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Digitalisierung: Kritik an „irrer“ Haushaltspolitik reißt nicht ab

Dieser Artikel stammt von Netzpolitik.org.Der Autor ist…
Im kommenden Jahr muss gespart werden, hat Finanzminister Christian Lindner als Parole ausgegeben. Den Rotstift bekommen auch wichtige Digitalisierungsprojekte zu spüren. Kritikerinnen sprechen von einem „Riesenproblem“.
FDP-Bundesfinanzminister Christian Lindner streicht die Zukunft zusammen. (Symbolbild) – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / LindenthalerIn ihrer Digitalstrategie setzt sich die Bundesregierung ein klares Ziel: „Die öffentliche Verwaltung muss die volle Souveränität über ihre IT haben.“ Mit Hilfe von Open-Source-Software (OSS) soll sich Deutschland aus der Abhängigkeit von einigen wenigen großen IT-Anbietern lösen, lautet die Ansage. Und damit sich die zersplitterte deutsche Verwaltung auf dem Weg dorthin nicht verirrt, soll das jüngst gegründete Zentrum für Digitale Souveränität der Öffentlichen Verwaltung die Richtung vorgeben.
Das Projekt ist eines von vielen, mit denen die Ampelkoalition die lange verschleppte Digitalisierung vorantreiben will. Zumindest war sie mit diesem Versprechen angetreten, inzwischen macht sich aber zunehmend Ernüchterung breit. So vermissen etwa ausgerechnet Mitglieder des Beirats, der bei der Umsetzung ausgewählter Leuchtturmprojekte der Digitalstrategie helfen soll, genau das – eine klare Strategie.
Die ohnehin wackligen Pläne gefährdet nun der Haushaltsentwurf für 2024 von Finanzminister Christian Lindner (FDP) weiter. Zwar treffen die geplanten Kürzungen die Digitalisierung insgesamt nicht ganz so hart wie andere Bereiche, aber auch hier soll spürbar gespart werden. Mit weniger Geld müssen sich etwa Projekte wie digitale Identitäten, Bildung oder Souveränität begnügen.
Das stößt bei der Opposition auf Unverständnis. „Meine Desillusionierung hinsichtlich der Umsetzungsfähigkeit der Ampel in Sachen Verwaltungsdigitalisierung hat durch den desaströsen Haushaltsplan nur noch eine weitere Bestätigung erhalten“, sagt die linke Bundestagsabgeordnete Anke Domscheit-Berg. „Diese Einschätzung höre ich inzwischen auch immer öfter in der digitalen Zivilgesellschaft. Überall waren die Hoffnungen groß und sind inzwischen großer Enttäuschung gewichen.“
Regierung setzt auf Budgetarithmetik
Ein Bericht der FAZ von dieser Woche vergrößerte die Enttäuschung noch. Demnach will die Bundesregierung im kommenden Jahr bloß 3 Millionen Euro für die Verwaltungsdigitalisierung ausgeben. Im laufenden Jahr waren es noch 377 Millionen Euro. Zwar versichert das zuständige Bundesinnenministerium, dieser Finanzplan sei von Anfang an so vorgesehen gewesen: 3,5 Milliarden Euro habe das Corona-Konjunkturpaket 2020 für die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) eingeplant, nun nähere sich die vereinbarte Umsetzungsfrist. Nicht abgerufene Mittel könnten jedoch in die Folgejahre übertragen werden. Laut Jens Zimmermann, dem digitalpolitischen Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, könnten das rund 300 Millionen Euro sein.
Das Vertrauen scheint auch innerhalb der Koalition angeschlagen zu sein. „Es ist falsch, an entscheidenden Stellen der Digitalisierung zu sparen“, sagte dem Spiegel die grüne Abgeordnete und Vorsitzende des Digitalausschusses Tabea Rößner. Auch ihr Parteikollege Tobias Bacherle sieht das letzte Wort noch nicht gesprochen. „Am Ende werden wir als Parlament über den Haushalt entscheiden und da gibt es noch einiges nachzubessern. Gerade zukunftsweisende Projekte wie die Modernisierung des Staates dürfen dabei nicht auf der Strecke bleiben“, so Bacherle.
Strategische Projekte unterfinanziert
Doch manchen dieser Projekte droht genau dieses Schicksal, etwa dem eingangs erwähnten Zentrum für Digitale Souveränität der Öffentlichen Verwaltung (ZenDiS). Mit Vorhaben wie dem quelloffenen Office-Paket openDesk oder der Entwicklungsplattform Open CoDE soll es gelingen, sich aus der Abhängigkeit von Microsoft zu lösen. Das erst im Winter gegründete Zentrum muss jedoch um seine finanzielle Ausstattung bangen.
Im Haushaltsentwurf des Bundes seien „im Gegensatz zu 48 Millionen Euro im Vorjahr nur knapp 25 Millionen Euro“ für den Themenbereich digitale Souveränität vorgesehen, heißt es in einem Brief von Dirk Schrödter (CDU), Chef der Staatskanzlei in Schleswig-Holstein, an Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt (SPD). Durch die Kürzungen sei eine effektive Weiterentwicklung der Projekte kaum möglich, schlägt Schrödter Alarm. „Die zentralen Vorhaben zur Stärkung der digitalen Souveränität und zum Aufbau eines nationalen und europäischen Open-Source-Ökosystems werden stark beeinträchtigt“, schreibt der Digitalpolitiker.
Indes hält das Bundesinnenministerium an den Plänen fest, trotz des enger geschnallten Gürtels. „Auch bei den Vorhaben für die digitale Souveränität mussten aufgrund der herausfordernden Haushaltslage Anpassungen im Haushalt 2024 vorgenommen werden“, teilt eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums (BMI) mit. Die Vorhaben wie openDesk und Open CoDE würden jedoch weitergeführt, die Ziele des Koalitionsvertrags erreicht: „Der Souveräne Arbeitsplatz als digital souveräne Alternative im Bereich IT-Arbeitsplatzsoftware wird im kommenden Jahr weiter an die Rahmenbedingungen der Öffentlichen Verwaltung angepasst. Open CoDE, die zentrale Open-Source-Plattform, wird sowohl weiter betrieben als auch weiterentwickelt“, heißt es aus dem BMI.
Dennoch hält die Linkspolitikerin Domscheit-Berg die Halbierung der Mittel für digitale Souveränität für ein „Riesenproblem“. Durch die Förderung der Entwicklung und des Einsatzes von Open-Source-Software sollte die Verwaltung unabhängiger von proprietärer Software großer Konzerne und gleichzeitig sicherer werden, so die Abgeordnete. An den Rahmenbedingungen habe sich nichts geändert, eher sei das Thema digitale Souveränität noch wichtiger geworden. „Diese Haushaltspolitik ist mir völlig unverständlich“, sagt Domscheit-Berg. „Das ist genauso irre, wie mitten im Höhenflug einer Partei, in der die Rechtsextremen das Sagen haben und die Demokratie akut bedroht wird, die Mittel für HateAid und die Amadeu-Antonio-Stiftung zu streichen.“

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Author: Tomas Rudl

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