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Stasi-Keule am Freitagabend – Hahnes Rechtspopulismus im MDR-Riverboat

Dass der MDR zuweilen anfällig für Desinformation ist und sogar widerlegten Verschwörungserzählungen eine Bühne bietet, ist nicht neu. Schon 2020 durfte der Verschwörungserzähler Sucharit Bhakdi hier in einem unkritischen Interview seine Desinformation verbreiten, auch 2022 und 2023 verbreitete der MDR noch Desinformation aus der „Querdenken“-Ecke, Kreml-Propaganda schaffte es auch nach 2022 noch ins Programm – achso und der Faschist Björn Höcke bekommt ja eh regelmäßig seine Bühne. Die schleichende Unterwanderung des öffentlich-rechtlichen Senders von rechtspopulistischer Propaganda passiert also schon seit Jahren, intern scheint der Widerspruch überschaubar zu bleiben. Denn jetzt wurde wieder Rechtspopulismus im Freitagabendprogramm live ausgestrahlt. Und diesmal gab es bei Riverboat in Form von Peter Hahne die ganze Bandbreite: Stasi-Keule, Schenkelklopfer gegens Gendern und „man darf ja nichts mehr sagen“-Opferrolle. Ohne Widerspruch.

Peter Hahne: Bekannter Rechtspopulist mit ÖR-Vorgeschichte

Peter Hahne wird gern mal als „Provokateur“ vorgestellt. Wenn das ein studierter Diplomtheologe von sich sagt, der jahrelang stellvertretender Leiter des ZDF-Hauptstadtstudios war und nach eigener Aussage „von der üppigen Pension des ZDF sehr gut leben“ kann, klingt das unangenehm nach privilegiertem weißen Mann, der noch mal richtig „Anti“ sein will. Doch leider ist es nicht so harmlos. Das wird deutlich, wenn man sich damit beschäftigt, was Hahne sonst so in die Welt posaunt.

Hier mal nur ein paar Beispiele, um diesen MDR-Talkshowgast in den Kontext zu stellen. In der Corona-Zeit stellte er das zwischenzeitliche Gottesdienstverbot in den Zusammenhang mit der NS- und der SED-Diktatur. Selbst diese hätten eine solche Maßnahme nicht beschlossen. Schon 2015 war er damit aufgefallen, dass seine „BILD am Sonntag“-Schlagzeile fast 1:1 von der NPD abgeschrieben war. Apropos BILD, auffällig ist auch, wo Hahne sonst so schreibt und redet. Erst im Februar gab er der rechten „Jungen Freiheit„, ein promo-Interview zu seinem neuesten Buch. Auch bei einschlägig bekannten neurechten Desinformationsmedien wie „Tichy’s Einblick“ oder RechtsaußenblogAchse des Guten“ veröffentlicht er regelmäßig.

Hahne beim MDR – nicht zum ersten Mal

Und trotz dieser Vergangenheit durfte Hahne nun wieder live im MDR-Freitagabendprogramm auftreten. Beim „Riverboat„, einer wöchentlichen Talkshow des MDR, durfte er beispielsweise schon 2016 gemeinsam mit der Putinversteherin Gabriele Krone-Schmalz den „provokanten“ Politik-Erklärbären spielen. Hahne kehrte dann unter anderem auch 2017, 2018, 2019 und im Februar 2020 zurück.

Doch auch nachdem sich während der Pandemie zeigte, in welchen politischen Gefilden Hahne unterwegs war, hielt der MDR an seinem rechtspopulistischen Stammgast fest: So durfte es sich Hahne auch am 6. Mai 2022 wieder auf den Riverboat-Sesseln bequem machen. Immerhin versprach die Redaktion „selbstverständlich“ eine akribische inhaltliche Vorbereitung auf alle Gäste. Was das bedeutet – und vor allem, was es nicht bedeutet, konnten wir dann letzte Woche Freitag beobachten.

Peter Hahne im MDR-Riverboat am 26.04.2024, Screenshot ardmediathek.de

Stasi-Keule, Schenkelklopfer – und die Moderation schweigt

Denn Hahne „übertraf“ sich mal wieder selbst im populistischen Geraune und im Bedienen rechter Dogwhistles – ohne, dass die Moderation ernsthaft eingriff. Da waren die tausend mal gehörten Witze übers Gendern noch harmlos dagegen. Auch als er breit im Öffentlich-Rechtlichen MDR behauptete, man könne ja nix mehr sagen und „die Politik“ als „pure Idiotie“ bezeichnete, kann man die Moderator:innen vielleicht noch damit entschuldigen, dass eine kritische Nachfrage hier ja nun wirklich die schöne Plauderstimmung vermiest hätte. Aber spätestens an dem Punkt, als der Rechtspopulist Hahne den Verfassungsschutz als „Haldenwangs Stasi“ (ab 01:46:45) bezeichnet, hätte die Moderation die Notbremse ziehen müssen. Stattdessen betretenes Schweigen und pflichtbewusstes Lachen nach dem nächsten Schenkelklopfer.

Für den im westdeutschen Minden (NRW) geborenen Peter Hahne müssen wir an der Stelle vielleicht einmal eine Geschichtsstunde dazu einschieben. Das Ministerium für Staatssicherheit (kurz MfS), umgangssprachlich oft als Stasi bezeichnet, war als Geheimdienst und Geheimpolizei der DDR eine entscheidende Stütze des SED-Regimes. Vor allem die insgesamt über 600.000 „inoffiziellen“ Mitarbeiter:innen hatten dabei eine enorme repressive Wirkung gegenüber der Bevölkerung. Um an ihre Informationen zu gelangen wendete die Stasi anfangs physische, später vor allem psychische Folter an. Auf der Flucht vor diesem System starben mindestens 140 Leute allein an der Berliner Mauer.

Hätte dieser Einschub in der Talkshow die Stimmung gekillt? Wahrscheinlich schon. Dieser Aspekt der DDR-Geschichte ist einer der schmerzhaftesten und eignet sich nicht für den freitagabendlichen TV-Plausch, schon klar. Doch wenn Peter Hahne, geboren und aufgewachsen in der bundesdeutschen Demokratie, glaubt, dass dieser dunkle Aspekt der DDR-Geschichte geeignet ist, um sich selbst mittels Stasi-Keule in eine pseudo-Opferrolle zu rücken, dann ist der Punkt erreicht, wo eine Richtigstellung dringend und live vor Ort notwendig ist. Das kann und muss man von einer öffentlich-rechtlichen Medienproduktion erwarten – gerade in Sachsen. Doch was blieb war der nächste Schenkelklopfer, der nächste Witz, „war doch nicht so ernst gemeint“. Schon klar. Auch so kann man rechtspopulistische Taking Points normalisieren.

Hahne bester Beweis: „Live entzaubern“ klappt nicht

Wir könnten jetzt auch noch über seine Relativierungen des Klimawandels reden oder darüber, dass er die gesamte Ampel pauschal als „irre“ bezeichnet. Aber unser Punkt dürfte auch so klar geworden sein. Wir wollen hier lieber die Chance nutzen und nochmal auf ein größeres Problem hinweisen. Die Öffentlich-Rechtlichen Sender laden immer wieder Mitglieder der rechtsextremen AfD oder sogar gerichtlich sichere Faschisten wie Höcke in Talk- oder Interview-Formate ein. Eine zentrale Begründung ist dabei immer wieder, so könne man die Extremisten der Partei „entzaubern“. Doch diese erhoffte Entzauberung durch hochklassige journalistische Arbeit ist ohnehin schon fragwürdig.

Beim „Riverboat“ sehen wir nun, dass öffentlich-rechtliche Journalist:innen dazu selbst in kleineren Kontexten offenbar nicht in der Lage sind. Wenn nicht mal ein frustrierter alter weißer Westdeutscher daran gehindert werden kann, die Geschichte der Stasi-Verbrechen für seine Opfer-Inszenierung zu missbrauchen – wie soll das dann erst mit rhetorisch geschulten Extremisten klappen, die die Macht übernehmen wollen?

Wir blieben dabei: Bis auf wenige Ausnahmen gelingt diese „Entzauberung“ nicht. Die Fans von Rechtsextremen schauen eh nicht öffentlich-rechtliche Talkshow-Formate. Indem AfD-Politiker:innen Talkshows bevölkern, werden ihre Inhalte stattdessen normalisiert. Die AfD freut sich über beitragsfinanzierte YouTube-Schnipsel, die sie dann ihrer Gefolgschaft in den sozialen Medien präsentieren kann. Deswegen fordern wir weiterhin: Keine Live-Formate mit AfD-Politiker:innen. Wenn man sie entzaubern will, kann man das machen, indem man über sie redet. Stattdessen könnte man die freigewordene Sendezeit dazu nutzen, mit normalen Menschen über ihre Probleme, ihren Frust und ihre Sorgen zu reden. Auch im Riverboat.

AfD-Chef Chrupalla zerstört Markus Lanz

Titelbild: Screenshot ardmediathek.de

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