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Das Prüfen eines AfD-Verbots kann sie gar nicht stärker machen

Schon über 225.000 Menschen haben die Volksverpetzer-Petition unterschrieben, in der wir den Bundesrat auffordern, eine Prüfung eines AfD-Verbots beim Bundesverfassungsgerichts zu beantragen. Ärzte-Schlagzeuger Bela B., Olivia Jones, Ruth Moschner und auch andere unterstützen uns in unserer Forderung. Nochmal: Wir fordern NICHT, dass die AfD verboten wird. Ob eine Partei verboten gehört, hat allein das Bundesverfassungsgericht zu entscheiden und das Grundgesetz hat es mit diesem Werkzeug hat ausgestattet, buchstäblich um unsere Demokratie vor einer Rückkehr des Faschismus zu schützen. Denn Hitler kam demokratisch gewählt an die Macht. Also nein, nur weil man demokratisch gewählt wurde, ist man nicht automatisch demokratisch. Bevor ich erkläre, warum ein Verbot die AfD nicht stärker machen würde, möchte ich noch einmal erklären, wie ich überhaupt dazu kam, das jetzt zur Diskussion zu stellen. Denn es ist wichtig.

Ich war stets gegen ein AfD Verbot

Ich war stets gegen ein AfD Verbot, als liberaler Demokrat geht mir erst einmal jeder Reflex, auf etwas, was mir nicht gefällt, mit „Verbot“ zu reagieren, zutiefst zuwider. Zur Forderung der Prüfung durch das Bundesverfassungsgericht wurde ich aber überzeugt. Wenn du skeptisch bei der Forderung oder unserer Petition bist – das ist gut. Das ist der richtige Instinkt. Doch es ist ja nicht so, als ob die AfD „nur“ pausenlos Lügen, Desinformation und Verschwörungsmythen verbreitet. Es ist ja nicht so, als ob ihre geplante Politik und ihr bisheriges Abstimmungsverhalten zeigt, dass sie Arme ärmer machen will, den Klimawandel verschlimmern und verheerende Politik für Minderheiten und die deutschen Bürger umsetzen will.

Das ist schlimm, das ist falsch, das halte ich persönlich für moralisch verwerflich. Aber das allein würde mich nie auch nur ein Verbot in Betracht ziehen lassen. Was die AfD vorhat, ist nicht nur wirtschaftlich verheerend für Deutschland, macht die Lebenssituation für viele Menschen schlimmer und sie versucht nicht nur mit unmoralischen Mitteln und Manipulation die Macht zu ergreifen. Was sie will, widerspricht fundamental unserem Grundgesetz und den Menschenrechten. Es ist keine Übertreibung zu sagen, dass die AfD grundsätzliche Freiheiten angreifen will. Das sagt ein aktuelles Rechtsgutachten des Deutschen Instituts für Menschenrechte, dafür liefert der Verfassungsschutz etliche Beweise. Es geht explizit um den Angriff auf Artikel 1 Absatz 1 GG.

Die AfD Ideologie widerspricht fundamental deinen Menschenrechten

Aus dem Rechtsgutachten:

„Der Programmatik liegt ein national-völkisch verstandener Volksbegriff zugrunde, der Menschen nach rassistischen Kategorien in ihrer Wertigkeit unterscheidet und damit vom Volksbegriff des Grundgesetzes abweicht und mit Artikel 1
Absatz 1 GG nicht zu vereinbaren ist. Dabei verfolgt die Partei das Ziel einer Einheit von Staat und Volk nach ihren national-völkischen Vorstellungen.“

Deutscher ist, wer die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Das steht buchstäblich so im Grundgesetz. Die AfD sagt: Nein. Die möchte es von „Migrationshintergrund“, „Hautfarbe“ oder gar Vornamen abhängig machen. Sie spricht genau wie Hitler in „Mein Kampf“ von einem „Volkskörper“ (Peter Behringer, AfD), den man nicht „Vermischen“ (Jens Maier, AfD) dürfe. Man möchte „kulturfremdes“ (Alice Weidel, AfD) „Gesindel“ (Nicolaus Fest, AfD) „entsorgen“ (Alexander Gauland, Petry Bystron, AfD), sonst drohe angeblich ein „geplanter“ (Beatrix von Storch, AfD) „Genozid“ (Peter Behringer) und „Auslöschung“ der „nationalen Identität“ (Jens Maier) und der „Volkstod“ (Björn Höcke, AfD) – natürlich auch ein Nazi-Begriff auf der Hitlerzeit. Gemeint sind natürlich „reinrassige“, weiße Deutsche. Das ist einfach die NS-Rassenlehre neu aufgelegt.

Und die AfD möchte auch die logische Konsequenz daraus: Massendeportationen der „kulturfremden Völker wie Arabern, Sinti und Roma“ (Alice Weidel) oder Asiaten und Afrikaner (Björn Höcke). Das wird mit dem Euphemismus „Remigration“ beschönigt. Ein Begriff, den auch Nazi-Terroristen wie aus Christchurch oder Halle als Rechtfertigung für ihre Morde nutzten. Der AfD-Abgeordnete Helferich forderte erst vor wenigen Tagen im Bundestag „Millionenfache Remigration“.

Auch Björn Höcke will jene offensichtlich nicht freiwillige „Remigration“. Dass es sich um Massendeportationen handelt, (und nicht das plötzliche, freiwillige und friedliche Auswandern von auch deutschen Staatsbürgern), wird deutlich, wenn Höcke sagt, man brauche eine „Politik der ‚wohltemperierten Grausamkeit‘“. „Auch wenn wir leider ein paar Volksteile verlieren werden, die zu schwach oder nicht willens sind, sich der fortschreitenden Afrikanisierung, Orientalisierung und Islamisierung zu widersetzen.“ Er denke an einen „Aderlass“.

Tod, Bürgerkrieg, Millionenfache Deportationen?!

Das sind keine Einzelfälle, das sind keine unbedeutenden Provinz-Politiker der AfD. Das ist die Spitze der AfD. Hinzu kommen das Verwenden von NS-Sprache, NS-Parolen. Der verbotene (!) SA-Spruch wurde von der AfD Bayern plakatiert, Höcke steht deswegen jetzt vor Gericht. Hinzu kommt die ständige Relativierung und der Versuch der Umdeutung des Dritten Reiches. „Wir brauchen nichts anderes als eine erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“ (Höcke), „Unsere Vorfahren waren keine Verbrecher“ (Krah), der Sieg über die Nazis als „Tag der Niederlage“ (Weidel).

Die AfD ist durch und durch rechtsextrem, und ihre Politik und ihre Ziele sind nicht nur in meinen Augen deutlich widersprüchlich mit den fundamentalen Grundfesten unseres Grundgesetzes. Und trotzdem spreche ich mich nicht für ein Verbot der AfD aus. Das hat wie gesagt nur das Bundesverfassungsgericht zu entscheiden. Ich wurde überzeugt, diese Petition zu starten, weil ich mich frage, worauf wir noch warten wollen? Bis die AfD die Kontrolle über unseren Sicherheitsapparat hat? Bis die rechtsextreme Ideologie sich noch weiter normalisiert und der Rechtsruck der Gesellschaft und dem Kulturkampf, an dem sich auch Teile von Union und FDP beteiligen, es unmöglich macht? Deswegen möchten wir die Prüfung jetzt. Bevor es zu spät ist. Und jetzt komme ich endlich zur wichtigsten Kritik an der ganzen Idee der Prüfung eines AfD-Verbots. Macht es die AfD etwas stärker?

1. Die AfD wird doch eh schon mit Opfer-narrativ stärker

Das stärkste (und überzeugendste) Gegenargument ist: „Wenn wir die AfD jetzt verbieten – oder es auch nur versuchen, wird es sie in ihrer Opferhaltung inszenieren und ihnen noch mehr Zulauf verschaffen“. Die Sorge habe/hatte ich auch. Aber mein erster Einwand: Das ist die Sorge vor dem, was bereits passiert, ohne dass wir es überhaupt probiert haben. Die AfD wird stärker. Die AfD inszeniert sich schon fernab jeder Fakten als unterdrücktes Opfer. Ist die beste Gegenantwort wirklich zu sagen: Wir sollten lieber nichts machen und einfach hoffen, dass es von allein weg geht?! Wirklich?

Die AfD hat sich sowieso in ihre eigene, ideologisch komplett isolierte Parallelwelt verabschiedet. Dort ist sie immer das Opfer, hat niemals Unrecht und alle anderen sind böse und es gibt eine große Verschwörung. Ich habe doch schon oben die Wahngeschichten von geheimen Plänen von „Bevölkerungsaustausch“ zitiert, an welche weite Teile der AfD glauben. Höcke fantasiert jetzt bereits, dass wir in einer „bunten Diktatur“ leben. Was soll danach noch kommen? Die Doppel-Extra-Diktatur? Die AfD braucht nicht die Realität, um diese Narrative abzuspulen. Und ganz ehrlich: Wer die AfD wählen wird, WEIL sie verboten werden soll, der war schon vorher für Fakten und die Demokratie verloren.

2. Die AfD will, dass wir aus Angst nichts tun

Mein zweiter Einwand ist folgender: Ob und wie die AfD darauf hin rumjammert, sollte keinen Einfluss haben darauf, das Richtige zu tun. Wenn die AfD verfassungsfeindlich ist und verboten gehört – dann kann uns doch völlig egal sein, wie sehr sie herumopfert. Dann gehört sie verboten. Natürlich jammert sie dann. Wer für ein Verbrechen ins Gefängnis für eine Straftat kommt, dem gefällt das wahrscheinlich auch nicht. Kein Grund, ihn nicht zu verurteilen.

Lassen wir uns von der AfD und unserer Angst vor ihr erpressen? Die AfD sagt alles Mögliche, wenn der Tag lang ist. Mit Fakten und Fairness hat das nichts zu tun. Und ohne mit der Wimper zu zucken, wird sie widersprüchliche Dinge sagen und fordern. Wie lange wollen wir noch so tun, als könnte man mit diesem Menschen reden? Sie wollen uns doch gezielt hereinlegen, sie wie normale Politiker zu behandeln. Um uns dadurch auszumanövrieren. Das sagte eine AfD-Aussteigerin erst kürzlich:

„Um an die Macht zu kommen, nutzen sie [die AfD] die Schwächen der Demokratie – jener Demokratie, die sie abschaffen wollen. Das funktioniert wie 1933, genau so wurde auch die NSDAP groß.“

3. Sie das tun lassen, was sie will, weil man Angst hat, dass sie das tut, was sie will?

Der dritte Einwand bezieht sich auf eine von zwei Möglichkeiten beim AfD-Verbot: Was, wenn es nicht klappt? Was, wenn es ein Freifahrtschein wird? Na ja, sofern es nicht aus formalen Gründen scheiterte, weil der Antrag vom Bundesrat stümperhaft vorgetragen wurde, ist es eine Erleichterung: Dann ist unsere Demokratie vielleicht wirklich nicht durch die AfD in Gefahr. Im Zweifel kann der Bundesrat ja auch „nur“ den Entzug der Parteienfinanzierung beantragen oder das Bundesverfassungsgericht das als angebrachteres Mittel. Die NPD war zu unbedeutend, um sie zu verbieten. Wenn die AfD zu bedeutend sein sollte, dann ist das Werkzeug des Parteienverbots de facto abgeschafft. Das ist auch wichtig zu wissen.

Und wer sagt: Die AfD wird aber durch einen gescheiterten Versuch stärker! Na ja, auf die NPD traf das ja auch nicht zu, oder? Und zum anderen: Wovor habt ihr Angst? Dass die AfD dann die Macht ergreift und unsere Demokratie abschafft? Genau das wollen wir mit diesem Verfahren ja verhindern. Wenn sie nicht verfassungsfeindlich ist, dann bin ich erleichtert. Und wenn ihr „nur“ ihre Politik ablehnt – wie ich natürlich auch – oder sie als Konkurrenz seht, die ihr nicht stärken wollt: Dann überzeugt doch die Wähler, die bessere Alternative zu sein. Ein Folgeargument, das ich auch oft gehört habe ist: Wir müssen über die AfD aufklären und bessere Argumente liefern. Ich möchte das mal umdrehen:

Ja, und wann wollen wir damit anfangen? Das sagen so viele, aber entweder macht es aus irgendeinem Grund noch keiner. Oder alles, was wir machen, zeigt offensichtlich keine Wirkung. Das müssen wir doch so oder so machen. Das ist buchstäblich auch das, was Volksverpetzer Tag für Tag macht. Das eine tun und das andere nicht lassen. Entweder gehört die AfD verboten oder wir müssen das machen, was wir sowieso tun sollten: Sie und ihr Gedankengut entzaubern und wieder ächten. Wer das als Gegenargument zu dem Verfahren anbringt, der kann ja mit dem Aufklären ja anfangen, falls das Verbotsverfahren scheitert. Oder es vielleicht einfach jetzt schon tun … ?

4. Die AfD wird nicht stärker, wenn sie verboten ist

Und zu guter letzt: Die AfD wird nicht stärker, wenn sie verboten ist. Und Nachfolgeorganisationen sind automatisch mit verboten, denkt dran. Wie keine zweite Partei ist die AfD abhängig von Finanzierung durch den Staat. Auch ein Entzug der Parteienfinanzierung würde sie massiv schwächen. Natürlich würde es nicht das rechtsextreme Gedankengut verschwinden lassen, aber wie bereits etabliert müssen wir das ja so oder so bekämpfen. Aber es würde uns Zeit dafür schaffen. Es würde die gebildeten Strukturen zerschlagen und schwächen. Ich nenne das das Gegenteil einer Stärkung.

5. Das Verfahren selbst könnte viele wachrütteln

Und ein letzter Punkt: Solange wir darüber sprechen (können), die AfD im Einklang mit dem Grundgesetz zu verbieten, solange wird eine drohende Koalition und damit Adelung der Rechtsextremen mit der Union oder der FDP unwahrscheinlicher. Teile der Konservativen und Liberalen nutzen derzeit fatalerweise in ihrem Kulturkampf die gleichen Narrative und Desinformation wie die AfD, besonders CDU-Chef Merz wird heftig wegen seiner Annäherung an die AfD kritisiertauch aus der Union. Die AfD nicht als normal zu behandeln ist wichtig, um diesen kritischen Dammbruch zu verhindern. Wenn es die Union nicht alleine schaffen sollte.

Und sollten die Medien und auch der Bundesrat ihre Jobs richtig machen, könnte das Verfahren vielleicht auch die AfD so entblößen, wie es nötig ist. Das wird ja nicht heimlich im stillen Kämmerlein entschieden. Die Argumente, die schrecklichen Zitate, die grausamen Ziele der AfD werden dann vielleicht deutlich und ordentlich in der Öffentlichkeit diskutiert. Und nicht nur bei Volksverpetzer oder im Verfassungsschutzgutachten.

Wenn man es richtig macht, kann man so die Bevölkerung über die wahre Gesinnung der AfD aufklären. Damit keine Illusionen und Verharmlosungen mehr möglich sind. Selbst wenn die AfD nicht als Ganzes verboten wird, und nur zum Beispiel ein Landesverband, was auch möglich wäre.

Habt ihr eine bessere Alternative?

Ich bin für kein AfD Verbot. Aber diese Partei macht mir Angst. Es macht mir Angst, wie viele Menschen auf die Lügen und den Hass dieser Rechtsextremisten hereinfallen. Ein Weg, vor dem wir seit Jahren warnen und nie ernst genommen wurden. Diese Petition, die Bitte an den Bundesrat ist nicht mein erster Weg. Eher der letzte. Ich will nicht in ein paar Jahren bereuen müssen, dass wir es nicht getan haben, als es noch nicht zu spät war. Weil wir Angst hatten, dass genau das eintritt.

Nein, es ist kein sicherer Weg. Nein, es ist kein schöner Weg. Aber die Gegenargumente haben mich auch nicht überzeugt. Wir müssen den Hass, die Lügen, den Rechtsruck bekämpfen. Ja, so oder so. Ja, das ist buchstäblich das, was Volksverpetzer als Anti-Fake-News-Blog Tag für Tag versucht. Die deutsche Medienlandschaft versagt immer noch auf ganzer Linie dabei.

Mit dem Verweis, etwas vielleicht notwendiges nicht zu tun, und dann eine utopische Aufklärung vorzuschlagen, die dann auch nicht kommt – das überzeugt mich nicht. Alice Weidel und Björn Höcke können noch heute zur besten Sendezeit rumopfern. Und werden dadurch stärker. Bekämpft endlich das Gedankengut, entzaubert endlich die AfD, die ihr als Alternative vorschlagt. Oder erkennt, dass es (so) nicht mehr weiter geht. Das ist kein Argument dagegen, diese Petition zu unterzeichnen. Die AfD wird nicht stärker, wenn sie verboten wird. Dann ist sie verboten. Wer noch weitere Fragen hat:

Artikelbild: imago/Samy Minkoff

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