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EU-Gesetz gegen Schleusung: Kein Willkommen ist illegal

Dieser Artikel stammt von Netzpolitik.org.

Mit einer Richtlinie will die EU-Kommission Mindeststrafen für Schleusungskriminalität in Europa angleichen. Doch der Gesetzesvorschlag könnte auch dafür sorgen, dass Slogans wie „Refugees Welcome“ auf Online-Plattformen gelöscht werden.

Ein Banner mit "Refugees Welcome" an einem Haus
Anstiftung oder Menschlichkeit? – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Maria Teneva

„Wir haben Platz“, „Flüchtlinge Willkommen“, „Kein Mensch ist illegal“, „Sichere Fluchtwege!“ Solche Sprüche kennt man von Demonstrationsplakaten für das Recht auf Asyl, von Stickern oder Solidaritätserklärungen online und offline. Sie sollen Geflüchteten und Flüchtenden zeigen: Wir heißen euch Willkommen. Ein Ausdruck von Menschlichkeit, doch ein Richtlinienvorschlag der EU-Kommission könnte solche Statements kriminalisieren.

Es geht um den Vorschlag für eine Richtlinie „zur Festlegung von Mindestvorschriften zur Verhinderung und Bekämpfung der Beihilfe zur unerlaubten Ein- und Durchreise und zum unerlaubten Aufenthalt in der Union“. Bei der Vorstellung begründete Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen die Initiative etwa damit, dass kriminelle Schleusergruppen menschliche Not ausnutzen und eine Gefahr für die allgemeine Sicherheit darstellen würden. Doch der Gesetzestext beträfe nicht nur diejenigen, die Flüchtende aus finanziellem Interesse unter oftmals sehr gefährlichen Bedingungen in die EU bringen.

Anstiftung zu unerlaubter Einreise

So steht im Text, dass die Mitgliedstaaten einen Straftatbestand festlegen sollen, „um gegen die Vorgehensweise von Personen, die Drittstaatsangehörige öffentlich – beispielsweise über das Internet – zur unerlaubten Ein- und Durchreise oder zum unerlaubten Aufenthalt in der Union anstiften, vorzugehen“. Eine Bedingung, dass sie das tun, um sich selbst finanziell zu bereichern, ist nicht vorgesehen.

Dadurch unterscheidet es sich von den Regelungen zur tatsächlichen Beihilfe, dort gibt es diese Voraussetzung. So könnte die geplante Regel nicht nur „werbeähnliche“ Angebote von Schleusern betreffen, sondern auch solidarische Statements und Aufrufe.

Keine Anstiftung soll hingegen sein, wenn jemand „objektive Informationen für Drittstaatsangehörige oder deren Beratung“ in Sachen „legale Einreise“, „rechtmäßigem Aufenthalt“ oder „internationalen Schutz“. Auch hier könnten Informationen über die Sicherheit von Fluchtrouten aus humanitären Motiven zum Problem werden, wenn es dennoch um eine illegalisierte Einreise geht. Zudem ist der Begriff „objektiv“ nicht eindeutig definiert.

Neben der Strafbarkeit stellt der Richtlinienentwurf auch klar, dass solche Inhalte illegal wären und somit unter das Digitale-Dienste-Gesetz fallen würden. Das bedeutet, dass Plattformen die entsprechend illegalisierten Inhalte nach Hinweisen darauf löschen müssen. Schon seit Jahren gibt es eine koordinierte Zusammenarbeit zwischen Plattformen und Europols Meldestelle für Internetinhalte, die „Migrantenschleusung“ betreffen.

Eine Gefahr für Menschen und Meinungsfreiheit

Chloé Berthelemy von der europäischen Bürgerrechtsorganisation EDRi sieht das Grundrecht auf Meinungsfreiheit in Gefahr, ebenso wie das Recht, Informationen online zu erhalten und weiterzugeben. Gegenüber netzpolitik.org schreibt sie: „Sollte eine so vage Bestimmung angenommen werden, könnte das unverhältnismäßig stark Menschen treffen, die Solidaritätsbekundungen, wichtige Informationen über sicherere Routen oder sogar ihre politische Meinung über die Migrationspolitik ihrer Regierung äußern.“

Auch Migrant:innen, die ihre Reise online dokumentieren, könnte die Regelung betreffen. „Die Sicherheit der Menschen und der demokratische Onlinediskurs sind hier in Gefahr“, so Berthelemy.

Sie sieht vor allem die EU durch restriktive Migrations- und Grenzpolitik selbst in der Verantwortung, dass es Schleusungen gebe. Die neuen Vorschläge würden „die Migrationsbedingungen der Menschen nur verschlimmern und lenken von der eigenen Verantwortung der EU bei der Befeuerung von Schleusung und Menschenhandel ab.“

Kriminalisierung von humanitärer Hilfe

Auch die UN-Sonderberichterstatterin zur Lage von Menschenrechtsverteidigern fordert die EU auf, die Kriminalisierung der „Anstiftung“ zu streichen und auch bei anderen Straftatbeständen Ausnahmen für humanitäre Handlungen zu schaffen. Sie verweist auf Fälle, bei denen bereits Menschenrechtsverteidiger:innen in Griechenland verfolgt wurden, weil sie Informationen mit Migrant:innen geteilt hatten.

Wir haben die EU-Kommission gefragt, wie sie die Begriffe „Anstiftung“ und „objektive Informationen“ definiert. Außerdem haben wir verschiedene Beispiele solidarischer Äußerungen zur Beurteilung vorgelegt und um Einschätzung gebeten, ob sie gemäß der Richtlinien künftig strafbar wären. Eine Antwort erhielten wir bisher nicht.

Die Diskussion erinnert an den britischen Online Safety Bill. Dort geht es zwar nicht um Anstiftung, aber um „Beihilfe zu illegaler Immigration“. Die NGO Open Rights Group wies hier auf das Risiko von übermäßigen Löschungen hin, doch die Regelung blieb bestehen.


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Author: Anna Biselli

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