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Breitbandausbau: Niedersachsen lässt Kommunen im Regen stehen

Dieser Artikel stammt von Netzpolitik.org.Der Autor ist…
Wegen der angespannten Haushaltslage fördert Niedersachsen den Breitbandausbau nicht mehr. Damit droht vielen Kommunen, digital abgehängt zu werden.
Regen gehört zu Niedersachsen genauso dazu wie lahmes Internet zu Deutschland. (Symbolbild) – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / localpicDie Nachricht kam überraschend. Ab nächstem Jahr wird Niedersachsen den Breitbandausbau im Land nicht mehr finanziell fördern, hieß es letzte Woche in einer Mail des Wirtschaftsministeriums an die Kommunen. „Der Haushalt ist eng“, sagte ein Sprecher des SPD-geführten Ministeriums, das Land müsse priorisieren.
In den letzten Jahren war Niedersachsen beachtlich beim Ausbau vorangekommen, dazu beigetragen hat auch staatliche Förderung. Inzwischen steht rund 80 Prozent der Haushalte ein Gigabit-fähiger Anschluss zur Verfügung, mehr als doppelt so vielen wie 2018. Doch vor allem in dünn besiedelten Gebieten klaffen weiterhin Lücken, für knapp zehn Prozent ist bei bestenfalls 50 MBit/s Schluss.
„Ich komme aus dem ländlichen Raum und bin mit dem Förder-Stopp nicht happy – aber das ist niemand in der Koalition“, sagt Sina Beckmann, die in der Grünen-Landtagsfraktion unter anderem die Digitalisierung der Wirtschaft koordiniert. Dem Junior-Partner der rot-grünen Regierung wäre es lieber gewesen, wenn das Land den Breitbandausbau auch weiter hätte unterstützen können, sagt Beckmann: „Aber nach Abwägung und angesichts der konkreten Haushaltslage steht die Grünen-Fraktion hinter dieser Entscheidung.“
Stillstand erwartet
Knapp 500 Millionen Euro sind seit 2018 aus dem Landesbudget in den Ausbau geflossen. Dazu kommt weiteres Geld: Geförderte Projekte werden zur Hälfte vom Bund finanziert, die übrigen Kosten teilen sich die Länder, die Kommunen und gegebenenfalls die privaten Anbieter auf. Dennoch trifft der Wegfall des Landesanteils viele Gemeinden hart. „Der geförderte Glasfaserausbau in Niedersachsen dürfte damit vorerst zum Erliegen kommen“, befürchtet der Niedersächsische Städte- und Gemeindebund.
Dass es vorerst keinen weiteren Zubau im unterversorgten ländlichen Raum geben wird, erwartet auch Tabea Rößner, Vorsitzende des Digitalausschusses im Bundestag. Selbst wenn der Bund weiterhin die Hälfte der Förderung liefert und es letztlich egal sei, von wem die andere Hälfte getragen wird. Sie geht davon aus, dass „gerade die kleinen Kommunen im ländlichen Raum diesen Aufwand ohne das Land nicht stemmen können“, so die grüne Abgeordnete zu netzpolitik.org.
Ausbaupläne von Landkreisen obsolet
Bemerkbar macht sich das etwa im Landkreis Osnabrück. Dort errichtet der eigens vom Landkreis gegründete Betreiber Telkos geförderte Glasfasernetze – insbesondere in Gebieten, wo sich der Ausbau für private Betreiber wirtschaftlich nicht lohnt. Nach derzeitigem Stand werde es keinen Breitbandausbau der sogenannten „grauen Flecken“ geben, rechnet der Landkreis vor. Als graue Flecken gelten Gebiete, die mit mindestens 30 Mbit/s, aber weniger als 100 Mbit/s im Download versorgt sind.
Rund 13.000 Privat-Adressen und etwa 200 Wirtschaftsunternehmen hätten dort mit Fördermitteln in den nächsten Jahren ausgebaut werden sollen, es geht um rund 40.000 Menschen. Durch den Wegfall der Landesförderung fehlen nun etwa 60 Millionen Euro, die von Landkreis und Kommunen aufgefangen werden müssten. „Diese Dimension überfordert die kommunalen Haushalte vollkommen“, beklagt der Landkreis. Immerhin gehe der Ausbau völlig unterversorgter „weißer Flecken“ ungehindert weiter, das würden bereits erteilte Förderbescheide des Bundes und des Landes garantieren.
Völlig in der Luft hängt hingegen die ostfriesische Insel Spiekeroog. Dort warten rund 800 Einwohner darauf, als letzte der deutschen Nordseeinseln eine längst überfällige Glasfaseranbindung ans Festland zu erhalten. Im Herbst wollte die Kreisverwaltung in Wittmund einen Förderantrag stellen. Doch nun gebe es „starke Zweifel“, ob der eingeplante Förderanteil des Landes kompensierbar sei, teilte ein Sprecher der Kreisverwaltung der Agentur dpa mit.
Ausbauziele des Bundes unverändert
Vielen ländlichen Regionen in Niedersachsen droht also, digital abgehängt zu werden. Der CDU-Landtagsabgeordnete Marcel Scharrelmann spricht von einem fatalen Signal für den Ausbau der digitalen Infrastruktur, die Landesregierung spare an der falschen Stelle. „Digitalminister Olaf Lies muss daher dringend nachsteuern, damit insbesondere ländliche Gebiete hier nicht abgehängt werden“, heißt es in einer Stellungnahme.
Außerdem könnte der Förderstopp die Ausbauziele des Bundes behindern, bis 2030 flächendeckend Glasfaser ausgerollt zu haben. An dem Ziel will das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) aber unbeirrt festhalten. „Die in der Gigabitstrategie formulierten Ausbauziele des Bundes sind von dieser Entscheidung nicht berührt und haben weiterhin Bestand“, so ein BMDV-Sprecher auf Anfrage.
Die Hoffnung liegt nun auf anderen Maßnahmen. Dazu zählen etwa „unbürokratische und schnelle Genehmigungsverfahren sowie Offenheit für moderne Verlegeverfahren“, sagt Jan-Philipp Beck, digitalpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Niedersächsischen Landtag. Zudem werde das Wirtschaftsministerium den „Dialog mit den Telekommunikationsunternehmen weiter intensivieren, um den eigenwirtschaftlichen Ausbau gerade im ländlichen Raum zu stärken“, so Beck.

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Author: Tomas Rudl

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