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UN-Bericht prangert an: Kampf gegen Terror nur Vorwand für mehr Überwachung

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Statt Terrorismus zu bekämpfen haben Technologien zur Überwachung „verheerende“ Auswirkungen auf Menschenrechte, mahnen die Vereinten Nationen in einem Bericht. Es brauche unter anderem einen Stopp für biometrische Überwachung in der Öffentlichkeit und den Handel mit Trojanern.
Der UN-Bericht fordert ein Moratorium von biometrischer Überwachung in der Öffentlichkeit. – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / PanthermediaDer Kampf gegen Terrorismus ist oft nur ein Vorwand, um Menschenrechte durch Überwachung zu beschneiden – das geht aus dem Jahresbericht des Rats für Menschenrechte der Vereinten Nationen (UN) hervor. Technologien wie biometrische Überwachung oder Drohnen würden „weltweit zur Einschränkung und Verletzung der Menschenrechte missbraucht“, schreibt die irische Sonderberichterstatterin Fionnuala D. Ní Aoláin im Bericht (docx/PDF).
Auf den ersten Blick geht es um die außergewöhnliche Bedrohung durch Terrorismus. Doch das werde bloß als „politische und rechtliche Rechtfertigung für die Einführung von risikoreichen und stark in die Privatsphäre eingreifenden Technologien“ genutzt, heißt es im Bericht. Zwar versprechen Gesetzgeber:innen oft, dass neue Maßnahmen zur Überwachung streng begrenzt seien. Aber das ist laut Bericht ein „Trugbild“. Die Gefahr sei ein „breiter und umfassender Einsatz“ ohne angemessene rechtsstaatliche Schranken.
Zudem prangert die Sonderberichterstatterin vor allem in der Terrorismusbekämpfung ein „engstirniges Sicherheitsdenken“ an. Es mangele an einer Auseinandersetzung mit größeren Zusammenhängen.
„Verheerende Auswirkungen“
Die globalen Auswirkungen von Überwachungstechnologien auf die Menschenrechte nennt die Sonderberichterstatterin „verheerend“. Bedroht sind demnach vor allem Privatsphäre, freie Meinungsäußerung, Vereinigungsfreiheit und politische Partizipation.
Es gebe zudem keine internationale Definition von Terrorismus und Extremismus, kritisiert der Bericht. Deshalb könnten Staaten die Begriffe selbst definieren und damit eigene Interessen verfolgen. Nur wenige stünden mit Menschenrechten und der Rechtsstaatlichkeit in Einklang.
Die Sonderberichterstatterin kritisiert auch den Einsatz von Drohnen zur Überwachung von Protesten. Das sei keine Ausnahme mehr, sondern habe sich zu einem gewöhnlichen Mittel entwickelt. Dabei gehe es nicht nur um Privatsphäre, Meinungs- und Versammlungsfreiheit. Drohnen könnten auch bei willkürlichen Verhaftungen eine Rolle spielen.
„Erhebliche Bedrohung für demokratische Gesellschaften“
Tiefe Besorgnis äußert die Berichterstattern auch über den Einsatz von KI-Systemen, also Rechenprogrammen, die mit großen Mengen an Daten arbeiten. Behörden setzen KI-Systeme auch ein, um die Wahrscheinlichkeit von künftigen Verbrechen abzuschätzen. Auf Grundlage von KI-Empfehlungen könnten Menschen etwa verfolgt oder verhaftet werden. KI-Bewertungen allein sollten allerdings keine Grundlage für einen Verdacht sein, so der Bericht.
Der Bericht kritisiert auch ausdrücklich konkrete Akteur:innen. „Bedenklich“ sei demnach die Rolle der der nicht-staatlichen Organisation Biometrics Institute. Die Organisation arbeitet nach eigenen Angaben am verantwortungsvollen Einsatz von Biometrie. Laut UN-Bericht sei die Organisation staats- und wirtschaftsnah; zivilgesellschaftliche Stimmen würden ausgeschlossen.
Außerdem nennt der Bericht Hersteller von Überwachungssoftware, sogenannten Trojanern. Einer der bekanntesten ist die NSO Group, deren Staatstrojaner Pegasus in zahlreichen Ländern genutzt wurde, um Oppositionelle, Menschenrechtler:innen und Journalist:innen ins Visier zu nehmen. In diesem Zusammenhang spricht die Sonderberichterstatterin von „beträchtlichen“ Auswirkungen auf die Menschenrechte und einer „Eskalation der geheimen Überwachung“.  Die rasante Entwicklung unzureichend regulierter neuer Technologien auf diesem Gebiet sei eine „erhebliche Bedrohung für demokratische Gesellschaften“. Die Sonderberichterstatterin fordert ein Moratorium für den Handel mit Spähsoftware und Spionagetechnologie
Nachbesserung bei AI-Act gefordert
Der Bericht formuliert auch weitere Empfehlungen für die Einhaltung der Menschenrechte, mehr Privatsphäre und besseren Datenschutz, etwa ein weltweites Verbot tödlicher autonomer Waffensysteme, eine striktere Exportkontrolle von Überwachungstechnologie sowie ein Moratorium von Gesichtserkennung und anderen biometrischen Überwachungssystemen in der Öffentlichkeit.
Derzeit verhandelt die EU eine geplante KI-Richtlinie. Darin geht es unter anderem darum, den Einsatz von Überwachungstechnologie einzudämmen. Der UN-Bericht empfiehlt der EU, auf die geplanten Ausnahmen für „nationale Sicherheit“ zu verzichten. Diese Ausnahmen könnten Staaten beispielsweise den Einsatz von eigentlich verbotenen Technologie erlauben, etwa biometrische Fernidentifizierung (kurz: RBI, das steht für „remote biomteric identifcation“). Damit gemeint sind zum Beispiel Überwachungskameras, die einzelne Menschen auf ihrem Weg durch die Stadt erkennen und verfolgen können.

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Author: Markus Reuter

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