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Automatisierte Polizeidatenanalyse: Bayern testet rechtswidrig Palantir-Software

Dieser Artikel stammt von Netzpolitik.org.

Der Polizei in Bayern fehlt eine Rechtsgrundlage für den aktuellen Testeinsatz von Palantir-Software. Der bayerische Datenschutzbeauftragte fordert, den Test der Analyse-Software einzustellen. Auch die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags begründen nun, warum sie die Erprobung mit Daten echter Menschen für rechtswidrig halten.

Die Palantir-Software soll Polizeidatenbanken miteinander verbinden. Der Testbetrieb läuft mit Daten echter Menschen. (Diffusion Bee)

Schon seit März 2023 nutzt die bayerische Polizei Palantir, eine automatisierte Analysesoftware, die Polizei-Datenbanken miteinander verknüpft. Nun gibt es Widerstand gegen den Testbetrieb der Software, die tief in Grundrechte eingreift. Wie vergangene Woche der Bayerische Rundfunk (BR) berichtete, soll das Bayerische Landeskriminalamt den Testbetrieb stoppen, weil er rechtswidrig sei.

Der zuständige bayerische Landesdatenschutzbeauftragte Thomas Petri hatte durch eine journalistische Recherche erfahren, dass ein Testbetrieb mit Echtdaten tatsächlicher Menschen läuft. Er kündigte im November 2023 an, das Vorgehen des Landeskriminalamtes rechtlich zu prüfen. Er kam nun zu dem Ergebnis, dass eine Rechtsgrundlage fehle und daher der Testeinsatz enden müsse.

Darüber hinaus verweist der BR auch auf eine aktuelle Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags vom 17. Januar 2024, die nun öffentlich zugänglich ist. Darin geht es auch um die Testbetrieb der Palantir-Software in Bayern, die mit einem Zugriff auf Echtdaten von Menschen stattfindet. Die Wissenschaftlichen Dienste prüfen in der Ausarbeitung mögliche Rechtsgrundlagen und kommen ebenfalls zu dem Ergebnis, dass der Testbetrieb der Datenanalysesoftware nicht legitimiert ist.

Karlsruhe warnt, Bayern testet trotzdem

Seit 2022 verfügt das Bayerische Landeskriminalamt über die Software des US-Konzerns, der in Deutschland durch die Palantir Technologies GmbH vertreten wird. Die Behörde hat der Software den Namen „Verfahrensübergreifendes Recherche- und Analysesystem“ (VeRA) gegeben. Nach einer europaweiten Ausschreibung war der Zuschlag an Palantir erteilt worden. Das auf Überwachung und Datenanalyse spezialisierte Unternehmen soll mit VeRA verschiedene Datenbanken der Polizei verknüpfen.

Beim Einsatz solcher Software kommt es zu erheblichen Grundrechtseingriffen, wie das Bundesverfassungsgericht in seiner Palantir-Entscheidung vom 16. Februar 2023 unterstrichen hat. Der Gesetzgeber in Bayern hat dennoch vor dem Test keine Rechtsgrundlage geschaffen. Es liegt bisher im Freistaat noch nicht einmal ein entsprechender Entwurf vor. Dabei müsste sich die heimliche Überwachungsmaßnahme an den neuen Vorgaben aus Karlsruhe messen.

Das Urteil macht detailreiche verfassungsrechtliche Vorgaben für den Einsatz von Software wie Palantir beziehungsweise VeRA, an die Gesetzgeber gebunden sind. Das Gericht wird zudem auch in naher Zukunft im Streit um die automatisierte polizeiliche Datenanalyse wieder angerufen werden, denn die GFF hat bereits eine neuerliche Verfassungsbeschwerde angekündigt. In diesem Fall geht es um ein anderes Bundesland: Aus Sicht der GFF missachtet eine Neuregelung in Hessen nach dem Urteil aus Karlsruhe die grundrechtlichen Vorgaben. Zusätzlich läuft bereits eine weitere Verfassungsbeschwerde gegen die gesetzliche Regelung zur automatisierten Datenanalyse im Bundesland Nordrhein-Westfalen.

Die anderen Bundesländer blicken nach Bayern

Die Wissenschaftlichen Dienste schreiben in ihrer Ausarbeitung, dass die neuen Anforderungen aus dem Karlsruher Urteil auch für einen Testbetrieb gelten müssen, wenn die Erprobung mit Echtdaten läuft. Das ist in Bayern unbestritten der Fall. „Der Testbetrieb ist an den gleichen rechtlichen Voraussetzungen zu messen wie der Einsatz von Datenanalyseinstrumenten in der Polizeiarbeit.“ Die Begründung dafür sind die schweren Grundrechtseingriffe, die echte Menschen betreffen. In welche Grundrechte bei einer automatisierten polizeilichen Auswertung von Datenbanken wie eingegriffen wird, hatten die Wissenschaftlichen Dienste bereits 2020 analysiert.

Das aktuelle bayerische Polizeiaufgabengesetz genüge als Rechtsgrundlage nicht, halten die Wissenschaftlichen Dienste nun fest. Zwar könne das Gesetz eine Zweckänderung der gespeicherten Daten rechtfertigen, aber das sei hier nicht gegeben: Da es sich um einen Testbetrieb handele, kämen keine konkreten polizeilichen Tätigkeiten zur Gefahrenabwehr in Frage, die eine solche Umwidmung von Daten begründen könnten.

Aus der Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste geht hervor, dass auch das bayerische Datenschutzgesetz kaum als Rechtsgrundlage für den Palantir-Einsatz taugen könnte. Darauf hatte sich die Landesregierung ausdrücklich berufen. Es könne aber laut Wissenschaftlicher Dienste „mangels Kenntnis der Details des Testbetriebs hier nicht beurteilt werden“, ob diese Datenverarbeitung „erforderlich und verhältnismäßig“ sei und die „zahlreichen Kriterien, die das Bundesverfassungsgericht hinsichtlich der Eingriffsintensität aufgestellt hat“, berücksichtigt worden sind.

Bundesländer nicht scharf auf Palantir

Der Streit um den Testbetrieb dürfte auch jenseits des Freistaates Beachtung finden. Denn der Rahmenvertrag, den Bayern mit Palantir geschlossen hat, ermöglicht es anderen Polizeibehörden der Länder und auch des Bundes, VeRA zu nutzen. Nicht alle Bundesländer haben bereits eine Entscheidung gefällt, ob sie ebenfalls Palantir-Software nutzen wollen. Der Idee besonders zugeneigt sind bisher nur wenige Länder. Ein rechtswidriger Testbetrieb in Bayern dürfte Palantirs bundesweite Chancen nicht gerade verbessern.


Offenlegung: Ich war technische Sachverständige in dem Beschwerdeverfahren, das zum Palantir-Urteil des Bundesverfassungsgerichts im Februar 2023 führte.


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Author: Constanze

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