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Warum Markus Söder gerade so viel Unsinn zu Atomkraftwerken erzählt

Die Ära der Atomenergie ist in Deutschland seit dem 15.04.2023 offiziell beendet – mit den Kraftwerken Isar 2, Neckarwestheim 2 und Emsland gingen die letzten drei Atommeiler vom Netz. Eine Entscheidung, die 2011 durch die schwarz-gelbe Koalition (also CDU, CSU und FDP) getroffen wurde, ist mit einiger Verspätung aufgrund der Energiekrise nun in Kraft getreten. Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (richtig: CSU) möchte es dabei aber nicht belassen. Je näher der Ausstieg rückte, desto stärker äußert sich Söder dagegen. Was ein toller Zufall, dass ihm all das ungefähr eine Woche vor Ende der Kernkraft in Deutschland so ein dringendes Anliegen wird. Wenn man sich damit nochmal schön profilieren kann.

Er spricht davon, dass der Süden beim Thema Energie strukturell abgehängt werde und bietet an, dass Bayern die Kernkraft in eigener Zuständigkeit für einige Jahre weiterlaufen lassen könne. Seine eigenen Versäumnisse in puncto Energie verschweigt er derweil. Ebenso, dass „Kernkraft in Eigenregie“ so einfach gar nicht funktioniert. Und dass die Blackout-Panikmache vom vergangenen Jahr im Winter gar nicht eingetreten ist. Woher also der plötzliche Kernkraft-Hype? Spoiler: Im Herbst dieses Jahres stehen bayerische Landtagswahlen an.

Screenshot twitter.com

Kernkraft in Eigenregie setzt Änderung des Grundgesetzes voraus

Söder greift ein Thema auf, dass dieser Tage viele Menschen beschäftigt. Schließlich ist die Energieversorgung aktuell in aller Munde und der Atomausstieg ein seit einem Jahrzehnt geplantes Projekt. Eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey für die Augsburger Allgemeine zeigt zudem: Mit 53 Prozent stimmt die Mehrheit der Deutschen sowie die Mehrheit der Bayer:innen Söders Vorstoß zu.

Sie halten es für sinnvoll, dass Bundesländer die Atomkraftwerke in Eigenverantwortung weiterbetreiben. Dass das so einfach gar nicht ist, verschweigt Söder den potenziellen Wähler:innen. Denn um seine kühnen Ideen umzusetzen, bedarf es zunächst einer Gesetzesänderung im Grundgesetz. Aktuell führen die Länder das Atomgesetz in Bundesauftragsverwaltung aus. Das könnte sich nur mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat – und damit so schnell wohl nicht – ändern.

Keine Brennstäbe, keine Zulassung, kein Endlager – Söders Forderungen sind Träumereien!

Die Änderung des Grundgesetzes ist aber bei weitem nicht alles, was Söders Vorschlag im Weg steht. Sollte es tatsächlich zu einer unwahrscheinlichen Einigung zu Kernkraft in Eigenregie kommen, könnte der Reaktor längst noch nicht wieder in Betrieb genommen werden. Stattdessen müsste dieser zunächst neu zugelassen werden. Dafür müssten aber neue Brennstäbe geliefert, die Systeme gewartet und überprüft werden. Wie er diese Probleme lösen möchte, sagt Markus Söder nicht. Es ist, schlicht und einfach, zu spät, um mal eben die erneute Inbetriebnahme zu fordern. Bestünde wirkliches Interesse daran, weiterhin Kernkraft zu nutzen, so hätte all das bereits 2019 in die Wege geleitet werden müssen – zu einer Zeit, als CDU, SPD und auch Söders CSU das Sagen hatten. Aber noch bis Anfang 2022 forderte das niemand, auch im Wahlkampf war das nicht Forderung dieser Parteien.

Zu guter Letzt macht sich Söders Unvermögen, seine Atomkraft-Forderung in die Tat umzusetzen, auch in der Debatte um ein Atommüll-Endlager bemerkbar. Wäre Söder wirklich so interessiert daran, Energie durch Atomkraft herzustellen, würde er sich wohl etwas mehr um ein Atommüll-Endlager bemühen. Denn danach wird weiterhin händeringend gesucht. Und während Söder fröhlich über die Ampel-Koalition schimpft, ihr ein Energieversagen vorwirft und utopische Forderungen zur erneuten Inbetriebnahme der Atomkraftwerke stellt (nachdem diese längst runtergefahren wurden), ist er strikt gegen ein Atommüll-Endlager in Bayern. „Wir haben gute fachliche Argumente, die dagegen sprechen“, so der CSU-Parteichef.

Kernkraft soll von Söders Defiziten ablenken

Warum also macht Söder die Kernkraft zu seinem Thema, wo doch der Zug offensichtlich schon längst abgefahren ist? Politikberater und Autor Erik Flügge hat da eine Theorie. „Es ist ein ganz alter Trick in der politischen Strategie“, schreibt er auf Facebook. „Wenn man regiert und ein paar offene Flanken hat, dann muss man ein so lautes Getöse zu einem unsinnigen Thema anstimmen, dass jede Kritik an der eigenen Regierungsarbeit untergeht“.

Screenshot facebook.com

Das laute Getöse: Die Forderungen rund um Atomkraft. Die offenen Flanken: Laut Flügge reichen sie von bayerischen Unterrichtsausfällen über den Mangel an Pflegekräften bis hin zum ungelösten Anschluss des Brenner-Basistunnels an das deutsche Bahnnetz. Und besonders relevant: Der „lange verschlafene Ausbau der erneuerbaren Energien“. Denn während Söder diesen der Bundesregierung in die Schuhe schieben will – à la „Der Bund verweigert sich, die süddeutsche Energieversorgung ernst zu nehmen“ – war er selbst „nicht bekannt dafür, das voranzubringen“, wie der Fraktionsvorsitzende der Grünen im bayerischen Landtag, Ludwig Hartmann, dem BR sagte. Söder war bis 2018 bayerischer Finanzminister, seitdem ist er Ministerpräsident. An politischer Macht hat es ihm also nicht gefehlt.

Zum einen ist es wichtig zu wissen, dass Söder 2011 selbst auf dem Atomausstieg beharrt hat. Der 15.04.2023 kommt nicht von ungefähr – Söder und die CSU haben dem Ausstieg den Weg bereitet. Er drohte damals sogar mit seinem Rücktritt, wenn Deutschland nicht 2022 aus der Atomkraft bis 2022 aussteigt. Die Süddeutsche Zeitung titelte von einer „Kernschmelze im Kabinett„:

Screenshot sueddeutsche.de, Bearbeitung Volksverpetzer

Isar 1 schaltete Söder stolz noch selbst ab, Isar 2 will er sogar dann weiterbetreiben, wenn es quasi utopisch ist. Für seine unvorhersehbaren Wechsel der Position wurde er auch aus der FDP kritisiert, die auch eine Verlängerung der Laufzeiten zuletzt befürwortete. Generalsekretär Djir-Sarai: „Bis ein Gesetz zur Föderalisierung der Stromerzeugung aus Kernenergie beschlossen wäre, hätte er seine Meinung vermutlich wieder geändert.“

Süddeutsche Energieversorgung

Zum anderen kommen Söders Bemühungen um derartige süddeutsche Energieversorgung quasi aus heiterem Himmel. Zumindest hat er sich 2014 wenig darum geschert, als es darum ging, durch Stromtrassen den Transport von Energie zu ermöglichen. Damals hielt er es für eine „gute Idee“, die Stromnetzwerke zu blockieren.

Und heute? Der Wahlkampf steht ins Haus und Söder stürzt sich, frei nach dem Motto ‚Angriff ist die beste Verteidigung‘, auf die Bundesregierung. Denn wenn man ganz häufig wahrheitswidrig betont, dass die Ampel-Koalition für die ausbleibenden Bemühungen um die süddeutsche Energieversorgung verantwortlich sei, kommt ja vielleicht keiner dahinter, dass auch Markus Söder sie eigentlich selbst jahrelang verschlafen hat.

Fazit: Markus Söder betreibt Wahlkampf durch Ablenkungsmanöver

Sicherlich rechnet Söder selbst nicht damit, dass Bayern die Atomkraftwerke tatsächlich in Eigenregie weiterbetreiben kann – schließlich ist das Szenario alles andere als realistisch, wie wir gesehen haben. Aber womöglich eignet sich das Thema gerade deshalb so gut für seinen Wahlkampf: Er hat die Mehrheitsmeinung in Bayern auf seiner Seite und muss letztlich gar nichts tun, außer kühne Sprüche zu klopfen und die Ampel-Koalition für seine eigenen Defizite verantwortlich zu machen. Politischen Opportunismus betreibt aktuell vielleicht kaum jemand so brachial wie Markus Söder.

Die Augsburger Allgemeine Zeitung kommentiert dazu, Söder mache „derart offensichtlichen Populismus, dass man sich schon fragen muss, wie plump Wahlkampf sein darf, ohne wie eine Beleidigung der Bevölkerung zu wirken.“

Man muss also Söders Kernkraft-Thematik nicht wirklich ernst nehmen, er kann es auch nicht ernst meinen. Hinterfragt kritisch, was die wirkliche Wurzel der aktuellen Probleme in Bayern ist und informiert euch selbst darüber, inwieweit Söder selbst möglicherweise einen Anteil daran hat. Interessant sind die Dinge, über die Herr Söder nicht redet. Wie Flügge schon schreibt: „Es handelt sich […] um eine große Ablenkung.“

Übrigens ist die Atomkraft bei weitem nicht das einzige belanglose Thema, aus dem Söder einen künstlichen „Skandal“ erschafft. Wer erinnert sich noch an das absurde Theater, als „Winnetou“ von ARD zu ZDF wechselte?

Artikelbild: Afelix Hörhager/dpa; Screenshot sueddeutsche.com; canva.com

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