axel-Springer-Verlag gehören, der zum einen dem Milliardär Mathias Döpfner gehört, der seine Zeitungen für gezielte Beeinflussung der Öffentlichkeit im Wahlkampf nutzt („Please stärke die FDP“) oder auch zu Teilen KKR, eines der weltweit größten private equity Firmen, die noch in fossile Energie investieren.

Screenshot

Wenn also BILD fast schon höhnisch fragt, wer für den „AfD-Rekord“ verantwortlich ist, sollte sie in den Spiegel schauen. Also, nicht die Zeitung. Auch wenn sie da durchaus auch mal die richtigeren Antworten finden kann.

Artikelbild: Screenshots bild.de, via @mondschaft23, Collage

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