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Gesetz gegen Schleusungskriminalität: Die EU will Europol aufrüsten, ohne die Folgen abzuschätzen

Dieser Artikel stammt von Netzpolitik.org.

Mit der Begründung, Schleusungen zu bekämpfen, will die EU ihre Behörden weiter aufrüsten. Es geht um mehr Personal und Rechte für Europol und auch Frontex. Der europäische Datenschutzbeauftragte warnt vor einer „erheblichen Ausweitung der Verarbeitung biometrischer Daten“.

Die Ladefläche eines Pritschenwagens mit zurückgelassenen Schuhen und Müll.
Bei Schleusungen geraten Flüchtende oft in Gefahr. – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / epd

Im November 2023 hat die EU-Kommission eine Richtlinie und eine Verordnung vorgeschlagen, die Schleusungskriminalität besser bekämpfen sollen. In der geplanten Richtlinie geht es darum, dass die Mitgliedstaaten etwa einheitlichere Strafen für Schleusung festlegen müssen. Nach dem Willen der Kommission soll die „Beihilfe zur unerlaubten Einreise“ künftig überall in der EU mit mindestens bis zu drei Jahren Haft bestraft werden.

In der geplanten Verordnung soll die Rolle der europäischen Polizeiagentur Europol ausgebaut werden. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) sagte bei der Vorstellung der Gesetzespläne: „Die Schleusernetze entwickeln sich ständig weiter. Und das muss auch für unsere Gegenmaßnahmen gelten.“ Konkret will die EU deutlich mehr biometrische Daten verarbeiten, mehr Daten unter Behörden austauschen und unter anderem den Behörden Europol und Frontex noch mehr Werkzeuge geben.

Gesetz ohne Folgenabschätzung

So soll die Europol künftig als offiziell Mitgliedstaaten „bei der wirksamen und effizienten Verarbeitung biometrischer Daten“ unterstützen. Damit sind nicht nur Fingerabdrücke, sondern auch Gesichtsbilder gemeint. Dazu sollen etwa das Fingerabdruck-Identifizierungssystem und weitere IT-Systeme ausgebaut werden, zusätzlich soll Europol „die Fähigkeit zur Verarbeitung von DNA-Profilen entwickeln“.

Der Europäische Datenschutzbeauftragte Wojciech Wiewiórowski ist alarmiert. In einer Stellungnahme zum Gesetzentwurf schreibt er, „dass all diese Initiativen unweigerlich zu einer erheblichen Ausweitung der Verarbeitung biometrischer Daten führen werden“ – nicht nur bei Europol, sondern auch in den Mitgliedstaaten. Das werfe Fragen auf, etwa welche Schutzmaßnahmen gewährleisten, dass die Datenverarbeitung erforderlich und verhältnismäßig sei.

Für solche Fragen gibt es eigentlich sogenannte Folgenabschätzungen. Bevor die Kommission einen Gesetzesvorschlag vorstellt, soll sie ihn auf mögliche Auswirkungen und die Verhältnismäßigkeit abklopfen. Diese Folgenabschätzung hatte sich die Kommission in ihrer Agenda für bessere Rechtsetzung selbst verordnet. Bei diesem Vorschlag ist das nicht passiert. Die Kommission begründet das mit dem „dringenden operativen Erfordernis“, die Mitgliedstaaten zu unterstützen. Es hätten „nur wenig oder gar keine Wahlmöglichkeiten zur Verfügung“ gestanden. Zu Grundrechten schreibt sie knapp: „Dieser Vorschlag trägt diesen rechtlichen Anforderungen in vollem Umfang Rechnung.“

Mit den gesetzlichen Ausweitungen soll auch mehr Personal für die Polizeibehörde einhergehen. So heißt es im Vorschlag, dass Europol mehr „Forensik-, Entschlüsselungs- und Datenspezialisten“ bekommen soll, „um die Extraktion und Verarbeitung großer und komplexer Datensätze zu gewährleisten“ – sowohl für Daten bei Europol selbst als auch bei Behörden von Mitgliedstaaten. Diese Daten sollen sowohl aus EU-Ländern als auch aus Drittstaaten kommen. Ebenso sieht der Aufstockungsplan „Spezialisten für OSINT/Medienbeobachtung“ vor.

Frontex wird immer mehr zur Polizei

Ein weiterer Kritikpunkt von Wiewiórowski sind die geplanten Regelungen für Frontex. Die Grenzschutzagentur soll in einem „Zentrum zur Bekämpfung der Migrantenschleusung“ noch enger mit Europol zusammenarbeiten. Doch wie genau und welche Daten Frontex beisteuert und verarbeitet, ist dem Datenschutzbeauftragten zufolge nicht klar genug.

Die Befugnisse von Frontex zur Verarbeitung personenbezogener Daten seien begrenzt, so Wiewiórowski. Schon im vergangenen Jahr hatte er Unklarheiten angemahnt, Anlass waren Daten aus Befragungen von Flüchtenden. In der Folge hatte er eine Untersuchung wegen der Weitergabe solcher Informationen an andere Behörden eingeleitet.

Wiewiórowski empfiehlt, die Rolle von Frontex „bei der Bekämpfung von Schleuserkriminalität und Menschenhandel zu klären und einzugrenzen, um zu vermeiden, dass Frontex de facto zu einer Strafverfolgungsbehörde gemacht wird“.


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Author: Anna Biselli

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