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Die Demokratie ist auch aus der Mitte heraus gefährdet

Gastbeitrag Julian Daum

Die AfD will Millionen Menschen aus Deutschland vertreiben. Wie reagiert die Politik? Die will ihr entgegen kommen: Unter anderem beschließt sie ein noch schärferes Abschiebegesetz. Und der Union geht das nicht weit genug. Die Demokratie ist nicht nur durch Rechtsextreme gefährdet. Die Mitte selbst hat völkische Denkmuster nie abgelegt.

Der Staat muss funktionieren, wenn es darum geht, Menschen, die nicht bei uns bleiben können, zurückzuführen.

Genauer soll das „mehr und schneller abschieben” funktionieren, und zwar “im großen Stil”.

Im April 2022 forderte die AfD im Bundestag, was sie “Abschiebeoffensive” nannte und kassierte damals heftige Kritik von allen anderen Bundestagsfraktionen. Und spätestens seit Bekanntwerden des Potsdamer Deportationsgipfels, bei dem CDU- und AfD-Politiker*innen mit weiteren Rechtsextremen der Identitären Bewegung die Massenvertreibung von Menschen mit Einwanderungsgeschichte besprochen hatten, grenzen diese sich öffentlichkeitswirksam vom Rechtsextremismus ab.

Rechts verurteilen und dann rechte Politik umsetzen?

Dieser wäre “der endgültige Abstieg für Deutschland, dem wir uns mit aller Kraft entgegenstellen”, schrieb etwa CDU-Chef Friedrich Merz auf Twitter. Bundeskanzler Scholz mahnte, dass “wir als Demokraten” gegen den Rechtsextremismus zusammenstehen müssen. Und jedes Jahr nutzen Politiker*innen den Gedenktag zum rechtsextremistischen Anschlag in Hanau, bei dem neun Menschen aus rassistischen Motiven ermordet wurden, um sich gegen das “Gift, das sich in unserer Gesellschaft niemals ausbreiten darf” zu positionieren. Als solches bezeichnete Justizminister Marco Buschmann Rassismus, mit Bezug auf Hanau.

Wie passen diese Sätze zusammen mit der Tatsache, dass sich sowohl die Ampelparteien als auch die Union und die Freien Wähler seit 2022 dem rassistischen Chauvinismus der AfD in Forderungen und Umsetzung stark angenähert haben? Die beiden Zitate am Anfang des Textes etwa stammen nicht von Alice Weidel & Co., sondern von SPD-Chef Lars Klingbeil und Bundeskanzler Olaf Scholz.

Sie und die Bundesregierung haben mit dem sog. Rückführungsverbesserungsgesetz vor Kurzem einen neuen Hardliner-Kurs in der Migrationspolitik beschlossen. Die Abschiebehaft wird verschärft, Grundrechte von Asylbewerber*innen eingeschränkt, deren Wohnungen, Smartphones und Cloud-Speicher nun einfacher durchsucht werden dürfen. Auch Seenotrettung wird kriminalisiert. Die Rechtsberaterkonferenz der Wohlfahrtsverbände bezeichnete das Gesetz und die Diskussion über die betroffene Gruppe als “Wasser auf die Mühlen der Rechtsextremen.”

Völkische Kontinuitäten

Seit dem vergangenen Jahr wird in der öffentlichen politischen Debatte wieder verstärkt an völkische Vorstellungen angeknüpft, die – sofern sie von den demokratischen Parteien kommen – medial kaum hinterfragt wurden. Diese haben ihren Ursprung am Ende des 19. Jahrhunderts. Im Gegensatz zu dem offensichtlichen biologischen Rassismus der Nazis hat sich die Gesellschaft nie wirklich mit dieser menschenverachtenden völkischen Ideologie auseinandergesetzt, die auf einem ethnisch und kulturell begründeten Rassismus fußt.

Die Strömungen der völkischen Bewegung strebten im deutschen Kaiserreich und vor allem in der Weimarer Republik die ethnisch „reine“ Volksgemeinschaft an und nahmen immer mehr Einfluss auf Politik und Gesetzgebung. Das Abstammungsprinzip im Staatsangehörigkeitsrecht von 1913 etwa geht auf sie zurück und wurde nach dem Zweiten Weltkrieg wieder unverändert von der BRD übernommen (Vgl. Oliver Trevisiol, Die Einbürgerungspraxis im Deutschen Reich 1871 – 1945, Universität Konstanz, 2004, S. 43). Die Ideologie geht von einer “arteigenen”, homogenen Kultur aus, die vor fremden Einflüssen und allem Undeutschen geschützt werden müsse. Als undeutsch galt überhaupt alles Ausländische, vor allem aber alles Jüdische und Slawische. Diese als Gefahr angesehenen Einflüsse und Vermischungen sollten ferngehalten oder rückgängig gemacht werden.

Asylpolitik und Staatsbürgerschaft sind zwei paar Schuhe

Und diese Ideologie wirkt nach. Auch in der Asylpolitik, wo es zunächst einmal nicht darum geht, wer deutsch ist und wer nicht, sondern nur darum, wer weshalb nicht bleiben darf. Denn die zunehmende Härte gegenüber Geflüchteten ist das Ergebnis einer mitunter rassistisch geführten gesellschaftlichen Debatte, die diese Migrationsbewegungen auch v.a. als “fremde Bedrohung” zeichnet (vgl. Naturkatastrophenrhetorik: „Flüchtlingswelle“, „Flüchtlingstrom“, “Flüchtlingslawine“) und die ankommenden Menschen nach ökonomischer Nützlichkeit sortiert (Fachkräfte zu unserer Wohlstandssicherung). Und diese Rhetorik stammt nicht ausschließlich vom rechtsextremen Rand, sondern war seit 2015 Teil des Vokabulars der großen Zeitungen und Regierungspolitiker*innen.

Eine Studie zur Berichterstattung über Geflüchtete nach der Silvesternacht 2015/16 kam gar zu dem Schluss, die deutschen Medien hätten “den gewalttätigen Einwanderer als Angstfigur neu entdeckt”. Völkische Reflexe finden sich hier also in der Abwehrhaltung gegenüber einer angeblichen fremden Bedrohung. Ein entscheidender Unterschied zu den offen völkischen Teilen der AfD, die auch deutsche Staatsbürger*innen ablehnen, die eine Einwanderungsgeschichte aufweisen.

Deutsche sind Deutsche. Aber auch die Regierung zweifelt teilweise daran

Doch längst zweifeln selbst Regierungsverantwortliche offen am Deutschsein bestimmter Menschen, obwohl verfassungsgemäß laut Art 116 GG gilt: deutsch ist, wer die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt. Dabei gilt einerseits das Abstammungsprinzip (ius sanguinis: deutsch ist, wer einen deutschen Elternteil hat), das im Jahr 2000 um das Territorialprinzip erweitert wurde (ius solis: Kinder ausländischer Eltern können unter bestimmten Voraussetzungen Staatsangehörigkeit erwerben). Grundsätzlich aber gilt: Wer deutsch ist, wird nicht durch Ethnie, Kultur oder sonstige Marker definiert. Trotzdem werden mittlerweile Forderungen debattiert, Menschen mit doppelter Staatsangehörigkeit bei bestimmten Vergehen den deutschen Pass wieder zu entziehen. 

Nach dem 7. Oktober forderte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder etwa, deutsche Doppelstaatler, die an „antisemitischen Kundgebungen“ teilnehmen, sollten ihren Pass verlieren. Die CDU/CSU-Fraktion legte dazu einen Entschließungsantrag vor, der von der Regierung einen entsprechenden Gesetzesentwurf zum Verlust der deutschen Staatsbürgerschaft bei Antisemitismus forderte. Dass völlig unklar ist, wer überhaupt bestimmt, was antisemitisch ist, ist die eine Sache. Die Berliner Antidiskriminierungsklausel für Förderprojekte jedenfalls, der eine umstrittene Definition von Antisemitismus zugrunde lag, wurde wegen juristischer Bedenken vorerst gekippt. Die andere Seite ist die fortwährende Implikation, Antisemitismus sei v.a. ein “importiertes” Problem.

Keine deutschen Eltern, Großeltern, Urgroßeltern? Pech gehabt!

Vor allem aber stellt diese Forderung die Abstammung von Menschen in den Fokus und hätte in den meisten Fällen nur Konsequenzen für jene, deren Eltern, Großeltern oder Urgroßeltern nicht schon Deutsche waren. Als könne man richtig deutsch – selbst nach Erhalt der Staatsbürgerschaft – nur sein und nicht werden. Das ist eine zutiefst im Völkischen verwurzelte Vorstellung, wenn nicht gar der Kern dieser Ideologie. 

Der Passentzug jedenfalls wäre eine krasse Aufweichung des in der Verfassung aus den Erfahrungen des Nationalsozialismus heraus beschriebenen Staatsvolkes, das weder ethnisch noch kulturell definiert ist, sondern primär im Status als deutscher Staatsbürger. Es würde eine komplette Bevölkerungsgruppe mit Einwanderungsgeschichte rechtlich zu Deutschen auf Abruf, Deutsche zweiter Klasse, machen.

Mehr noch: die sog. Mitte macht auch jenseits rechtlicher Definitionen immer wieder klar, dass sie Menschen mit Einwanderungsgeschichte auch knapp 70 Jahre nach dem ersten Anwerbeabkommen als etwas Fremdes wahrnimmt, das nicht richtig dazugehört. Das zeigt sich in regelmäßigen Abständen, wenn Politiker*innen Migration als Problem zeichnen und dabei beispielsweise den Berliner Bezirk Neukölln zur Gefahr erklären: Dort sehe man angeblich “kaum noch Frauen – und wenn, dann mit Kopftüchern” (Jens Spahn, CDU, 2017). Oder Eltern sollten davor gewarnt werden, “ihre Kinder ins Columbiabad zu schicken” (Heinz Buschkowsky, SPD, 2023). Was es mit dem rechten Narrativ dazu auf sich hat:

Friedrich Merz sprach einem anderen, seit jeher stark von Einwanderung geprägten Berliner Stadtteil auf einem Volksfest 2023 ab, überhaupt Teil Deutschlands zu sein: “Nicht Kreuzberg ist Deutschland, Gillamoos ist Deutschland.” Kritiker*innen antworteten, er sage zwar Kreuzberg, aber meine alle Orte mit Vielfalt.

Migration als Bedrohung

Gesetzlich macht es keinen Unterschied, wie lange Menschen bereits die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen. Sie macht sie und ihre Nachkommen deutsch. Das bedeutet jedoch nicht, dass Teile der Politik und Gesellschaft sie  als vollwertigen Teil dieser Gesellschaft anerkennen. Darauf deutet z.B. die Vornamenabfrage der Berliner CDU hin, mit der sie sich vor der Bürgermeisterwahl Beliebtheit erhoffte: Als sich nach den Krawallen der Silvesternacht 2022/23 herausstellte, dass ein Großteil der Tatverdächtigen deutsch war, wollten die Abgeordneten deren Vornamen erfahren. Für sie macht es eben einen Unterschied, ob jemand Mahmud oder Michael heißt.

Die Strategie sollte einer potenziellen Wählerschaft versichern, dass es sich ja doch nicht um ein genuin deutsches, sondern fremdes Problem handle, gegen das man vorgehen wolle. Monate später wünschte sich Wolfgang Kubicki von der FDP eine Migrantenquote von maximal 25 % in Stadtbezirken, und Carsten Lindemann von der CDU möchte nur 30 % davon in Schulklassen. Alles darüber führe zu “Parallelgesellschaften”, zu “Problemen”, so die Politiker.

versäumte, inkludierende Migrationspolitik

Statt sie als Symptome einer jahrzehntelang versäumten, inkludierenden Migrationspolitik anzugehen, werden tatsächlich existierende Probleme als vermeintlich fremde Gefahr für das deutsche gesellschaftliche Leben wahrgenommen. Man könnte diese tatsächlich hausgemachten Probleme durch mehr Teilhabe lösen, durch Jugend- und Erwachsenenbildung, nachhaltige Kultur- und Strukturprogramme, die Menschen eine Perspektive innerhalb der Gesellschaft geben, statt chancenloser Ausgrenzung. 

Das ist jedoch nicht das, was Politiker wie Friedrich Merz im Sinn haben, wenn sie Menschen mit Einwanderungsgeschichte stattdessen einseitig “unsere Art zu leben” vor- und entgegenhalten. Darunter versteht er etwas, das er als “Leitkultur” bezeichnet. Eine weitgehend leere Worthülse, die jedoch ein Signal der Assimilierung an Migrant*innen sendet. Merz wärmte die Jahrzehnte alte Debatte vor einigen Monaten ein weiteres Mal auf, die CDU zementierte den Begriff als von Migrant*innen abzuverlangendes Bekenntnis in ihr aktuelles Grundsatzprogramm.

Völkische Ideologie light

Diese sollen sich “im Sinne unserer Leitkultur an unsere Art zu leben anpassen und sich […] integrieren”. Das macht klar: Was deutsch ist, existiert bereits und soll nicht ergänzt oder verändert werden. Eine so verstandene, angeblich homogene Lebensart schließt in letzter Konsequenz an völkische Vorstellungen an.

Sie „schließt die sozialen Auswirkungen historischer Migrationsbewegungen, Durchmischungen und Nachkommen aus, die […] das Leben in der modernen Welt geprägt haben. Indem diese alternativen Geschichten ignoriert werden, wird suggeriert, dass Deutschland bis vor kurzem im Wesentlichen christlich und, selbst wenn multiethnisch, dennoch weiß war.“

Rita Chin, Heide Fehrenbach, The Trouble with Race, Migrancy, Cultural Difference, and the Remaking of Europe. In: Rita Chin et al., After the Nazi Racial State, Difference and Democracy in Germany and Europe, The University of Michigan Press, 2012, S. 108, Übersetzung von Gilda Sahebi.

Es sind Impulse aus der sog. Mitte wie diese, die rechtsextreme Positionen anschlussfähig machen. Wenn Migration und damit kulturelle Vielfalt als Bedrohung wahrgenommen wird, von der es sich abzugrenzen gilt, erscheint beispielsweise der Ethnopluralismus nur noch als konsequent zu Ende gedachtes Lösungskonzept. Dabei handelt es sich um ein zentrales Weltbild der Neuen Rechten, nach dessen Vorstellung sich die Welt in starre Völker und Kulturen einordnet. Anstelle des verpönten Rassebegriffs wird hier jedoch “kulturelle Identität” benutzt, die unveränderlich sei und vor fremden Einflüssen geschützt werden müsse.

“Menschen, die ethnisch keine Deutschen sind, werden unabhängig von ihrer Staatsbürgerschaft als Störfaktoren wahrgenommen, die die ›nationale Identität‹ der Deutschen bedrohen. Dasselbe gilt für Kultureinflüsse, die in diesem Sinne nicht als deutsch gelten, insbesondere Einflüsse aus der islamisch geprägten Welt und den USA.”

Thomas Pfeifer, Wir lieben das Fremde – in der Fremde, Ethnopluralismus als Diskursmuster und -strategie im Rechtsextremismus. In: Jennifer Schellhöh et al., Großerzählungen des Extremen, Neue Rechte, Populismus, Islamismus, War on Terror, Transcript Verlag, 2018, S. 35

die „Mitte“ kann nicht „rechtsextrem“ sein?

Würde man Scholz, Merz & Co. dazu befragen, weshalb völkische Reflexe den Weg in ihre Politik finden, würden sie allein die Idee höchstwahrscheinlich entrüstet ablehnen. Dabei ist eine starke extreme Rechte ohne den bereits verwurzelten strukturellen, institutionellen und gesellschaftlichen Rassismus in Deutschland nicht denkbar. Noch immer wird dieser allzu oft nicht gesehen, geleugnet und brüskiert zurückgewiesen. Ein Grund dafür ist eine als homogen konstruierte Mitte. Was Mitte ist, kann nicht rechts, nicht rechtsextrem sein. Dabei kamen all die in diesem Text besprochenen Vorschläge aus eben jener Mitte. Gleichzeitig scheint die Verwunderung groß, dass sich Teile der aktuell stattfindenden Anti-AfD-Demos auch gegen sie richten.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder beschwerte sich über die Organisator*innen in München: Denn die verorteten sich angeblich “ganz links außen”. Deutlicher sein Finanzminister Georg Eisenreich: „Wer die Union und selbst die Ampel im gleichen Atemzug mit der AfD für rechte Politik angreift, spricht nicht für den Großteil der Menschen, die heute gekommen sind.“ Gemeint ist die bürgerliche Mitte.

Dieser und weitere Kommentare offenbaren ein komplettes Unverständnis darüber, die eigene Politik – von deren Mittigkeit man schließlich überzeugt ist – könne auch nur in der Nähe rechtsextremer Positionen verortet werden, so dass Kritik daran nur von links außen kommen kann. In dieser Logik erscheinen die moderaten Fridays for Future dann folgerichtig “als Organisator für so eine Demo wie von mir befürchtet ungeeignet„, wie Eisenreich auf Facebook schrieb.

Sie sehen es einfach nicht

Der Glaube an die vernünftige, gemäßigte, christliche, weiße Mitte, als entspräche das Leben in Deutschland 2024 noch einem Heinz-Erhardt-Film, scheint so internalisiert, dass selbst jetzt noch Unverständnis darüber herrscht, wenn Menschen wie Hans Georg Maaßen von der ehemals eigenen Behörde, dem Verfassungsschutz, heute als rechtsextrem geführt werden. Dass das Problem auch aus der eigenen Mitte heraus erwächst, ist schlicht unvorstellbar.

Auch große Teile der Gesellschaft verorten sich selbst dort und sehen sich von den Rändern her gleichermaßen bedroht. Doch diese, auch als Hufeisentheorie bekannte Auffassung von Gesellschaft ist in der Politikwissenschaft umstritten, da die Gleichsetzung von Rechts- und Linksextremismus oft zur Verharmlosung rechter Gewalt führe. Eva Berendsen, Katharina Rhein und Tom Uhlig schreiben in ihrem Buch “Extrem unbrauchbar” einleitend die immer wiederkehrenden Dynamiken, die dazu führen:

“Rechter Terror wird verharmlost und mit linksradikaler Politik assoziiert, die Anliegen der Rechten werden legitimiert, lediglich die Wahl der Mittel gemaßregelt und am Schluss werden Forderungen laut, demokratische Rechte zu beschneiden. Es ist das Standardrepertoire selbsternannter Konservativer, die ihre ideologischen Schnittmengen mit den völkischen Rechten wohl selbst nicht bemerken, und jenen Liberalen, die sich selbst für gemäßigt halten.”

Eva Berendsen et al., Extrem Unbrauchbar, Über Gleichsetzungen von links und rechts, Verbrecher Verlag 2020

Die „Mitte“ macht rassismus unsichtbar

Die Fokussierung auf eine Mitte, so die Autor*innen, an der eine Gesellschaft ausgerichtet sein müsse, führe so zu einer Gleichgewichtung – oder “Gleich-Gültigkeit” – gegenüber völkischen Ideologien und den Menschen, die sich dem entgegenstellen. Die seit Wochen stattfindenden Demonstrationen gegen Faschismus und Rechtsextremismus, wo immer sie erstarken, zeigen, dass es vielen Menschen nicht gleichgültig ist, wie es um die Demokratie bestellt ist.

Trotzdem wird struktureller, institutioneller und gesellschaftlicher Rassismus noch immer allzu oft nicht gesehen und geleugnet. Dasselbe gilt für rechtsextreme Strukturen und Kontinuitäten, die in Deutschland nie Einzelfall oder singuläres Phänomen waren. Menschen, die sich einer Mitte zurechnen, die diese Probleme und die ihr zugrunde liegenden völkischen Denkmuster nicht anerkennt, aufarbeitet und beseitigt, sind für die freiheitliche Demokratie und ein friedliches Zusammenleben ebenso gefährlich wie die Rechtsextremisten der AfD. Verstehen wir es als Warnung vor der leichtfertigen Übernahme von Denkmustern, die dem Rechtsextremismus Impulse gibt, anstatt ihm eine positive Vision gelebter, auf Vielfalt beruhender Demokratie entgegenzusetzen. 

Julian Daum ist freier Journalist aus Berlin und arbeitete als Redakteur und Reporter u.a. für Formate des SWR, MDR und funk. Zu seinen Schwerpunkten zählen rechte Bewegungen und Politik, LGBTQ-Themen, sowie die Beobachtung gesellschaftspolitischer Entwicklungen im In- und Ausland. Artikelbild: paparazzza

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