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Wutbauern: Was ist problematisch am Bauernprotest?

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Die Bauernproteste starten. Dabei geht es im Programm erstaunlich wenig um die Interessen der Landwirt*innen. Was sind die antidemokratischen Anteile dieser Protestbewegung?

Von Kira Ayyadi|

Die bundesweiten Bauernproteste starten erneut und könnten sich weiter radikalisieren.

(Quelle: picture alliance/dpa | Kay Nietfeld)

Es wird kälter in Deutschland, nicht nur gesellschaftlich, auch witterungsbedingt. Und das bedeutet, dass die Zeit der Bauernproteste startet. Bereits letztes Jahr fanden verhältnismäßig wenige Bäuer*innen, mit schwerem Gerät viel Raum in der Öffentlichkeit. An der größten deutschen Bauerndemo der letzten Saison, am 15. Januar 2024, nahmen nach Polizeiangaben rund 8.500 Demonstrant*innen teil. Bei zeitgleich stattfinden Demonstration gegen den Rechtsextremismus gingen bundesweit Hunderttausende auf die Straße. An diesem Samstag, dem 23. November, soll die erste größere Bauerndemo der Saison in Berlin stattfinden. Laut taz sind 10.000 Teilnehmende und 1.000 Traktoren angemeldet. 

Viele Tausend landwirtschaftliche Betriebe müssen jährlich ihre Landwirtschaft aufgeben. Die wirtschaftlichen und damit oft einhergehenden psychischen Belastungen sind enorm. Hinzu kommt eine höhere Suizidrate bei Landwirt*innen als in anderen Berufsgruppen. Die Demos vor einem Jahr begannen, nachdem die Ampelkoalition angekündigt hatte, die klimaschädliche Subventionierung von Diesel für Traktoren und andere Landmaschinen zu streichen. 

 „Hand in Hand für unser Land“

Aus den vergangenen Bauernprotesten tat sich ein Verein hervor, der mittlerweile als Sprachrohr der Bewegung gilt, „Hand in Hand für unser Land“. Ihr Vorsitzender, Franz Huber, ist CSU-Beisitzer im niederbayerischen Haibach. Der Verein hat mittlerweile ein eigenes Programm mit Forderungen veröffentlicht. Doch darin geht es längst nicht mehr nur um den Agrarsektor. Neben dem Kampf gegen Bürokratie und zu hohe Steuern enthält der offizielle Aufruf sowie das Programm „nationalistische Forderungen“ schreibt etwa Jost Maurin in der taz, wie etwa „Mehr nationale Selbstbestimmung“, „Vorrangig Investitionen im eigenen Land“ und die nach bezahlbarem Wohnraum, „mit Vorrang für die eigene Bevölkerung“. Einen antidemokratischen bis rechtsextremen Einschlag beobachtet auch die Fachjournalistin Andrea Röpke: „Vorrangig scheint es bei den Bauernprotesten seit 2023 nicht mehr um fachliche Kritik an der staatlichen Politik zu gehen, sondern darum, eine starke regierungsfeindliche Protestlobby aufzubauen, die sich radikalisiert, auch gewaltbereit auftritt und sich mit rechten Protestströmungen vereint.“ 

Der Verein will „alle rechtschaffenen Bürger“ vertreten, also „Unternehmer, Landwirte, Arbeitnehmer, Familien und Rentner sowie Gesundheit, Pflege und öffentlicher Dienst“. Menschen, die aufgrund äußerer Umstände, wie Wohnungslosigkeit oder Arbeitslosigkeit, auf den Sozialstaat angewiesen sind, finden hier offenbar keine Berücksichtigung. Im Programm fallen Begriffe und Sätze wie „Haltungsjournalismus“, „ein Ende der Diskriminierung Andersdenkender“. Immer wieder wird angedeutet, es gäbe in Deutschland keinen Meinungspluralismus und keine Meinungsfreiheit. Die Mitglieder des Vereins wünschen sich, dass „das tradierte Familienbild“ durch politische Maßnahmen unterstützt wird. Vermutlich meinen sie damit, dass in einer klassischen Kernfamilie der Mann arbeiten geht, während die Frau daheim bleibt und sich um den Haushalt und die Kinder kümmert. Die dadurch entstehende Rentenlücke für Frauen und der verstärkte Fachkräftemangel scheint in diesem Fall dann kein Problem – anders als in ihrem Programm. Den Fachkräftemangel sieht der Verein im Übrigen unter anderem durch die medial angepriesene „Work Life Balance“ und „Bürgergeld als Jobkiller“ verursacht. Womit er sowohl die Erzählung einer angeblich arbeitsscheuen GenZ und einem überbordenden Sozialstaat verbreitet. 

Feindbilder Gender und Asyl

Hinzu kommen weitere extrem rechte Narrative über die Feindbilder Gender und Asyl: Der Verein fordert ein „Ende der ideologischen frühkindlichen Fehlerziehung – nicht nur hinsichtlich Frühsexualisierung und Genderfluch“. Außerdem behauptet er, dass „s. g. Asylbewerber bessergestellt werden (Wohnraum, Verpflegung, Taschengeld, etc.)  als die eigene Bevölkerung“. Hier wird suggeriert, eine bürgerferne Regierungselite, würde als fremd markierte Menschen, bevorzugen und spiegelt so zwei Hauptnarrative der extremen Rechten um die AfD wider, nämlich eine extreme Elitenfeindlichkeit, wie auch eine generelle Ablehnung von Menschen mit Migrationsbiografien. 

Auch der Klimawandel wird indirekt angezweifelt, indem im Programm gefragt wird, „Was ist CO2?“ und ob in Deutschland tatsächlich eine ehrliche Diskussion über Klimaveränderungen geführt würde. Der Verein fordert einen Diskurs unter Einbeziehung „kritischer Stimmen“, womit dann wohl Wissenschafts-Skeptiker*innen und Leugner*innen gemeint sein dürften. 

AfD und Co. wittern hier eine Bauern-Revolution 

Bei einem bundesweiten Protest mit solchen Forderungen wundert es wenig, dass Beobachter*innen der Demos auf NS-Symoliken und rechtsextreme Zeichen hinwiesen. Und dass sich hier schnell auch rechtsextreme Gruppen einfanden. Und schließlich hat auch die AfD recht schnell bemerkt, dass diese wütende Menge Potenzial für die eigene Agenda hat. Sie wittern hier eine Bauern-Revolution par excellence, Fackeln, Traktoren und Galgen inklusive, die die demokratischen Parteien unter Druck setzen. 

Grünen-Bashing und Krisenstimmung 

Mit dem Aufkommen kritischer ökologischer Interessengruppen und dann der Gründung der rechtsoffenen Bewegung „Land schafft Verbindung“ 2019 zerfiel das einst straffe Konstrukt der konservativen und mächtigen Bauernverbände, erklärt Röpke. „Verbindungen zur AfD oder zur völkischen Szene gab es ohnehin, die ‘Freien Wähler‘ von Aiwanger umwarben dann Wortführer von ‘Land schafft Verbindung‘.“ Die landwirtschaftliche Protestszene radikalisierte sich weiter, besonders durch rechte Wortführer in den eigenen Reihen. Für die Russland-freundliche, destruktive rechtsextreme Szene sei die mächtige Bauernlobby dann so richtig interessant geworden, als das hysterische, breite gesellschaftliche Bashing der Grünen begann und sie über Telegramkanäle wie ‘Landvolk schafft Verbindung‘ massiv Krisenstimmung schürten. „Inzwischen verstärkt sich der Eindruck, dass vor allem die übrig gebliebenen Industrie-Landwirte die CDU hinter sich lassen könnten und in Richtung AfD rücken.“ Bei der EU-Wahl 2024 haben sich erstmals in einer bundesweiten Abstimmung überdurchschnittlich viele Landwirt*innen für die AfD entschieden. 18 Prozent stimmten hier für die rechtsextreme Partei.

„Wer Galgen mit zu einer Demonstration nimmt, ist radikal und nicht friedlich!“ 

Die weniger radikalen Verbände hätten sich der Vereinnahmung von rechts nicht eindeutig genug entgegengestellt, bemängelt Andrea Röpke. Im vergangenen Winter delegitimierte sich das berechtigte Anliegen der Landwirt*innen zunehmen, weil der Protest immer stärker durch extrem rechte Akteur*innen geprägt wurde. Die Frage, ob der Protest von Beginn an durch die extreme Rechte gesteuert wurde oder der Protest schließlich vereinnahmt wurde, lässt sich laut Röpke nicht so einfach beantworten. Zumindest, so glaubt sie, sei antidemokratisches Denken unter jenen, die seit 2023 bei den Protesten mitmachen, weit verbreitet. „Wer Galgen mit zu einer Demonstration nimmt, ist radikal und nicht friedlich!“ 

Doch die stete Präsenz auf den Bauerndemos von Galgen, an denen symbolisch Mitglieder der Ampelregierung hängen, ist nur ein Aspekt. Es gibt zahlreiche Vorfälle, die die Gewalt dieser Gruppe belegen: Im Januar 2024 hinderte ein wütender Bauern-Mob, Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) daran, eine Fähre in Schlüttsiel in Schleswig-Holstein zu verlassen. Wenig später, im Februar, musste der politische Aschermittwoch der Grünen im baden-württembergischen Biberach wegen heftiger Proteste von Landwirt*innen abgesagt werden. Die Scheibe eines Fahrzeugs aus Özdemirs Konvoi (Landwirtschaftsminister) wurde von wütenden Bäuer*innen eingeworfen

Derart gewalttätig darf politischer Protest nicht aussehen. Dabei gibt es zahlreiche Beispiele, wie Protest und Kritik an der Landwirtschaftspolitik artikuliert werden kann. Unterschiedliche Verbände und zivilgesellschaftliche Bündnisse adressieren ihre Forderungen zu einer menschen- und klimagerechten Landwirtschaft, die auch im kleinbäuerlichen Ausmaß möglich sein soll, an die Politik seit Jahren, wie etwa „Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft“ (ABL). 

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