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Bezahlkarten für Geflüchtete: Menschenwürde bleibt im Konjunktiv

Dieser Artikel stammt von Netzpolitik.org.

Statt auf Teilhabe setzen viele Politiker:innen bei Bezahlkarten auf Abschreckung und Kontrolle. Geflüchtete werden so Opfer von billigem Populismus. Ein Kommentar.

Ein Geldautomat, der "Out of Order" anzeigt
„Die Bezahlung mit Bargeld ist ein Stück Freiheit“, sagte Christian Lindner. CC-BY-SA 2.0 debaird

Bezahlkarten könnten eine tolle Sache sein: Wer noch kein eigenes Konto hat, bekommt eine in die Hand, Geld drauf, fertig. Zum Automaten gehen, ein paar Euro abheben, im Supermarkt mit Karte zahlen, was im Internet bestellen. Wenn das Konto dann eröffnet ist, geht es da weiter. Es könnte so einfach sein, könnte Asylsuchenden ein Stück Würde zurückgeben, könnte Verwaltungsmitarbeitende entlasten.

Doch in Deutschland bleibt Menschenwürde für Geflüchtete in Konjunktiv-Sätzen stecken. Weil die Söders, die Lindners, weil all die austauschbaren Hardliner verschiedener Parteibücher das so wollen. Sie wollen offenkundig nicht, dass Schutzsuchende von ihrem wenigen Geld, mit dem sie hart am Existenzminimum kratzen, am Kiosk eine Schachtel Kippen bar bezahlen können. Sie wollen Abschreckung um jeden Preis.

„Komm bloß nicht nach Deutschland, wir behandeln dich so schlecht, wie es die Gesetze gerade noch so zulassen“, so lautet ihre Nachricht. Und die richtet sich offenkundig nur halb an die Schutzsuchenden selbst. Zu einem guten Teil ist offenbar sie für ein Klientel bestimmt, das sich von demokratischen und freiheitlichen Grundsätzen unserer Gesellschaft bereits verabschiedet hat. Es ist Wahlkampfpopulismus auf Kosten von Geflüchteten.

Fischen im rechten Lager

Das ist ekelhaft. Wer mit solchen Forderungen im rechten Lager fischen geht, sollte sich schämen. Und steht bald selbst im braunen Wasser.

So wird eine CDU-Landrätin aus Greiz zitiert, die schon vor Monaten in Talkshows über ihre gute Zusammenarbeit mit „vernünftigen Pragmatikern“ redete, auch wenn sie in der AfD sitzen. Und die jetzt eine vermutete „Verstetigung von Abreisen“ als Effekt der Karten präsentiert.

Viel Spielraum für die Bundesländer

Die in den Schlagzeilen geforderten Einschränkungen sind nicht nur unwürdig. Viele davon sind auch gar nicht technisch umsetzbar, geschweige denn wirksam.

Das Märchen vom Leberkäse

Niemand kann vollständig verhindern, dass Menschen von dem wenigen, das sie haben, etwas in ihre Herkunftsländer schicken. Auch wird niemand verhindern können, dass Geflüchtete Bargeld bekommen. Zumindest solange wir noch nicht in einer Gesellschaft leben, in der sich Kassenpersonal als Hilfspolizei einspannen lässt und jedem, der nicht „deutsch“ genug aussieht, das Pfandgeld verweigert.

Auch mit der Mär vom verhinderten Alkoholkauf und dem erwünschten Leberkäse aus Bayern wird es nichts, denn das lässt sich gar nicht nachvollziehen. Wobei sowieso in Frage steht, warum Landesvater Markus Söder ausgerechnet den Alkohol ins verbale Visier nahm, wo er doch gern mit der Traditionsdroge Bier öffentlichkeitswirksam posiert.

Es gibt eine Möglichkeit, Menschen das Leben mit einfachen Mitteln ein bisschen besser zu machen. Genau das sollten wir fordern und nichts anderes. Welche Einschränkungen die Bundesländer wollen, werden wir bald sehen. Bezahlkarten zum Kontroll- und Abschreckungsinstrument zu pervertieren, dürfen wir nicht zulassen.

Das Bundesverfassungsgericht hat 2012 in einem Urteil gesagt: „Die Menschenwürde ist migrationspolitisch nicht zu relativieren.“ Damit nicht und schon gar nicht mit billigem Populismus.


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Author: Anna Biselli

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