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Union & FDP wollen Doku über deutsche Innovationen canceln!

Ulf Poschardt findet Innovationen jetzt spießig.

Man mag es kaum glauben, aber die Absurdität der deutschen Klimadebatte hat sich im März 2023 nochmal gesteigert. Während der neueste IPCC-Bericht mal wieder schlechte Laune macht, und erneut der Streit hochkocht, was nun zu tun ist, haben sich die Fronten auf eine wirklich merkwürdige und unerwartete Art und Weise verschoben.

Bislang war das Mantra bei CDU und FDP häufig: Wir sind gegen Verzicht, wir wollen stattdessen Innovationen. Nun gibt es in der ARD-Mediathek seit letztem Sonntag eine neue Doku-Reihe namens „Wir können auch anders“, und darin geht es um innovative Projekte engagierter Menschen, die in bester Startup-Kultur nach neuen Lösungen für das ganz große Problem suchen. Diese werden in hoffnungsvoller Tonalität vorgetragen und nicht mit dem drohenden Weltuntergang verargumentiert.

Jetzt gibt es deutsche Innovationen und jetzt ist es auch nicht recht?

Eine Sendung, die bei Union und FDP die Sektkorken knallen lassen sollte, könnte man meinen. „Hier, nehmt das, Ihr verlausten Verzichtsprediger: Innovationen first, Bedenken second!“, könnte Wolfgang Kubicki in sein Insta-Reel rappen. Aber bislang Fehlanzeige. Nicht nur werden die gezeigten Innovationen made in Germany nicht bejubelt, sie werden in der liberal-konservativen Bubble sogar als „spießig“ und „grüner Wahlkampf“ abgekanzelt.

In Folge 1 geht es um Mobilität und natürlich auch um die Idee, in großen, dicht besiedelten Städten den Autoverkehr zugunsten anderer Verkehrsträger zu reduzieren. Aber auch an den ländlichen Raum wurde gedacht: Wir sehen, wie die Stadt Hamburg mit dem „elbMOBIL“ einen 24/7-Service für den Bus bis zur Haustür außerhalb des S-Bahn-Rings anbietet oder wie die Menschen im recht beschaulichen Sprakebüll ihren Windstrom-Überschuss nutzen, um das Laden der privaten E-Autos zu vergünstigen und Carsharing auf dem Land anzubieten.

CDU-Mann empfindet einen Bericht über Klimalösungen als… grüne Werbung?!

In den anderen Folgen geht es um den Bausektor, um Landwirtschaft, Natur, Energie und Wirtschaft und wir bekommen Einblicke in das Potenzial für grünen Stahl aus Deutschland, futtereffiziente Fischfarmen (vegetarisches Fischfutter wird mit Pflanzendüngung aus den Hinterlassenschaften der Fische kombiniert), Abwärme nutzende Schwimmbäder, klimapositive Rechenzentren (mit der Abwärme wird Algenzucht betrieben), die Herstellung pflanzlicher Produkte, Moor erhaltene Landwirtschaft, Recycling von Baustoffen und vieles mehr.

Es wird also in allen Sektoren untersucht, wie Klimaschutz und Wirtschaft zusammen funktionieren können, sodass wir am Ende eine funktionierende Biosphäre UND Wohlstand haben. Ein Claim, der bestimmt so ähnlich in irgendeinem CDU-Flyer zu finden ist, aber dennoch ist die Reaktion überraschend wütend: Der CDU-Bundestagsabgeordnete Matthias Hauer hält das Ganze für „Wahlwerbung für die Grünen“:

Hat er die Sendung überhaupt gesehen… ?

Wir wissen natürlich nicht, ob Matthias Hauer sich die Serie überhaupt angesehen hat oder einfach nur den Aussagen seines Lieblings-Telegram-Channels vertraut, aber noch mal der Vollständig halber: In der Doku wird kein einziger Parteiname genannt, es geht einfach nur um Konzepte und Lösungen, die heute schon technisch machbar und umsetzbar sind.

Was sagt es über einen CDU-Politiker aus, wenn er das reine Zeigen funktionierender Klimaschutz-Ansätze von sich aus als Grünen-Wahlkampf einstuft? Dass ich bitte lieber grün wählen soll, wenn ich Klimaschutz möchte? Das sind ja keine Hippie-Fantasien, sondern Einsichten in u.A. die deutsche Schwerindustrie, an der tausende Jobs hängen. Was soll das der Belegschaft von Thyssenkrupp sagen? Dass die CDU an ihrer Branche kein Interesse hat?

Noch seltsamer sind die Reaktionen aus der liberalen Bubble. Oft wurde dort in den letzten Jahren bemängelt, die Klimabubble benehme sich wie eine Doomsday-Sekte, wie ein kopfloser, emotionaler Panikhaufen, der die Lösungen den Profis überlassen sollte, anstatt den anderen ihre Lösungen aufzwingen zu wollen. Man wolle nicht länger diesen bierernsten, moralinsauren Aktivisten zuhören. Und jetzt?

Warnungen vor der Klimakrise wollen die Liberalen nicht, Berichte über technische Lösungen auch nicht

Die Serie ist wirklich recht positiv geframet, Blick nach vorne, Fokus auf die Möglichkeiten, weniger auf die Risiken (was man auch nicht mögen muss). Es kommen alle zu Wort: Menschen in der Stadt, Menschen auf dem Land, vom Betreiber eines Datacenters bis zur Moor-Landwirtschaft in Brandenburg, von der Firma für pflanzliche Bratlinge auf Erbsenbasis bis zum Meeresfarmer in Kiel. Alles Leute, die nicht extra auf den Staat warten, sondern lieber mal loslegen anstatt zu zaudern.

Die Reaktionen von Menschen mit „liberal“ in der Twitter-Bio wirken jedoch konservativ, technolgiefeindlich und über-ängstlich:

Dr. Christoph Sprich von der CDU/CDU-Organisation Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT) scheint wenig vom Mittelstand zu halten und bezeichnet die Sendung ebenfalls als „Propaganda“ und Grünen-Wahlwerbung und fordert gleich die gesamte Abschaffung der GEZ:

Auch Phil Hackemann vom bayerischen FDP-Landesvorstand, hält eine Sendung, die junge Unternehmen mit frischen Ideen für Grünen-Werbung:

Und was hält Ulf Poschardt, WELT-Chef, von modernem, deutschen Unternehmertum für Zukunftsmärkte? Er findet, so eine Sendung könne nur von Leuten ohne „politische Moral“ produziert werden oder es sei authentisches Spießertum:

Wie stellen die „Liberalen“ sich das eigentlich vor, wo Wohlstand und Innovation herkommen sollen? Wenn man Leute, die auf eigenes Risiko ihre Geschäftsidee auf die Beine stellen wollen, als Spießer beschimpft, ist das nicht gerade die Startup-Kultur, mit der der nächste Weltkonzern in Deutschland gegründet wird. Woher kommt diese Niedertracht gegen deutsche Firmen, die ihre Geschäftsidee in einer Klima-Dokumentation vorstellen?

Müssen Firmen jetzt Produkte auf den Markt bringen, die nur Ulf Poschardt und ultra-konservativen FDP-Kadern gefallen, um nicht von ihnen an den Pranger gestellt und gecancelt zu werden? Soll über den Erfolg von Unternehmen jetzt der Markt entscheiden oder die Ideologie einzelner Medienleute?

Soll der freie Markt jetzt der persönlichen Ideologie von Ulf Poschardt gehorchen?

Und es sind ja nicht nur neue Firmen, auch für existente Firmen brauchen wir kluge Lösungen und Unterstützung in Form von CO₂-Bepreisung, damit klimaneutrale Technik sich am Markt behaupten kann und Investitionen sich lohnen. Die im Beitrag zu sehende thyssenkrupp Steel gab jüngst bekannt, 1,8 Milliarden Euro in die erste Direktreduktionsanlage auf Wasserstoffbasis am Standort Duisburg zu investieren.

Das ist eine sehr gute Nachricht, denn damit ist der Startschuss für klimaneutrale Primärstahlherstellung gefallen, ein technologischer Meilenstein. So war die CO₂-neutrale Produktion von Recycling-Stahl mittels Lichtbogenofen zwar bereits möglich, aber eben nicht klimaneutraler Stahl direkt aus Eisenerz. Das ist technologische Pionierarbeit und bedeutet nun den größten Einzelauftrag in der Firmengeschichte.

Vergeben wird dieser Auftrag ebenfalls an eine deutsche Firma, die SMS group in Düsseldorf, die hiermit hoffentlich nicht die letzte wasserstoffbasierte Anlage baut, sondern mit dieser Technik Stahlwerke in aller Welt dekarbonisiert: Allein diese eine Anlage könnte zukünftig 3,5 Millionen Tonnen CO₂ einsparen, das entspricht den jährlichen Energieemissionen von ganz Nürnberg.

Angeblich „Technologie-offen“ und angeblich „liberal“ – oder doch nicht?

Eigentlich eine echt spannende Geschichte und ein Beispiel, wie Wirtschaft und Gesellschaft bald gemeinsam auch die ganz großen Klimabretter bohren und gleichzeitig große Industriestandorte in Deutschland sichern.

Nur Ulf Poschardt findet das spießig. Tja, aus einem Loft im 10. Stock im Prenzlauer Berg heraus, oder in welchem angesagten Szene-Viertel er wohnen mag, zwischen Latte Macchiato und Porschefahren ist einem das Schicksal der einfachen Malocher in Duisburg vielleicht egal und es gibt nur ein müdes Achselzucken, wenn die Welt in Zukunft nur noch mit chinesischem Stahl versorgt wird. 2019 jammerte er noch, dass wir in Innovationen hinterherhinken.

Wir müssen die globale Erwärmung so schnell wie möglich stoppen und sind deswegen mehr denn je auf ein paar findige Leute angewiesen, die ihre Ideen in Realität umsetzen, sowohl zur Emissionsvermeidung als auch für die Klimanpassung. Deutschland ist das Land mit den zweitmeisten Patentanmeldungen in Europa, direkt hinter den USA und vor Japan und muss sich hier nicht verstecken.

Dazu bedarf es aber einer Gesellschaft, die neue Ideen und Innovationen fördert. Mit Parteien und Hardcore-Libertären, die neue Ideen durch ihre Ideologie-Brille als Wahlkampf abtun und stattdessen veraltete, sterbende Konzepte künstlich am Leben erhalten wollen, wird das schwierig.

Wir können aber auch anders.

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Artikelbild: Screenshots twitter.com

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