Drücken Sie „Enter“, um den Inhalte zu überspringen

Bundesländer: Bedingt Bezahlkarten-bereit

Dieser Artikel stammt von Netzpolitik.org.

BundesländerBedingt Bezahlkarten-bereit

Der Bundesrat hat das Gesetz zu Bezahlkarten für Asylsuchende bestätigt. Mancherorts gibt es sie bereits. Doch wann und wie es überall losgeht, ist ungewiss. Genauso wie das Ob.


Anna Biselli – in Technologieeine Ergänzung
Die bayerische Bezahlkarte wird bereits getestet. – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / Sven Simon

Sie sollen Asylsuchende abschrecken, Geldzahlungen ins Ausland verhindern und greifen tief in die Selbstbestimmung Geflüchteter ein: Bezahlkarten. Man könnte sie zwar auch so nutzen, dass sie die Verwaltung entlasten und Teilhabe ermöglichen, wenn Menschen gerade erst in Deutschland angekommen sind. Doch vor allem letzteres ist nicht das politisch proklamierte Ziel.

Lange hatte die Regierungskoalition über ein Gesetz zu Bezahlkarten gestritten, während einzelne Länder und Kommunen schon mit der Einführung begonnen hatten. Dann passierte es Mitte April schließlich den Bundestag, auch die AfD stimmte dafür. Nun hat die Regelung im Asylbewerberleistungsgesetz die letzte Hürde im Bundesrat genommen. Doch es zeichnen sich neue Hindernisse ab – und zwar in den einzelnen Bundesländern.

Länder können sich nicht einigen

In Brandenburg etwa streitet die rot-schwarz-grüne Koalition darüber, wie stark die Karten für Geflüchtete eingeschränkt werden sollen. Geht es nach dem Willen der CDU, sollen Geflüchtete nach bayerischem Vorbild monatlich maximal 50 Euro Bargeld abheben dürfen. Integrationsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) fordert dagegen, dass die Karte die soziale und kulturelle Teilhabe nicht behindern dürfe. Die brandenburgischen Landkreise planen währenddessen offenbar an der Landesregierung vorbei. Sie wollen die Karte ohne deren Segen einführen.

Ähnlich verlaufen die Linien in Berlin, hier zwischen regierender CDU und SPD. Ein Sprecher der SPD-Sozialsenatorin sagte gegenüber dem Spiegel, man wolle nach Abschluss des Vergabeverfahrens klären, „ob die Karte in der Hauptstadt ausgegeben werden soll und, wenn ja, zu welchen Bedingungen“. Das heißt: In Berlin ist nicht einmal sicher, dass die Karte kommt.

Verpflichtet wäre Berlin dazu nicht, denn gesetzlich ist es weder Länder noch Kommunen vorgeschrieben, die Karte zu nutzen. Sie können den Asylsuchenden auch weiterhin Bargeld auszahlen oder Geld auf ihr Konto überweisen. Überdies gab es in der Bundeshauptstadt bereits  in den 1990er Jahren einen gescheiterten Versuch, Geflüchtete mit speziellen Karten auszustatten.

Viele Fragen offen

Sicher ist: Die Ausschreibungsfrist für die bundesweit einheitliche Karte ist abgelaufen. Mehrere Unternehmen dürften sich für den Auftrag beworben haben. Unterdessen haben mehrere Kommunen die Karte schon im Alleingang eingeführt – mit extremen Einschränkungen wie im thüringischen Greiz oder weitgehend diskriminierungsfrei wie in Hannover. Wenn der Zuschlag für den Auftrag erteilt wird, stellt sich die Frage, ob die jeweiligen Regionen ihre bestehenden Karten wieder abschaffen und den Anbieter wechseln oder nicht.

Neben organisatorischen und politischen Fragen gibt es weitere Hürden für den geplanten bundesweiten Einsatz, nämlich grundlegende rechtliche Bedenken. Eine stark eingeschränkte Karte, etwa in Bezug auf mögliche Bargeldabhebungen, Überweisungen oder die erlaubten Händlerkategorien, ist problematisch. Denn die Einschränkung kann dazu führen, dass das Existenzminimum der Betroffenen nicht mehr gedeckt ist. Sie können nicht mehr frei über ihr weniges Geld verfügen. Ihnen werden unter anderem günstige Gebrauchtoptionen verwehrt, die sich häufig nur mit Bargeld abwickeln lassen. Andrea Kothen von Pro Asyl rechnet deshalb mit vielen Klagen vor Gericht.

Wie steht es mit dem Datenschutz?

Außerdem stellen sich zum einen grundlegende Datenschutzfragen bei den Karten, die Matthias Eichfeld bei Legal Tribune Online aufgeworfen hat. Zum anderen haben IT-Sicherheitsforschende bei den Implementierungen von drei Anbietern mehrere Mängel festgestellt, die Tim Philipp Schäfers und Niklas Klee in einem aktuellen Bericht auflisten.

Einige der Probleme betreffen IT-Sicherheitsaspekte, andere Datenschutzversäumnisse. So haben nach ihren Recherchen zwei von drei Anbietern Tracking-Bibliotheken in die Bezahlkarten-Apps integriert. Diese übermitteln personenbezogene Daten an die Anbieter, ohne zuvor die Einwilligung der Nutzenden einzuholen. Die beiden IT-Sicherheitsforschenden kritisieren zudem, dass bei allen untersuchten Anwendungen die zugehörigen Datenschutzbestimmungen lediglich auf Deutsch verfügbar sind. Das ist gerade bei der anzunehmenden Nutzer:innengruppe ein Problem.

Zur Quelle wechseln
Zur CC-Lizenz für diesen Artikel

Author: Anna Biselli