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Dahme-Spreewald: So gefährlich ist der AfD-Landratskandidat Kotré

Er hat mit Höcke und Kalbitz den rechtsextremen Flügel der AfD mitgegründet und blamiert sich in Talkshows mit Klimawandelleugnung. Die lokalen Unternehmen und Firmen aus Dahme-Spreewald warnen öffentlich vor seiner Wahl. Aber Steffen Kotré könnte trotzdem am Sonntag Brandenburgs erster AfD-Landrat werden.

Die AfD sucht verzweifelt nach dem Einfallstor. Nach einer Reihe von Niederlagen bei Kommunalwahlen muss sie unbedingt mal wieder irgendwas gewinnen. Das zeigt auch die Wahl am Sonntag in Brandenburger Landkreis Dahme-Spreewald.

Mit seiner Hetze gegen Ausländer bekam ihr Kandidat Steffen Kotré im ersten Wahlgang dort die meisten Stimmen. Mit 35,3 Prozent lag er knapp vor dem parteilosen Bürgermeister Herzberger. Der wird im zweiten Wahlgang zwar von allen anderen Parteien unterstützt. Aber auch Kotré kann mobilisieren. Er ist gut vernetzt bis weit in die rechtsextreme Szene. Zum Beispiel zum Verein „Zukunft Heimat“, der vom Verfassungsschutz beobachtet wird.

Ein Erfolg des AfD-Kandidaten wäre eine Chance für die AfD – und eine Gefahr für den ostdeutschen Landkreis. Nicht nur das Image würde leiden. Es geht auch um die Demokratie vor Ort und die Wirtschaft, die auf Zuwanderung angewiesen ist.

Klimaleugner, stolz auf Weltkriegs-Soldaten

Steffen Kotré ist vielleicht nicht zu offen extremistisch. Sein Name steht bisher nicht in Berichten des Verfassungsschutzes. Er war nicht mit Neonazis in Sommerlagern. Er chattete nicht darüber, die Regierung zu stürzen. Kotré hat Zivildienst gemacht. Er war in einer Studentenverbindung. Er hat völkische Gedichte veröffentlicht und war früher bei der FDP.

Und gleichzeitig ist er das bizarre Komplettpaket eines AfD-Rechtsradikalen im Anzug. Er leugnet, dass der Klimawandel menschengemacht ist und blamiert sich damit in Talkshows. Er spricht von der Mitschuld des Westens am Ukraine-Krieg und gibt russischen Propaganda-Sendungen Interviews. Und er findet es richtig, stolz auf die „Leistungen“ deutscher Soldaten in zwei Weltkriegen zu sein. Und er warnt vor den Spannungen, weil Menschen „aus orientalischen islamischen Ländern“ nach Deutschland geholt würden.

Warum die AfD auch als Landrat Schaden anrichten kann

Eigentlich kann auch ein rechtsradikaler Landrat vor Ort ja gar nicht so viel ausrichten, denn er muss sich ja vor allem um Straßen, Schulen und Schwimmbädern kümmern. Das stimmt aus drei Gründen nicht.

Der erste Grund: Kotré könnte zwar als Landrat nicht „abschieben, abschieben, abschieben“, wie er das auf einer Wahlkampf-Rede angekündigt hat. Aber er kann die Integrationsmittel im Haushalt kürzen. Damit stünden zum Beispiel ein integratives Fußball-Turnier oder ein Unterstützerkreis für Geflüchtete auf der Kippe.

Der zweite und wichtigere Grund: Auch wenn Kotré auf den ersten Blick seriös erscheint, er verkörpert das Rechtsextremste, was die AfD zu bieten hat. Zusammen mit dem Thüringer AfD-Chef Höcke und dem Ex-Chef aus Brandenburg Kalbitz hat er den rechtsextremen „Flügel“ der Partei gegründet. Das Gedankengut des formal aufgelösten Flügels sei heute „offensichtlich die Parteilinie“ in Brandenburg, so der Verfassungsschutz. Der Faschist Höcke, spreche ihm „aus der Seele“.

Auch international ist Kotré in rechtsextremen Kreisen unterwegs

Ende Mai unterzeichnete er mit anderen europäischen Rechtsextremen und Holocaust-Leugnern in Bratislava einen gemeinsamen Aufruf „gegen Globalismus“. Im Bundestag sprach er über angebliche amerikanische Biowaffenlabore in der Ukraine. Selbst Parteikollegen ging das zu weit und sie warfen ihm „widerliche Putin-Propaganda“ vor.

Der dritte Grund, warum ein AfD-Landrat eine Gefahr wäre, ist die Wirtschaft. Kotré ist zwar wirtschaftspolitischer Sprecher der AfD im Bundestag, aber von der Wirtschaft im Landkreis hat er offenbar keine Ahnung. Entgegen dem Klischee gegenüber ostdeutschen Landkreisen ist Dahme-Spreewald ein Leuchtturm der Integration. Die Bevölkerung wächst, besonders dank Migration. Nirgendwo im Land ist die Beschäftigungsquote bei Ausländer*innen höher als hier (68 Prozent). Und viele Unternehmen suchen händeringend nach Arbeitskräften, auch aus dem Ausland.

Unternehmen und Forschungseinrichtungen warnen vor der AfD

Ein Landrat, der rassistische Parolen schwingt, wäre da eine Katastrophe. Deshalb laufen Unternehmen und Forschungseinrichtungen im Landkreis auch Sturm gegen die mögliche Wahl Kotrés am Sonntag. In einem Aufruf in mehreren Tageszeitungen appellierten sie diese Woche, die Politik der AfD könne den erreichten „Wohlstand gefährden“. Auch eine Online-Petition gibt es. Und das kann funktionieren: In Nordhausen hatte ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis „Nordhausen zusammen“ die Wahl eines AfD-Kandidaten verhindert.

Die Angst vor dem Wirtschaftsrisiko AfD gibt es nicht nur in Ostdeutschland: In einer Umfrage unter deutschen Unternehmern im September sahen 60 Prozent ein Erstarken der AfD als Gefahr für den Wirtschaftsstandort Deutschland an.

Nicht zuletzt wäre es ein symbolischer Erfolg, wenn die AfD einen ihrer Politiker in ein kommunales Spitzenamt hieven könnte. Weil ihr die Anerkennung im Bund und in den Ländern weiterhin versperrt ist, braucht sie diese Erfolge auf Kommunalebene. Was ihr entgegenkommt: Bei Landratswahlen ist die Wahlbeteiligung traditionell niedrig. Die AfD profitiert davon, weil sie ihre Anhänger besser mobilisieren kann. In einigen Dörfern im Spreewald bekam sie bei der letzten Landtagswahl auch deshalb über 50 Prozent.

Aber das Beispiel Dahme-Spreewald zeigt auch, wie ein breites Bündnis aus Wirtschaft und Zivilgesellschaft aktiv wird, wenn ein gefährlicher Kandidat wie Kotré zur Wahl steht. In Bitterfeld-Wolfen und Nordhausen brachte das den Erfolg und vermasselte der AfD die Show, die sich so gewünscht hatte.

Artikelbild: Patrick Pleul/dpa

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