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Breakpoint: Hilfe, die Fundis kommen!

Dieser Artikel stammt von Netzpolitik.org.

BreakpointHilfe, die Fundis kommen!

Babywindeln und Bibelverse statt Cocktails und Miniröcke: Der Content der „Tradwives“ weckt die Sehnsucht nach einem entspannteren Leben. Soziale Medien werden so zum Sprachrohr einer reaktionären Bewegung.

So beschaulich geht es nur in der Werbung der 1950er Jahre zu – und auf Instagram – Midjourney („housewife baking bread, advertisement 1950’s“)

Die Schürze sitzt, der Ofen ist vorgeheizt, die Kinder tollen im Garten. Oh, wie schön ist das Hausfrauen-Leben! Immer mehr Frauen zeigen sich auf Instagram, TikTok und Co. in einem für die Plattformen ungewöhnlichen Look: Sie tragen lange Kittel, kochen und putzen, filmen sich bei der Kindererziehung und sprechen dabei über christliche Familienwerte. Tradwives nennen sich die anachronistischen Trendsetterinnen selbst – „traditionelle Ehefrauen“.

Konservative Revolte in den sozialen Medien

Die Beiträge gespickt mit selbstgekochter Marmelade, Babywindeln und Bibelversen bilden einen krassen Gegensatz zum stereotypen Influencer:innen-Clip im New Yorker Loft oder auf der Party-Jacht vor Hawaii. Denn bei den schürzentragenden Tradwives geht es konservativ zu. Der Mann geht arbeiten, die Frau bleibt zuhause und kümmert sich um Heim und Nachwuchs. In unzähligen Videos kokettieren die Social-Media-Tradwives mit der Novelle längst überwundener Konventionen.

Und der Trend zur Tradition hat Erfolg: Beiträge der konservativen Hausfrauen erzielen regelmäßig mehrere zehntausend Likes und werden vielfach geteilt. Allein auf TikTok wurden dem Hashtag #tradwife bislang rund 72 Millionen Posts veröffentlicht. Auch ich stolpere inzwischen mehrmals täglich über ein #tradwife-Video im Netz.

Verblüffend, könnte man meinen, dass dieser Content solch einen Durchschlag hat – in einer Zeit, in der die meisten Frauen sich doch eigentlich emanzipieren wollen. Während immer mehr Frauen in Führungspositionen arbeiten, politische Ämter bekleiden und Paarbeziehungen auf Augenhöhe pflegen, gleicht der Content der Tradwives geradezu einer konservativen Revolte: Sie verüben bewusst keine bezahlte Arbeit, wollen keine eigene politische Meinung vertreten und ordnen sich bereitwillig dem Ehemann unter.

Kurzum: Es ist ein Social-Media-Trend, der so gar nicht zu Social Media passen will – oder etwa doch?

Die Sehnsucht nach einem besseren Leben

Dass der Tradwife-Trend bei jungen Menschen Erfolg hat, ist nur auf den ersten Blick verwunderlich. Denn hinter den zigtausenden Likes verbirgt sich die Sehnsucht nach einem besseren Leben.

Hierzulande verrichten noch immer Frauen einen Großteil der Care-Arbeit – unbezahlte Arbeit im Haushalt und in der Familie. Gleichzeitig steigt die Zahl der Frauen, die Lohnarbeit leisten, stetig an.

Von Frauen wird somit alles auf einmal verlangt: Sie sollen fürsorgliche Mütter, produktive Lohnarbeiterinnen, leidenschaftliche Ehepartnerinnen und gewissenhafte Haushälterinnen sein.

Dabei stellt die arbeitende Frau, die gleichzeitig die Kinder erzieht und die Wäsche wäscht, kaum eine Veränderung zu früher dar. Entgegen dem verbreiteten Narrativ haben Frauen der meisten Klassen schon immer auch für Lohn gearbeitet – in der Regel fiel dieser allerdings signifikant geringer aus als der ihrer männlichen Kollegen. Sich eine „Hausfrau“ – im wahrsten Sinne des Wortes – leisten, das konnten nur die oberen Schichten.

Der entschleunigte Alltag der Tradwives

In ihren Videos leben die Tradwives ein Leben vor, das viel sorgloser zu sein scheint als das vieler junger Menschen heutzutage. Die meisten Influencerinnen sind kaum älter die jugendlichen Konsument:innen ihrer Clips.

Statt 40 Stunden in der Woche arbeiten zu gehen und sich am Feierabend auch noch um Kinder und Haushalt zu kümmern, präsentieren die Tradwives einen geradezu entschleunigten Alltag. Sie backen Brot, malen mit dem Kind Mandalas aus, lesen in der Bibel, pflegen ihren Garten. Die Familie steht im Mittelpunkt. Das Leben der Frauen bestimmen, so suggerieren es die Beiträge, nicht Leistungsdruck und Produktivität. Stattdessen scheinen sie eine Freiheit zu genießen, von der die meisten jungen Menschen heutzutage nur träumen können.

Ja, eine Frau kann sich für ein Leben als Hausfrau entscheiden und trotzdem emanzipiert sein – sofern es die wirtschaftliche Lage zulässt. Schließlich geht es bei der Emanzipation der Geschlechter darum, dass alle Menschen selbst entscheiden können, welches Leben sie führen wollen.

Mit einer freien Entscheidung hat das Leben der Tradwives jedoch nur äußerst wenig zu tun. Auch, wenn die Influencerinnen gerne davon erzählen, wie wohl sie sich in ihrer Position fühlen, ist das Ehefrauen-Dasein für sie vor allem eines: die Erfüllung einer von Gott auferlegten Rolle als Hausfrau und Mutter. Denn hinter dem Tradwife-Content steckt weit mehr als die bloße Verkitschung des Hausfrauenlebens – nämlich eine reaktionäre Ideologie.

Unterwerfung statt Emanzipation

Gebetsmühlenartig sprechen die Tradwives davon, dass Frauen niemals ihren Zweck vergessen sollten: Sie seien dazu geschaffen, Kinder zu gebären. Abtreibungen seien Mord und damit eine Sünde. Auch sollen Frauen stets ihrem Ehemann „dienen“. Der Mann sei das Oberhaupt der Familie und an seine Weisungen habe Frau sich zu halten. Dazu gehöre auch die Erfüllung seiner sexuellen Bedürfnisse, das sei die Pflicht jeder gottestreuen Ehefrau. Die Kinder schicken sie natürlich nicht in die Schule, sondern unterrichten sie zuhause – der liberalen Propaganda wegen.

Was wie ein wahrgewordener Alptraum klingt, stellen die Tradwives in einer bestechenden Ästhetik dar. Wo aber der frisch angesetzte Sauerteig den Blick auf die eigene Unterdrückung versperrt, finden sich schnell Follower:innen. Statt einer fremdbestimmten, ausgebeuteten und finanziell abhängigen Frau bekommen diese nur das hausgemachte Krustenbrot zu sehen – hinterlegt mit einem butterweichen Country-Song.

Die Tradwives propagieren die Unterwerfung: vor Gott, vor der Gemeinschaft und vor dem eigenen Ehemann. Sie sind Teil einer rechten Publicity, die in den sozialen Medien immer mehr zunimmt. Ihre Videos mögen entspannend und befreiend wirken. Doch die Ästhetik des Fundamentalismus verspricht nur eines: Die Sicherheit auf ein unfreies Lebens für alle Frauen, die ihr zum Opfer fallen.

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Author: Carla Siepmann

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