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Was die Correctiv-Recherche mit Lokalsender „tv Berlin“ zu tun hat

Als Correctiv seine Recherche über das rechte Geheimtreffen am Stadtrand von Potsdam veröffentlichte, hörten viele den Namen Silke Schröder zum ersten Mal. Die Berliner Immobilienmaklerin, damals noch Vorstandsmitglied des Vereins deutsche Sprache (VDS), war im November mit dabei, als sich Neonazis und AfD-Politiker, aber auch Mitglieder der CDU und der erzkonservativen Werte-Union trafen, um ihre Pläne zur „Remigration“ zu erörtern, zur massenhaften Ausbürgerung von Menschen aus Deutschland, sowohl solchen ohne deutschen Pass, aber auch von deutschen Staatsbürger:innen. Sie habe als Privatperson eine Privatveranstaltung besucht, bestätigte Schröder damals ihre Teilnahme.

Keine Unbekannte war Silke Schröder bereits zuvor für Stammzuschauer:innen eines lokalen Berliner Fernsehsenders: bei tv Berlin firmiert oder firmierte sie seit Jahren als Gastgeberin eines Talkformats namens „Politicum“. Gäste in ihrer zuletzt Ende 2023 ausgestrahlten Sendung waren dort unter anderem der ehemalige SPD-Politiker Thilo Sarrazin, dessen Botschaft sie unter der Überschrift „Die Wahrheit ist überparteilich“ verbreitete, der TV-Moderator Peter Hahne, Ex-Geheimdienstchef Hans-Georg Maaßen, die Pegida-nahe Dresdner Buchhändlerin Susanne Dagen oder auch die brandenburgische CDU-Politikerin Saskia Ludwig.

Rechtes Netzwerk, rechte Narrative

Botschaft und Masche all dieser Sendungen ähneln sich: Genährt wird die Verschwörungserzählung, nach der man in Deutschland fast nichts mehr sagen dürfe, laut der eine „Sprachpolizei“ alles mit einer „Nazi-Keule“ erschlage. So lief es auch im September 2022, als Silke Schröder den Chefredakteur des rechten österreichischen TV-Senders Auf 1, Stefan Magnet, in die Sendung holte. 38 Minuten lang durfte sich Magnet in einem gefälligen Gespräch ausbreiten, Schröder und er spielten sich die Bälle zu: Es war die Rede von „manipulativen Berichten in öffentlich-rechtlichen Medien“, Stimmung wurde gemacht gegen sogenannte „Mainstreammedien“, das temporäre Verbot von RT in der EU wurde „Zensur“ genannt.

Doch nicht nur in ihrer eigenen Talkshow stand Silke Schröder bei tv Berlin regelmäßig vor der Kamera. Immer wieder ließ sie sich auch von Roland Tichy für dessen Sendung „Tichys Ausblick“ ins Studio des Lokalsenders einladen, im Mai 2021 diskutierte sie dort zusammen mit Maaßen und dem nach rechts abgedrifteten sächsischen Kabarettisten Uwe Steimle.

Alles passt hier zusammen, es ist eine braune Soße: Schröder ist auch Kolumnistin des AfD-nahen „Deutschland-Kuriers“, eine Rolle, die sie teilt unter anderem mit Maximilian Krah, dem Spitzenkandidaten der AfD bei der Europawahl, und dem ultrarechten bayerischen AfD-Bundestagsabgeordneten Petr Bystron. Neun Tage vor dem von Correctiv enthüllten Geheimtreffen in Potsdam überschrieb Schröder ihre Wochenrückblick-Kolumne für den „Deutschland-Kurier“ mit den Worten „Remigration oder Islamisierung – Europa am Scheideweg“ – und gab damit ein Stichwort für die Diskussion in dem Gästehaus am Potsdamer Lehnitzsee.

Scharnier zwischen bürgerlicher Mitte und der extremen Rechten

Schröder nimmt so eine Scharnierfunktion ein zwischen bürgerlicher Mitte und der extremen Rechten – und der Lokalsender tv Berlin spielt dabei sehr systematisch mit. Auch andere folgen dort dem diesem Konzept, zum Beispiel der ehemalige Berliner CDU-Landeschef und frühere Innensenator Frank Henkel, der vor wenigen Tagen in einem „tv.berlin Spezial“ Ex-Verfassungsschützer Maaßen als Bundesvorsitzenden der Werte-Union dessen Pläne für eine Parteigründung vorstellen ließ. Zwar halte er den thüringischen AfD-Chef Björn Höcke für „denkbar schwierig“ und sehe, dass er in der Öffentlichkeit „als Radikaler hingestellt“ werde, sagte Maaßen im Interview mit Henkel. Dennoch werbe er für Gespräche mit allen – also auch mit Höcke: „Ich halte Brandmauern für undemokratisch.“

Auch der Sender tv Berlin kennt also offenkundig keine Brandmauer nach rechts. Das zeigt sich nicht nur mit Blick auf Silke Schröder, sondern beispielsweise auch an einer weiteren Personalie: Frank Wahlig. Der ehemalige ARD-Hauptstadtreporter ist regelmäßig in Talkrunden bei tv Berlin zu Gast. Aber das in seiner neuen Rolle als „Hauptstadtkorrespondent“ des AfD-nahen Kanals Kontrafunk, eines Parallelmediums mit Sitz in der Schweiz. Wahligs Mission zu den Demonstrationen gegen rechts in Deutschland: Dort versammele sich ein „komisches Sammelsurium“, es werde angefeuert aus einem linksradikalen und einem klerikalen Lager, ähnlich wie bei Fürbitten in einem Gottesdienst würden bei den Demonstration-Parolen skandiert, um „die Opposition im Bundestag“ zu dämonisieren und zu verdammen. „Man hat den Eindruck, dieses Volk wird hysterisch“, fasste Wahlig vor wenigen Tagen bei Kontrafunk seine Haltung zusammen.

„Sprachrohr für Impfskeptikerinnen, Maßnahmen-Gegner und AfD-Anhänger“

Betreiber des 2022 begründeten Internetradios Kontrafunk ist Burkhard Müller-Ulrich, der früher unter anderem für den Deutschlandfunk und den Südwestrundfunk tätig war, sich aber ebenso wie Wahlig mit den öffentlich-rechtlichen Medien überworfen hat. Auf der Plattform X stellt sich das AfD-Mitglied Müller-Ulrich vor als „Dieselfahrer, Waffenbesitzer, Vielfahrer“. Die Schweizer Zeitung „Blick“ beschrieb den Internetsender zur Gründung 2022 als „Sprachrohr für Impfskeptikerinnen, Maßnahmen-Gegner und AfD-Anhänger“. Kontrafunk war gerade 30 Stunden online, als der rechtsextreme AfD-Politiker Höcke den Sender auf Twitter als „echte Alternative“ zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk und „Radio des bürgerlichen Widerstands“ lobte. Zufall oder nicht: Spenden sammelt Kontrafunk auf einem Konto bei der Volksbank Pirna – einem Geldinstitut, bei dem auch das Bündnis Sahra Wagenknecht und russische Staatsmedien ihre Konten haben.

Nach der Debatte um das von Correctiv enthüllte Treffen mit Rechtsextremist:innen kam Silke Schröder ihrem Ausschluss aus dem Verein Deutsche Sprache zuvor, indem sie von ihrem Vorstandsamt zurücktrat und den Verband verließ. Sie selbst nannte die Recherche von Correctiv „faktenbefreit“ und sprach von einer „Schmierenkampagne“. Müller-Ulrich setzte in einem Kommentar auf Kontrafunk noch einen drauf und nannte die Distanzierung des VDS von Schröder „eine Säuberung“ aus „Angst vor dem tobenden Mob“, der Verband habe sich „sozialistischen Regierungskampftruppe Correctiv“ und einer „linken Blase“ gebeugt. So wäscht eine Hand die andere.

Und tv Berlin, wie sieht der Lokalsender seine Bestimmung in diesem Netzwerk?

Welche Rolle spielen Reichweite und Einschaltquote bei der Auswahl der Gäste und Moderator:innen – selbst wenn oder gar weil sie extrem rechts sind? Der Chefredakteur des Senders, Dursun Yigit, beschrieb seinen Kanal 2021 als „Infotainment-Sender“, mithin als „gute Mischung“ aus Information und Entertainment. Fragen jetzt zur Rolle etwa von Silke Schröder und Frank Wahlig, die sich in seinem Programm als Türöffner nach rechts betätigen, lässt er unbeantwortet. Die Videos der Talks mit Schröder und Wahlig sind weiterhin auf dem YouTube-Kanal von tv Berlin sowie teilweise auch beim Lokalsender Hamburg 1 zu finden, mit dem tv Berlin wirtschaftlich verbunden ist. Allerdings nahm tv Berlin die Sendungen von Schröders Talkformat „Politicum“ aus der eigenen Mediathek. „Diese Rubrik hat zurzeit keine Nachrichten“, heißt es dort aktuell. Sollte das als Distanzierung gemeint sein, wäre sie klammheimlich erfolgt.

Die Sprecherin der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (mabb), Anneke Plaß, sagte dem Volksverpetzer: „Die mabb sichtet im Rahmen ihrer Zuständigkeit kontinuierlich Angebote mit Sitz in Berlin und Brandenburg, führt Schwerpunktanalysen durch und reagiert auf Beschwerden aus der Bevölkerung.“ Programmbeschwerden wegen der Auftritte von Menschen aus dem rechtsradikalen Milieu in den Sendungen von tv Berlin lägen der mabb bisher nicht vor.

Artikelbild: tilialucida

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