Wegen der rechtsextremen AfD musste sich der Landtag von Baden-Württemberg mit einer völlig unnötigen Debatte über das Gendern herumschlagen. Denn die Landesregierung stellte offiziell fest: Es gibt im ganzen Bundesland keinen einzigen Vorfall von einem „Gender-Zwang“ oder irgendwelche Nachteile für Schüler. Die einzigen, die ein echtes Sprachverbot beantragten, war am Ende die AfD, die sich mit einem entsprechenden Antrag ordentlich blamierte.
Die „Probleme“ der AfD: Gegen halluzinierte Dinge kämpfen
Vor Weihnachten musste sich der Landtag in Baden-Württemberg wieder über völlig belanglose Themen beschäftigen – wegen der rechtsextremen AfD. Weil die AfD keine konstruktiven Forderungen hat, und nur mit Lügen und Hass ihre Wählerschaft verführt, hinderte sie die demokratischen Parteien mal wieder daran, sich um echte Probleme zu kümmern und stellte einen Antrag für ein Gender-Verbot.
Egal ob Migration, Sicherheit, Klima oder Rechte von Minderheiten: Weil die rechtsextreme Ideologie der AfD so wenig mit der Realität zu tun hat, muss sie gegen Dinge kämpfen, die sie sich selbst erst ausdenken muss. Die rechtsextreme Verbotspartei stellte buchstäblich im Landtag von Baden-Württemberg einen Antrag für ein Sprechverbot – um gegen ein Verbot zu kämpfen, das nicht mal existiert.
Die einzigen, die ein echtes Verbot fordern? Die AfD
Der Antrag mit dem lachhaft absurden Titel „Gegen die Zerstörung der sprachlichen Identität der deutschen Bürger durch ein Gender-Sprachdiktat“ polterten die Rechtsextreme verzweifelt gegen ihre eigene Fantasie. In Baden-Württemberg kann jeder schreiben und sprechen, wie er will. Niemand erhält irgendwelche Nachteile, wenn er gendert. Das bestätigt die Landesregierung sogar offiziell:
„Ich habe mir gerade nochmals von der Kultusstaatssekretärin und vom Kultusstaatssekretär bestätigen lassen, dass es keinen einzigen Fall in Baden-Württemberg gibt“, so Innenminister Thomas Strobl (CDU).
Der lächerliche AfD-Antrag, der mit 120 zu 13 Stimmen niedergeschmettert wurde, wurde auch von den anderen demokratischen Parteien zerlegt. „Wir brauchen keine Nachhilfe in Deutsch, Grammatik, Stilkunde und Orthografie durch die AfD“, sagte Strobl. „Sie behaupten, jeder soll so sprechen sollen, wie er will und gleichzeitig wollen sie Sprachverbote in Schulen und Behörden beschließen? Das passt nicht zusammen“, sagte Oliver Hildenbrand, stellvertretender Fraktionschef der Grünen.
Aber nicht nur die AfD kämpft gegen Scheinprobleme
Die guten Argumente und der Widerspruch gegen die AfD von CDU und auch FDP sind zwar lobenswert, aber am Ende doch merkwürdig. Denn die CDU will das Gendern in Baden-Württemberg selbst verbieten. Die CDU-Fraktion hatte laut SWR bei ihrer Klausurtagung im Herbst 2022 gefordert, dass sich alle amtlichen, behördlichen und schulischen Einrichtungen in Baden-Württemberg ausschließlich an die gültigen Grammatik- und Rechtschreibregelungen halten sollten – und unterstützt ein entsprechendes Volksbegehren, das die gleichlautende Forderung aufgegriffen hatte. Ein entsprechender Antrag wurde Anfang 2023 nur deshalb nicht mit Stimmen von FDP, CDU und AfD beschlossen, weil die CDU die Koalitionsfrieden mit den Grünen wahren wollte.
Wie die AfD argumentieren auch die Konservativen mit paradoxen Aussagen. „Nach meinem Verständnis verordnet man Politik, genau wie Sprache, besser nicht von oben herab, sondern bewegt sich auf Augenhöhe mit den Menschen im Land“, erklärte der CDU-Fraktionschef Hagel, aber um genau eine derartige Verordnung von oben herab zu rechtfertigen. Natürlich geht es dabei ausschließlich um das Gendern im öffentlichen Bereich, warum aber das freiwillige Gendern einzelner Individuen „Zwang“ sein soll, das explizite Verbieten davon jedoch nicht, kann die CDU genauso wenig erklären wie die AfD.
Es braucht auch gar nicht die Rechtsextremen, um derartige Sprechverbote im Land umzusetzen. Überall sind es vor allem die Konservativen, die Gender-Verbote beschließen. In vielen Bundesländern existieren derartige Verbote, kürzlich hat Bayerns Ministerpräsident Söder auch mal wieder eine 180-Grad-Wende vollzogen und fordert genau wie die AfD ein Gender-Verbot.
Gibt es keine wichtigeren Probleme?
Schön, dass die CDU den absurden Antrag der AfD für Sprechverbote so deutlich verurteilte. Schön, dass die Generalsekretärin der CDU-Fraktion, Isabell Huber, erklärte, die Gleichbehandlung der Geschlechter sei im Grundgesetz verankert und auch für die Ansprache gültig. Sie sagte, die von der AfD angestoßene Debatte diene nur dazu, über „Phantomprobleme zu reden, die es gar nicht gibt“, und bezeichnete und den AfD-Umgang mit dem Gendern als „erbärmlich“.
Da hat sie ja auch absolut Recht – wenn niemand Nachteile davon hat, dass manche Menschen gendern, weil sie auch in ihrer Sprache Frauen und nicht binäre Personen einschließen wollen, wenn die CDU selbst erklärte, dass man gegen staatliche Bevormundung sei, warum unterstützt man dann genau das? Die CDU behauptet, das sei etwas, was „die Menschen bewegt“. Aber warum? Vielleicht, weil man derartige „Phantomprobleme“ der AfD aus populistischen Gründen inzwischen kopiert und legitimiert? Dass man Verbote fordert, sobald genug Menschen etwas verboten haben wollen, entspricht ja auch nicht der Philosophie von FDP oder Union, die trotzdem gegen Böllerverbot oder Tempolimit sind, obwohl die Mehrheit jeweils dafür wäre.
Man muss Gendern ja nicht mögen oder selbst tun. Man darf es auch kritisieren und fordern, dass es andere unterlassen sollen. Aber warum muss man es verbieten? Es ist ja offensichtlich kein Problem in irgendeiner Hinsicht, es ist nicht einmal häufig verbreitet, es stört nur manche. Eine extrem illiberale Forderung. Besonders absurd, dass die selbsterklärte Freiheitspartei FDP hier eifrig zum autoritären Hammer greift.
Es gibt im ganzen Bundesland keinen einzigen Vorfall von einem „Gender-Zwang“ oder irgendwelche Nachteile für Schüler. Gendern sei ein „Phantomproblem“ der AfD. Es wäre schön, wenn Konservative und erst recht angebliche Liberale derartige autoritäre und belanglose Reflexe nicht nur dann erkennen und kritisieren könnten, wenn es die Rechtsextremen der AfD tun.
Artikelbild: canva.com
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