Petitionen sind viel Aufwand und bringen nichts? Da bin ich andrer Meinung.
Zusammen mit dem Akkudoktor, anderen YouTubern und Solaraktivisit:innen hatte ich im Februar eine Petition für die Vereinfachung von Steckersolargeräten gestartet. Obwohl uns die Bundestagsverwaltung einige Hürden in den Weg legte, war die Petition am Ende erfolgreich:
Dank intensiver Arbeit und Werbung auf Twitter, YouTube, Mastodon und irgendwann auch in den „normalen“ Medien, hatte die Petition am Ende über 100.000 Unterschriften. Es war die 9. größte Petition auf der Plattform des Bundestags überhaupt und hat inzwischen dazu geführt, dass das Bundeskabinett mit dem Solarpaket 1 eine Kabinettsvorlage beschlossen hat, die schon einen Teil der Forderungen erledigt.
Das Justizministerium hat auch schon einen Referentenentwurf für die Änderungen im Mietrecht und Wohnungseigentumsgesetz vorgestellt.
In den zahlreichen Gesprächen, die unsere Petitionsgruppe geführt hat, kam auch immer wieder von Politiker:innen, die die Forderungen gut fanden, der Hinweis, wie wichtig diese Petition gewesen sei, um das gemeinsame Anliegen zu unterstützen. Weil sie dadurch gegenüber ihren Kollegen in der Fraktion und in der Koalition auf eine mächtige Argumentationshilfe verweisen konnten.
Daher: Petitionen bringen was!
Auch wenn man wenig von ihnen hört. Oder habt ihr mitbekommen, dass der 18-Jährige FSJler aus der Notaufnahme in Freiburg zusammen mit seinen Kollegen über 100.000 Unterschriften gesammelt hat, gegen geplante Kürzungen bei Freiwilligendiensten? Ne? Ich auch erst als die Petition fertig war und es im Lokalteil (!) der Zeitung stand!
Aber wie führt man sein Anliegen mit Hilfe von Petition zum Ziel? Wir hatten Glück: Es gab ein verständliches Anliegen (Balkonsolar einfacher machen), das viele Menschen betraf (denen die Vermieter es verweigerten) und es gab eine klare Stelle, die etwas ändern konnte (der Bundestag). Das ist aber noch nicht alles: Wir hatten auch Politiker:innen auf unserer Seite, die unsere Anliegen unterstützen und man konnte einfach online sammeln.
So war das schon mal bei einer Petition, die ich gestartet hatte: 2013 hatte ich und einige Mitstreitender:innen offline (!) über 2000 Unterschriften für gesetzliche Vorgaben zur Beteiligung von Kindern und Jugendlichen gesammelt. Das waren nicht sehr viele Unterschriften für ein Bundesland wie Baden-Württemberg, aber es gab eine Reihe von Politiker:innen, die das auch wollten und so wurde es dann Gesetz.
Deshalb hier meine Tipps für eine erfolgreiche Petition:
- Überlegt euch: Ist eine Petition das geeignete Mittel? Oder wäre eine andere Form um sich einzubringen: Demo, Brief an Politiker:innen, Fragen stellen, fragdenstaat.de oder einfach nur ein Pressegespräch, auch eine Möglichkeit?
- Nutzt die offiziellen Petitionsplattformen des Bundestags (https://epetitionen.bundestag.de/) oder der Landtage. Denn: Nur wer hier seine Petition einreicht, mit der müssen sich “die Politiker” auch über einen Fototermin hinaus beschäftigen. Ab 50.000 Unterschriften wird man sogar in den Bundestag eingeladen und hat 45 min Zeit seine Forderungen vorzustellen.
- Gegenüber den kommerziellen Plattformen hat man auch den Vorteil, dass hier keine Sammlung der Daten bzw. E-Mail Adressen betrieben wird.
- Petition unterzeichnen oder beginnen, darf jeder Einwohner:in, man muss dazu kein deutscher Staatsbürger sein.
- Auf der lokalen Ebene nutzt das Instrument der “Bürgeranträge”. In Baden-Württemberg muss sich der Gemeinderat mit einem Anliegen befassen, wenn genug Einwohner:innen einen Text unterzeichnen. (https://beteiligungsportal.baden-wuerttemberg.de/de/informieren/moeglichkeiten/kommune/einwohnerantrag) Das ist erstmal ein ziemlicher Klopper: Der Bürgermeister muß Stellung beziehen, es wird Gemeinderäte geben die (strategisch oder nicht) auf den Zug aufspringen, die Presse wird berichten, Leute informieren sich. Das hat schon Wirkung, selbst wenn das Ganze nicht sofort beschlossen wird.
- Schaut auf eure Formulierung – was die Petition will, was die Leute unterschreiben, das steht im Text. Deshalb die Formulierung genau überdenken, auch am besten mit Verwaltungsleuten, Juristen und anderen durchsprechen. Überlegen, wie man das auslegen könnte, wenn man euch nicht wohl gesonnen ist.
- Sucht Verbündete – für eine erfolgreiche Petition muß man viele Menschen aktivieren und ansprechen, man muss viele erreichen und die dazu bringen auch zu unterzeichnen. Überlegt euch also schon vor dem Start und dem Einreichen, wer sich für eure Thesen auch noch interessieren könnte, wer sie gut findet und viele Menschen erreicht. Heutzutage ist das nicht mehr nur die klassiche Zeitung, sondern auch YouTuber, Twitter und Mastodon Accounts oder große Webseiten wie diese hier.
Und es gibt noch mehr Tipps:
- Aber es sollte nicht bei der Petition bleiben. Versucht gleichzeitig gezielt Politiker:innen anzusprechen, die sich mit dem Thema befassen. In der Regel haben Fraktionen Arbeitskreise und Sprecher, die zunächst zuständig sind und die fachlich Ahnung haben. Wenn ihr die überzeugt, habt ihr schon einen Fuß in der Tür. Dabei bringt es nichts mit der Einstellung hin zu gehen: “Bei der CDU sind eh alle blöd” oder “bei der FDP alles Kapitalisten”, sondern mich sachlichen Argumenten überzeugen, warum das was ihr wollt gut ist.
- Politiker:innen und ihre Mitarbeiter:innen, aber auch Journalisten freuen sich über kurze, knackige Infos. Am besten nicht mehr als zwei DIN A4 Seiten, gut gegliedert, besser Stichpunkte als Romane, auch die haben viel zu tun.
- Betreibt Öffentlichkeitsarbeit, am besten habt ihr eine kleine Website und ein paar Angebote in gängigen sozialen Medien, auf denen ihr informiert. Denkt beim Schreiben: Die Leute sind nicht im Thema, auch nicht die Journalisten:innen, denen ihr das erklärt.
- Sammelt offline und online. Gerade ältere Leute haben es mit dem Internet nicht so, daher sollte es auch immer eine Möglichkeit geben offline zu sammeln und auch Unterschriften Bögen zum online sammeln herunterzuladen.
- Um “in die Zeitung” zu kommen, hilft es sog. “Pseudoevents” zu veranstalten. Die Presse will immer über etwas berichten. Gerade auf dem Land ist vielleicht gar nicht so viel los. Berichtet wird immer über Dinge die passieren. Allerdings ist die Nachricht: “Gruppe X hat nun angefangen Unterschriften zu sammeln”, wenig spannend. Allerdings die Nachricht: “Mit einer symbolischen ersten Unterschrift und einem Stand auf dem Marktplatz hat die Gruppe X, angefangen Unterschriften zu sammeln…”, schon eher etwas, was in die Zeitung kommt.
Artikelbild: shutterstock/Canva
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