Vanessa Behrendt wünscht ihren Followern auf Instagram mit diesem Bild einen „Frohen Stolzmonat“ und hetzt gegen den Pride Month.
(Quelle: Screenshot und Canva)
Im Namen des „Kinderschutzes“ hetzt die AfD-Politikerin Vanessa Behrendt gezielt gegen queere Menschen und verbreitet Desinformation. Dabei nutzt die niedersächsische Landtagsabgeordnete ihre Rolle als Mutter und Landtagsabgeordnete, um rechtsextreme Narrative salonfähig zu machen. Ihr sogenannter „Kinderschutzkongress“ vom vergangenen Wochenende zeigt: Es geht nicht um Kinder, sondern um rechte Mobilisierung gegen Vielfalt.
Familienpolitik von Rechts: Wer ist Vanessa Behrendt?
Im Oktober 2022 wird Behrendt für die AfD in den niedersächsischen Landtag gewählt. Fortan übernimmt sie innerhalb der Landtagsfraktion die Rolle der „familien- und frauenpolitischen Sprecherin“. Bereits auf der eigenen Website hebt Behrendt ihr vermeintliches Hauptanliegen hervor. Dort sticht in Großschrift direkt ins Auge: „Familie, Wahrheit, Mut. Für unsere Kinder“.
Den vermeintlichen Kinderschutz wollte die 41-jährige Mutter dann gemeinsam mit ihrer Fraktion in die Tat umsetzen – beginnend bei den niedersächsischen Kindergärten: Im September 2023 brachte die AfD Landtagsfraktion auf Initiative von Behrendt einen Antrag zur Abschaffung von Sexualaufklärung an niedersächsischen Kitas ein.
Ermittlungen wegen des Verdachts der Volksverhetzung
Die altersgerechte frühkindliche Aufklärung und inklusive Persönlichkeitsentwicklung sieht die Fraktion als Ursache für Missbrauchsvorfälle. Der Antrag wurde später vom Landtag abgelehnt.
Besonders engagiert ist Behrendt auf der Plattform X (vormals Twitter), wo sie regelmäßig queerfeindliche Narrative verbreitet. Dort zählt sie zu einem der einflussreichsten AfD-Profile mit regelmäßigen Posts mit bis zu hunderttausenden Impressionen. Ihre Posts könnten jetzt Konsequenzen mit sich ziehen.
Nach anonymer Strafanzeige ermittelt die Staatsanwaltschaft Göttingen gegen Behrendt wegen des Verdachts der Volksverhetzung. Grund dafür ist ein Post, in dem sie die Regenbogenfahne – eigentlich das Zeichen für Toleranz und Vielfalt – als Symbol für „Machenschaften pädophiler Lobbygruppen“ diffamiert. Erneut im Namen des Kinderschutzes. So behauptet Behrendt, dass Kinder durch „LGBTQ-Propaganda“ und durch Transsexualität bedrängt werden würden oder, dass „fremde Männer“ mit Kindern „kuscheln“ und „rangeln“ würden. Darunter ein Bild mit der Deutschlandfahne und der Regenbogenflagge – nur Schwarz, Rot, Gold seien ihre Farben.
Quellen nennt die Landtagsabgeordnete für ihre Behauptungen wie so häufig nicht. Außerdem lässt sie außer Acht, dass es bis heute keinen wissenschaftlichen Nachweis dafür gibt, dass altersgerechte Aufklärung über Transsexualität, Einfluss auf die Geschlechtsorientierung eines Kindes nimmt. Dennoch erreicht der Post über eine Million Menschen.
Einsichtig zeigt sich Behrendt nach vielfacher Kritik nicht. Ganz im Gegenteil: Im rechtspopulistischen Nachrichtenportal „Nius“ klagt sie über den Zustand der Meinungsfreiheit in Deutschland und sieht in dem Verfahren den Versuch, sie und ihre Partei einzuschüchtern.
Aktuell laufen gegen Behrendt weitere Ermittlungen – erneut wegen des Verdachts auf Volksverhetzung. Dieses Mal soll Behrendt eine Gruppe pädophiler pauschal als kriminell betitelt haben, obwohl die Betroffenen nach eigener Angabe ihre Neigung nicht ausleben. Außerdem soll sie die Adresse eines Mannes veröffentlicht haben, weshalb ihr ebenfalls gefährdendes Verbreiten personenbezogener Daten vorgeworfen wird.
Rechtsextremes Familientreffen: Der „Kinderschutzkongress“ in Hannover
Im vermeintlichen Namen der Kinder setzt Behrendt ihr Engagement während des Pride Months fort: Am 21. Juni rief die AfD-Landtagsfraktion zum sogenannten „Kinderschutzkongress“ in Hannover auf. Zu den Redner*innen zählten Beatrix von Storch (MdB) und Stephan Bothe (MdL), ebenfalls von der AfD. Auch Michelle Gollan, besser bekannt als „eingollan“ auf Social-Media, war eine der Gäst*innen.
Gemeinsam mit anderen AfD-nahen Influencer*innen prägt sie zum Beispiel durch Straßenumfragen und gezieltes Framing das ideologische Vorfeld der extremen Rechten. Für die AfD trat zudem Dennis Engelmann auf, der Vorsitzende des Kinderseelenschützer e.V. Nach scharfer Kritik teilte dieser zuvor mit, dass der Verein parteipolitisch unabhängig sei und man sich umfangreich kritisch mit der AfD Niedersachsen auseinandergesetzt habe. Dass eines der Themen auf dem Kongress „Gender-Propaganda“ war, begrüßt Engelmann. Unter „Gender-Propaganda“ verstehe er die „ideologisch motivierte Einflussnahme auf Kinder und Jugendliche“. Diese gefährde Kinder gesundheitlich und ermutige dazu, das Geschlecht entgegen biologischer Logik zu ändern.
Dass ein Großteil der auftretenden Redner*innen keine qualifizierte Expertise im Bereich des Kinderschutzes besitzt, passt ins Bild der parteipolitischen Instrumentalisierung durch die AfD. Das sah auch ein breites Bündnis aus Parteien, Jugendorganisationen und zivilgesellschaftlichen Initiativen so, die unter dem Motto „Unser Regenbogen bleibt bunt!“ zum Gegenprotest aufriefen.
Wie Kinder gegen Queerness instrumentalisiert werden
Behrendt übernimmt für ihre queerfeindliche Hetze ein klassisches Rollenbild in der Neuen Rechten, das die AfD zu nutzen weiß. In der Neuen Rechten gelten patriarchale Strukturen als unveränderbar. Daher haben Frauen typischerweise eine hervorgehobene Rolle im Hinblick auf Fürsorge und Kinderwohl. Behrendt betont dabei immer wieder selbst, dass sie Mutter sei und wie sehr ihr der Kinderschutz am Herzen liege, um so möglichst authentisch gegen die queere Community zu hetzen.
Die Landtagsabgeordnete nutzt bewusst das Verhalten einzelner, um eine gesamte Bewegung zu delegitimieren und einzuschüchtern. Dass queere Bewegungen wie der CSD sich klar gegen Pädophilie und sexuelle Darstellungen in der Öffentlichkeit positionieren, erwähnt Behrendt bewusst nicht.
Auch die immer wieder angebliche „Frühsexualisierung“ von Kindern, die zu Unsicherheiten im Geschlecht führen würden, entziehen sich jeglicher Realität. Ganz im Gegenteil sprechen Expert*innen davon, dass gerade altersgerechte und wissenschaftlich fundierte Sexualaufklärung Kinder stärken und Missbrauchsvorfälle vorbeugen würde. Die eigentliche Gefahr liegt in der Instrumentalisierung der Kinder und im Rechtsextremismus, nicht in der Vielfalt.
Dabei scheint besonders das konservativ-bürgerliche Lager für das Narrativ, dass es einen Zusammenhang zwischen Queerness und Pädophilie gebe, anschlussfähig zu sein: So behauptete zum Beispiel Friedrich Merz in einem Interview, dass er nichts gegen einen homosexuellen Bundeskanzler hätte, solange dieser sich im Rahmen des Gesetzes bewege und es nicht Kinder betreffe.
Die Hetze von Stimmungsmacher*innen wie Behrendt ist effektiv: Überall werden queere Menschen derzeit bedrängt, die Zahl queerfeindlicher Straftaten nimmt zu und rechtsextreme Gruppierungen rufen zu bundesweiten Protesten auf, um die queere Community einzuschüchtern. Gerade jetzt braucht es also Solidarität mit queeren Menschen – laut und sichtbar.