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Meta möchte kanadische Medien nicht dafür bezahlen, dass ihre Inhalte auf Facebook geteilt werden können. Im Poker um den Online News Act droht der Konzern nun mit einem drastischen Schritt, nicht zum ersten Mal.
– Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Hermes RiveraIm Streit um den Online News Act verschärft Meta den Ton. Sollte das kanadische Parlament das Gesetz in der aktuellen Form verabschieden, müsse sein Unternehmen das Teilen von News-Inhalten auf Facebook gegebenenfalls verbieten, teilte Meta-Manager Marc Dinsdale am Freitag mit.
Das Gesetz soll marktdominante Medienintermediäre, allen voran Google und Facebook, zu Abgaben an Nachrichtenmedien zwingen, wenn sie deren Inhalte anzeigen. Auf diese Weise will die kanadische Regierung der finanziell schwächelnden Nachrichtenbranche unter die Arme greifen. Seit 2010 sei landesweit ein Drittel aller Stellen im Journalismus gestrichen worden, so die kanadische Regierung, viele Zeitungen hätten schließen müssen. Dafür seien auch die großen Plattformkonzerne verantwortlich.
Weil diese den Online-Werbemarkt zum größten Teil unter sich aufteilen und dabei auch mit Hilfe von News-Inhalten Umsätze machen, sollen sie die Medien entschädigen. Konkret würde das Gesetz große Suchmaschinen, Social-Media-Dienste und Nachrichten-Aggregatoren dazu zwingen, mit den Medien über eine Kompensation für die Nutzung ihrer Inhalte zu verhandeln. Sollten diese Verhandlungen scheitern, könnten die Unternehmen die Medienaufsicht einschalten.
Keine Priorität für Nutzer:innen?
Anlass für Metas Drohung ist eine Parlamentsanhörung zum Online News Act, zu der das Unternehmen nach eigenen Angaben nicht eingeladen worden war. Der Konzern kritisiert die Logik des Gesetzesvorhabens dabei grundsätzlich: Facebook entziehe Medienunternehmen keinen Profit, sondern trage, indem die Plattform die Reichweite der Nachrichtenseiten erhöhe, vielmehr dazu bei, deren Umsatz zu steigern.
Allein von Mai 2021 bis Mai 2022 habe Facebook kanadischen Medien mehr als 1,9 Milliarden Klicks beschert – „kostenloses Marketing für ihre Inhalte in Form von Link-Posts mit einem geschätzten Gesamtwert von 230 Millionen kanadischen Dollar.“ Nachrichteninhalte hätten für Facebook-Nutzer:innen zudem keine Priorität, sie würden lediglich drei Prozent jener Inhalte ausmachen, die Menschen in Kanada auf Facebook zu sehen bekommen.
Das allerdings war in der wechselvollen Beziehung zwischen der Plattform und den Publizist:innen nicht immer so. Lange Zeit warb Facebook bei Medien sehr aktiv dafür, ihre Inhalte auf die Plattform zu bringen. Der Konzern wollte Medien mit dem Format der „Instant Articles“ sogar dazu bringen, ihre Inhalte nicht länger auf der eigenen Website, sondern nur noch auf Facebook zu veröffentlichen. 2018 führte eine Änderung des Newsfeed-Algorithmus dann zu einer gravierenden Krise bei vielen Medien. Damals hatte Facebook überraschend entschieden, die Reichweite von Medien zugunsten von Posts von Freund:innen und Familienmitglieder zu beschränken.
Vorbild Australien
Inzwischen hat Meta ebenso wie Google ein 300-Millionen-Dollar schweres Programm aufgelegt, um der kriselnden Medienbranche mit Geschenken zu helfen – und gleichzeitig das Verhältnis zueinander aufzubessern. Das änderte jedoch nichts an den zunehmenden Versuchen diverser Regierungen, Plattformkonzerne dazu zu zwingen, Abgaben an die Medien zu leisten.
Vorbild für das kanadische Gesetz ist der australische News Media Bargaining Code. Dieser zwingt Meta und Google seit 2021 zu Kompensationsverhandlungen mit australischen Medien. Auch als dieses Gesetz diskutiert wurde, hatte Meta angedroht, nachrichtliche Inhalte von seinem Dienst zu verbannen – und fürs Erste ernst gemacht: Kurz vor Verabschiedung im Februar vergangenen Jahres blockierte der Konzern sämtliche News-Inhalte australischer Medien auf Facebook. Whistleblower:innen berichteten, dass der Konzern absichtlich eine breite Definition von Nachrichten vorgenommen habe, um einen möglichst drastischen Effekt zu erzeugen, bei dem möglichst viele Inhalte von der Plattform verschwanden. Mit Erfolg: Die Regierung machte in letzter Sekunde Zugeständnisse. So wurde etwa der Zeitraum für die Verhandlungen verlängert und Ausnahmen für den Fall geschaffen, dass die Plattformen andere Lizenzdeals mit Medien abschließen.
Seitdem haben viele australische Medien Verträge für Google News Showcase und Facebook News abgeschlossen, mit denen die Konzerne die Zwangsverhandlungen umgehen. Zahlreichen Beobachter:innen gilt das Gesetz dennoch als Erfolg, weil es den Druck auf die Tech-Konzerne erhöht hat, überhaupt Zahlungen zu leisten. Trotzdem gibt es auch in Kanada Widerspruch gegen das Vorhaben, nicht nur von Google und Meta.
Zwangsabge auch in der EU
Meta verweist unter anderem auf eine Analyse der ehemaligen Geschäftsführerin der Wikimedia Foundation, Sue Gardner. Gardner kritisiert darin unter anderem, dass der Online News Act die Abhängigkeit der Medien von Plattformkonzernen zementiere. Zudem gefährde das Gesetz das freie Internet, weil es Verlinkungen – und damit eines der Grundkonzepte des Netzes – kompensationspflichtig mache. Profitieren würden von alledem letztlich vor allem große und etablierte Unternehmen, weil nur sie in der Lage seien, ihre neu gewonnenen Rechte durchzusetzen. Anspruchsberechtigt seien zudem nur Medien, die mindestens zwei Redakteur:innen beschäftigten und inhaltlich breit aufgestellt seien, also keine Fachmedien sind.
Trotz Facebooks Drohung gilt es als wahrscheinlich, dass Kanada den Online News Act demnächst verabschiedet. Ähnliche Gesetze werden derzeit in den USA, Neu Seeland und Indien diskutiert. In Deutschland und Europa sind bestimmte Medienintermediäre bereits seit 2021 dazu verpflichtet, Lizenzabgaben an Medien zu zahlen, wenn sie eine Vorschau ihrer Inhalte anzeigen. Nachdem nationale Versuche in Deutschland und Spanien gescheitert waren, weil Google angedroht hatte, betreffende Medien nicht mehr in seiner Suche auffindbar zu machen, ist das sogenannte Leistungsschutzrecht für Presseverlage seit der EU-Urheberrechtsreform europaweit gültig.
Wie wir kürzlich aufgezeigt haben, verläuft die Umsetzung hierzulande jedoch holprig. Während Meta in Frankreich bereits Abgaben an die Medien leistet, fühlt sich der Konzern vom deutschen Umsetzungstext der EU-Vorgaben offenbar nicht angesprochen. Google hingegen zahlt einem Teil der Branche Lizenzgebühren, die allerdings deutlich geringer ausfallen als etwa in Frankreich.
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Author: Ingo Dachwitz
