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Wie der Bundestag versuchte, diese Petition zu zensieren

Unser Gastautor Sebastian Müller berichtete bereits im Juli 2022 über Balkonsolar – wie man sich einfach selbst eine Solaranlage auf den Balkon stellen kann und selbst Strom produzieren. Allerdings steckt dahinter leider ein kompliziertes Anmeldeprocedere – sowohl beim lokalen Stromnetzbetreiber, der häufig noch unnötige Hürden in den Weg stellt, als auch bei der Bundesnetzagentur – und das hat viele abgeschreckt. Nun gibt es nun eine Petition an den Bundestag, um das zu vereinfachen, die allerdings vom Bundestag fast blockiert worden wäre. Wir erklären, warum.

Derzeit tut sich, nachdem die auch die Union jahrelang einen Umstieg auf erneuerbare Energien gebremst hat, viel. Das Team im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz startet durch und hat nach dem Osterpaket letztes Jahr nun auch den Entwurf für eine Photovoltaik-Strategie [PDF] vorgelegt. Außerdem gibt es mittlerweile auch schon Vorschläge für eine „Windenergie-an-Land-Strategie [PDF]“. Das ist eine positive Entwicklung.

Der Ursprung einer Petition zum Balkonsolar

Doch nicht jeder gute Vorschlag wird auch umgesetzt oder gut umgesetzt. Bei eines geht es um den Balkonsolar. Wer einen Balkon oder eine Terrasse hat, kann sich theoretisch eine eigene kleine Solaranlage darauf aufstellen – und so klimafreundlich einfach selbst Strom erzeugen und seine Stromrechnung verringern. Wie das geht und was das bringt, habe ich hier bereits einmal erklärt:

Doch dafür gibt es im Grunde genommen noch diverse rechtliche Hürden, die erleichtert werden können. Dafür hat der YouTuber „Akku Doktor“ – in der realen Welt Dr.-Ing. Andreas Schmitz – zusammen mit dem „Balkon Solar Verein“, mit „Klimaschutz im Bundestag e.V.“ und vielen anderen eine Petition an den Bundestag eingereicht, um sicherzugehen, dass einige der Hürden gesenkt werden. Dr. Andreas Schmitz sagt dazu:

„Wir wollten alles richtig machen. Man kann viele Plattformen nutzen, aber nur Petitionen auf der vom Bundestag extra dafür eingerichteten Plattform https://epetitionen.bundestag.de/ werden auch auf jeden Fall vom Petitionsausschuss behandelt. Wenn man mehr als 50.000 Unterzeichner hat, wird man auch eingeladen und darf direkt vor dem Ausschuss vortragen und Fragen beantworten.“

Das Bündnis, dem auch der Autor dieses Artikels angehört, versuchte in die maximal 3000 Zeichen alle notwendigen Gesetzesänderungen bzw. technischen Details einzubringen. Hilfreich war dabei, dass die technischen Aspekte auf dem Positionspapier des VDE (Verband der Elektrotechnik, Elektronik, Informationstechnik) beruhen.

Petition sollte starten, doch Bundestagsverwaltung blockiert

Schließlich hatten wir den Text erstellt und diesen am 17.2.23 auf der Plattform des Bundestags eingetragen. Laut Website muss man dann drei Wochen warten, in denen der Bundestag die Petition prüft. Das sei auch sinnvoll, nicht für jedes Thema ist der Bundestag zuständig und man will ja auch keine Petition online haben, bei der jemand beschimpft wird oder dergleichen.

Dann meldete sich die zuständige Referatsleiterin bei Andreas Schmitz am Telefon. Man würde gerne den Teil mit der Änderung des Wohneigentumsgesetz §20 herausnehmen, da gäbe es schon eine Petition und die sei schon „im Verfahren“ und sowieso sei das eigentlich nicht üblich, gleich zwei Gesetze pro Petition zu ändern. Die Begründung dahinter war, dass ein:e Unterzeichner:in ja nicht wählen kann, welchem Punkt sie zustimmen möchte. Diesen Kritikpunkt fanden wir seltsam, da die Unterzeichnerin ja durchaus entscheiden kann, ob sie unterschreiben möchte oder nicht. Im Zweifel könnte sie ja auch selbst eine eigene Petition starten.

Im Bündnis recherchierten wir, was denn diese zweite Petition eigentlich war. Es stellte sich heraus: Es gab eine Petition „Umwandlung von Rasenflächen in insektenfreundliche Wildblumenwiesen“, vom 09.06.2021. Zum Zeitpunkt des Einreichens der Balkonsolarpetition konnte man sie schon seit 600 Tagen nicht mehr unterzeichnen. Die Petition hatte 82 Mitzeichnende (!) und deren Status ist immer noch „in Prüfung“. 

Die zuständige Referatsleiterin zeigte sich auf unsere Kritik hin verständnisvoll, da sich das Anliegen „Vereinfachung von Balkonsolaranlagen“ inhaltlich doch stark von den Wildblumen unterscheidet. Nach Rücksprache mit ihren Vorgesetzten kam dann aber trotzdem die letztendliche Ablehnung.

Petitionsrecht ist Grundrecht

Um zu zeigen, warum die aus unserer Sicht willkürliche Behinderung einer Petition so problematisch ist, hier eine ganz kurze juristische Einordnung. Das Formulieren von Bitten und Beschwerden in Form von einer Petition ist in Deutschland nicht etwa ein großzügiges Zugeständnis, an das sich die Verwaltung halten kann, wenn sie es möchte. Nein, das Petitionsrecht gilt in unserem Rechtssystem als ein derart hohes Gut, dass es sogar einen eigenen Artikel in den Grundrechten bekommen hat. In Artikel 17 des Grundgesetzes heißt es nämlich:

Jedermann hat das Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die Volksvertretung zu wenden.

Art. 17 GG

Petitionen abzulehnen sollte also, wenn überhaupt, nur aus wirklich guten Gründen geschehen. Diese sahen wir nicht als gegeben an. Das Bündnis hinter der Petition beriet sich also mit Rechtsanwälten, Mitglieder vom Verein „Klimaschutz im Bundestag“ kontaktierten sogar Abgeordnete und deren Büros.

Schnell wurde klar: Dieses Vorgehen der Bundestagsverwaltung war nicht haltbar und die Argumentation willkürlich. Dass wir in unserer Petition Änderungen an verschiedenen Gesetzen fordern, ist doch keineswegs etwas Schlimmes. Es liegt vielmehr in der Natur der Sache, dass lebensweltlich zusammenhängende Tatsachen in unterschiedlichen Rechtsgebieten und Gesetzen, teils sogar mit unterschiedlichen Gesetzgebern, geregelt sind. So gesehen bestraft die Verwaltung sogar fleißige Petenten, die sich gut vorbereitet und detailliert dargelegt haben, was genau sie wollen. Mit dieser Petition, die sich auf mehrere Paragrafen bezieht, nahmen wir den Abgeordneten ja sogar Arbeit ab. 

Das Petitionsrecht ist wie gesagt keine Gnade des Bundestags, sondern ein Grundrecht und aus diesem resultiert auch die ordnungsgemäße Behandlung einer Petition, insbesondere auch die unverfälschte Entgegennahme. 

Zulassung erst nach öffentlichem Druck

Über mehrere Bundestagsabgeordnete unterschiedlicher Parteien übten die Petenten also Druck auf die Bundestagsverwaltung aus. Sie berieten sich mit ihren Partnern, ob man vielleicht eine andere Plattform nutzen sollte. 

Um diese Frage mit der Community zu klären, startete Andreas Schmitz eine Online Umfrage auf seinem YouTube-Kanal @akkudoktor. Es ging darum, welche andere Petitionsplattform noch infrage kommt. Allerdings gab es von der Community sehr starken Widerstand gegenüber anderen Petitionsplattformen. Eine mögliche Zusammenarbeit mit der deutschen Umwelthilfe wurde teilweise mit Beleidigungen und Drohungen beantwortet. 

Plötzlich kam ein Anruf aus dem zuständigen Arbeitskreis der SPD Bundestagsfraktion, ja die Petition könne unverändert online gehen, das habe man jetzt geklärt. Das sei halt auch eine Verwaltung, die denke in Referaten und wenn eine Petition zwei Referate berühre, dann wolle sie das nicht.

Schön und gut, aber was ist dann eigentlich mit Leuten, die ein Anliegen haben und nicht von großen Organisationen unterstützt werden, die keine Rechtsanwälte haben oder Kontakte: Bei wie vielen wurde da in den letzten Jahren vom Bundestag die Petition verändert?

Die Forderungen der Petition

Dabei sind die Forderungen des Bündnisses weder revolutionär noch irgendwie anrüchig. Es handelt sich um Dinge, die schon lange diskutiert wurden, aber unter anderem im FDP geführten Justizministerium auf die lange Bank geschoben wurden. Simone Herpich, Vorstand des Balkonsolar-Vereins und Klimawissenschaftlerin, sagt dazu:

“Aus unserer Beratungsarbeit und zahlreichen Anfragen wissen wir, dass es zwei weitere Hürden gibt. Viele Eigentümergemeinschaften verbieten aus optischen oder anderen nicht nachvollziehbaren Gründen die Montage. Teils geht es sogar so weit, dass unwissenschaftliche Behauptungen wie esoterische Einwände im Weg stehen. Das blockiert die Energiewende. Deshalb fordern wir, dass Steckersolar-Geräte so wie auch das Aufstellen von Wallboxen gesetzlich unterstützt werden.”

Konkret bedeutet das etwa gesetzliche Vereinfachungen im §20 des Wohnungseigentumsgesetzes. Dort werden bisher schon Glasfaseranschlüsse und Wallboxen so privilegiert, dass sie die Wohnungseigentümer:innen Gemeinschaft nicht verhindern kann und man sich schon lange fragen muss, warum gibt es diese Privilegien nicht auch für Balkonsolargeräte? Offenbar fragen sich das mittlerweile sogar die Justizminister der Länder, wie man in dieser Empfehlung für den Bundesrat [PDF] erkennen kann.

Eine andere vorgeschlagene Gesetzesänderung bezieht sich auf den §554 Abs. 1 BGB. Dabei geht es im Grunde um die gleiche Vereinfachung, nur für Menschen, die zur Miete wohnen.

Dazu kommen noch weitere Vereinfachungen, die der VDE vorgeschlagen hatte:

  1. Leistungsgrenze von 800W statt 600W, wie bereits in der restlichen EU. 
  2. Ein anstehender Zählertausch darf kein Ablehnungsgrund für ein geplantes Steckersolar-Gerät sein. Als Übergangslösung sollen also auch “rückwärts drehende Zähler” erlaubt werden.
  3. Vereinfachte Anmeldung und Inbetriebsetzung, die nur noch an einer Stelle und nicht wie bisher an zwei erfolgen soll. 
  4. Duldung des Schuko-Steckers.

Wer sich für die konkreten Vorschläge und Forderungen interessiert, kann auch hier nachlesen. All das sind Dinge, die unserer Ansicht nach das Aufstellen eines eigenen Balkonsolars vereinfachen. Damit vielleicht auch du dir deinen Strom selbst machen kannst.

Fazit

Weitere Berichte zu den hohen Hürden, die es nach wie vor im Genehmigungsverfahren gibt, findet ihr zum Beispiel in diesem Artikel, der sich mit (nicht) erteilten Genehmigungen durch Hamburger Wohnungsbaugenossenschaften beschäftigt oder auch im taz-Beitrag zur Energiewende in Hamburg.

Wir reden hier also bei dieser Petition, die Teile der Bundestagsverwaltung offenbar blockieren oder verschleppen wollten, nicht von radikalen Umsturzversuchen, sondern relativ kleinen Gesetzesänderungen. Diese könnten allerdings bei der Installation von Balkonsolarkraftwerken zu einer Vereinfachung der rechtlichen Situation für alle beitragen.

Wenn ihr euch genauer über die inhaltlichen und rechtlichen Fragen informieren wollte oder den Stand der Petition verfolgen möchtet, findet ihr hier den Link zur Petition. Und wenn ihr mehr über das Thema Balkonsolarkraftwerke erfahren wollt, empfehlen wir euch noch mal den Artikel zum Thema vom Autor dieses Beitrags:

Artikelbild: Astrid Gast

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