Neonazi-Aufmarsch vom III. Weg in Berlin, Marzahn-Hellersdorf.
(Quelle: RechercheNetzwerk.Berlin)
Vorstellungen von Familie, Geschlecht und Gender stehen in der extremen Rechten im Mittelpunkt eines gewaltsamen Kampfes um gesellschaftliche und kulturelle Hegemonie. Einer besonderen Bedeutung kommt dabei Frauen zu, deren Rolle in der extremen Rechten über Jahre unterschätzt wurde und deren Aufgaben sich innerhalb der Szene deutlich ausdifferenziert haben.
Doch wieso werden Frauen in der Gesellschaft immer noch als weniger politisch und weniger extrem wahrgenommen? Das mag zum einen an Erkenntnissen aus der Forschung liegen: Laut der Studie „Jugend in Deutschland“ wählen junge Frauen nur halb so häufig rechtsextrem, wie junge Männer. Langzeitstudien wie die Mitte-Studie oder die Autoritarismus-Studie zeigen allerdings seit Jahren, dass die Unterschiede auf der Einstellungsebene kaum bestehen: Beispielsweise sind laut Leipziger Autoritarismus Studie knapp 20 Prozent der Frauen und 24,4 Prozent der Männer in Deutschland demnach „ausländer- oder fremdenfeindlich“. Nach Angaben der Mitte-Studie haben 8,9 Prozent der Frauen manifest rechtsextremes Weltbild – unter den Männern sind es 7,7 Prozent. Wie kommt es also, dass Frauen sich in rechtsextremen Jugendgruppen organisieren und sich rechtsextremen Ideologien zuwenden?
Warum wenden sich Frauen rechtsextremen Ideologien zu?
Die Studie Jugend in Deutschland zeigt, dass junge Frauen deutlich unzufriedener sind als junge Männer – mit ihrer finanziellen Situation, ihrer Gesundheit, ihrer Lebensqualität und den politischen Verhältnissen. Für Radikalisierungsprozesse kann das ausschlaggebend sein: Rechte Aktionen vermitteln jungen Menschen das Gefühl, ihre Zukunft selbst in die Hand zu nehmen, aktiv zu werden und Lösungen für die eigenen Probleme zu finden. Ihre Sorgen und Unzufriedenheit werden instrumentalisiert, um gegen Feindbilder zu hetzen – nachhaltige Lösungen für die individuellen Sorgen bietet die rechtsextreme Szene jedoch nicht.
In der Forschung spricht man hier von der Verunsicherungsthese: Wenn Frauen sich in der Gesellschaft unsicher fühlen, können rechte Deutungsmuster und Aktionen ausgleichend wirken. Sie bieten eine Kompensation für die Erfahrung von Ungerechtigkeit, (männlicher) Gewalt oder Verunsicherung, indem man sich selbst aufwertet und andere, ‘fremde’ Gruppen abwertet. Eine produktive Diskussion über Geschlechterverhältnisse oder Gerechtigkeit findet nicht statt, stattdessen werden rassistische Parolen gegen Zuwanderung skandiert. Die Verunsicherungsthese ist jedoch nur bedingt haltbar, denn die Erfahrung von Frauen, selbst gesellschaftlich benachteiligt zu sein, kann auch zu einer Identifikation mit anderen benachteiligten Gruppen in der Gesellschaft führen. Die Psychologin Birgit Rommelspacher hält vor allem die subjektive Interpretation der eigenen Situation für entscheidend: Es geht nicht nur darum, dass Frauen mit ihrer Situation unzufrieden sind, sondern auch darum, welche Erklärung sie dafür erkennen und welche Wertvorstellungen sie vertreten.
In rechtsextremen Kreisen sozialisiert
Für eine Radikalisierung spielen also die Sozialisierung, das Umfeld und gesellschaftliche Diskurse eine wichtige Rolle. Bei manchen rechtsextremen Frauen gibt es eindeutige Hinweise, dass bereits das Elternhaus offen rechts geprägt ist. Die Mutter der rechten „Aktivistin“ Stella, die eine zentrale Figur der gewaltbereiten Jugendgruppe „Chemnitz-Revolte“ ist, posiert beispielsweise stolz mit Reichsflagge für ihr Facebook-Profilfoto. Das Aufwachsen in einem rechten Elternhaus, gekoppelt mit einem zunehmenden gesamtgesellschaftlichen Rechtsruck und der Etablierung der rechtsextremen AfD als politisch legitimierte Partei, bietet den Nährboden für die Ausbildung rechtsextremer Überzeugungen. Das Ergebnis ist Gewalt gegen diejenigen, die scheinbar für das erlebte Leid verantwortlich sind: Migrant*innen, Queers, das politische Establishment und alles, was im rechten Weltbild keinen Platz findet.
Auf die Strategie der Verharmlosung, setzt das politische Vorfeld der AfD immer noch, wie das Beispiel des KI generierten Instagram Profils von Laras Rebellion zeigt. Die von einem männlich dominierten extremen Rechten erschaffene Kunstfigur verleiht rassistischer Hetze ein unschuldiges Gesicht.„“Die blonde Rebellin“, wie das Profil sich weiter nennt, zeigt das White Power Zeichen, möchte Schulen, die sich gegen Rassismus einsetzen, abschaffen und ist „stolz“ statt „woke“. Sie ist ein künstliches Abbild von vielen rechtsextremen und antifeministischen jungen Frauen, die so oder so ähnlich auf TikTok und anderen Sozialen Medien zu finden sind und sich der „rechtsextremen Erlebniswelt“ hingeben.
Für den rechtsextremen „Kulturkampf“ und gesellschaftliche Anschlussfähigkeit sind Frauen für die rechtsextreme Szene unabdingbar. Sie werden gebraucht, zur emotionalen Aufheizung zu Gewalttaten, aber auch zur Verdeckung von Straftaten. Die Rechtsextremismusforscherin Heike Radvan betont die Funktionalität rechter Frauen als „sozialem Kitt“, um das Gewaltpotential der Szene zu verschleiern und eine Anschlussfähigkeit an gemäßigte Teile der Gesellschaft zu ermöglichen. Zu dem Gewaltpotential der Szene gehören nicht nur die, die zuschlagen, sondern auch die, die danach die Care-Arbeit machen – und das sind, nicht nur in der rechtsextremen Szene, in den meisten Fällen Frauen.