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Bis zum Ende des Jahrzehnts soll es überall in der EU moderne Netze geben. In ihrem ersten Zwischenbericht zur „Digitalen Dekade“ mahnt die EU-Kommission Deutschland zu einem höheren Tempo. Dabei helfen könnte die „Gigabit-Richtlinie 2.0“, zu der nun erste Zahlen vorliegen.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bei ihrer letzten Rede zur Lage der Europäischen Union. – Alle Rechte vorbehalten European Union 2023 / Mathieu CUGNOTDie Versorgung mit Glasfaser habe in Deutschland „sehr gravierende Mängel“, mahnt die EU-Kommission in ihrem ersten Bericht über den Stand der sogenannten Digitalen Dekade. Während der EU-Schnitt derzeit bei 56 Prozent liege, seien in Deutschland nur 19 Prozent der Haushalte und Unternehmen über FTTH (Fiber to the Building) angeschlossen, heißt es in dem am Mittwoch veröffentlichten Kapitel zu Deutschland. Obwohl die Bundesregierung den Glasfaserausbau mit „erheblichen Mitteln“ und einem „klaren Bekenntnis zum bundesweiten Ausbau“ unterstütze, solle Deutschland den Ausbau weiter beschleunigen, fordert die Kommission.
Die „Digitale Dekade“ hatte die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vor drei Jahren ausgerufen. Mit der Digitalisierungsstrategie will Brüssel die digitale Transformation in der EU voranbringen. Bis zum Jahr 2030 sollen sich unter anderem die digitale Infrastruktur, digitale Kompetenzen und die Digitalisierung öffentlicher Dienste meßbar verbessern. Als Infrastrukturziele gelten eine vollständige Versorgung mit Glasfaserleitungen bis zum Gebäude sowie eine ebenfalls flächendeckende Abdeckung mit dem 5G-Mobilfunkstandard.
Zum Erfolg gestolpert
Tatsächlich fördert Deutschland seit dem Jahr 2015 den Ausbau mit Milliardenbeträgen, vor allem in Gebieten, die bislang gar nicht oder schlecht versorgt waren. Trotz erheblicher Anlaufschwierigkeiten unter dem Ex-Infrastrukturminister Alexander Dobrindt (CSU) und einem zeitweiligen Antragstopp unter dem derzeitigen Amtsinhaber Volker Wissing (FDP) hat sich die Lage seitdem deutlich verbessert. Zum von Ex-Kanzlerin Angela Merkel einst ausgegebenen Versprechen, bis zum 2018 allen Haushalten eine Versorgung mit mindestens 50 MBit/s garantieren zu können, reicht es zwar bis heute nicht. Immerhin ist der Anteil völlig unterversorgter Haushalte inzwischen in den niedrigen einstelligen Prozentbereich abgesunken.
Vorangekommen ist auch der Glasfaserausbau, wenn auch auf einem deutlich niedrigeren Niveau. Den letzten Zahlen der Bundesnetzagentur zufolge liegt die Versorgungsquote mit Glasfaser bundesweit bei etwas mehr als 23 Prozent der Haushalte, was grob den Zahlen der EU-Kommission entspricht. Dazu beigetragen haben neben staatlichen auch private Investitionen. Der aktuellen Marktanalyse des Bundesverbands Breitbandkommunikation (Breko) nach haben die Betreiber im Vorjahr rund 13 Milliarden Euro in die Hand genommen, der Löwenanteil davon fließt in moderne Netze. Der Verband sieht Deutschland damit „auf einem guten Weg, die Ziele der Bundesregierung zu erreichen, 2025 die Hälfte und bis 2030 ganz Deutschland mit Glasfaser zu versorgen.“
Erste Zahlen zur „Gigabit-Richtlinie 2.0“
Rätselraten gab es zuletzt bei manchen Betreibern und Kommunen darum, wie sich die neu aufgelegte Gigabit-Förderung auf den Ausbau auswirkt. Nach dem überraschenden Antragstopp im Herbst legte das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) im Frühjahr eine neue „Gigabit-Richtlinie 2.0“ vor. Seitdem sind grundsätzlich alle Gebiete förderfähig, die noch nicht gigabitfähig sind. Um ein erneutes Versiegen der Fördertöpfe zu verhindern, ist dies jedoch an bestimmte Kriterien geknüpft.
Nun liegen dazu erste Zahlen vor. Bis zum 1. September haben die Länder insgesamt rund 930 Millionen Euro an Zuschüssen beantragt, wie aus der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Unionsparteien hervorgeht. Etwas mehr als 190 Millionen Euro davon fließen an sogenannte „Fast Lane“-Projekte, also an Gebietskörperschaften, die einen besonderen Nachholbedarf beim Ausbau haben.
Darum beworben haben sich lediglich drei Bundesländer: Baden-Württemberg erhält rund 11 Millionen Euro, Rheinland-Pfalz knapp 35 Millionen Euro und Niedersachsen ganze 144 Millionen Euro. Bis auf Weiteres dürfte dies die letzte Bundesförderung für Niedersachsen sein. Die Landesregierung gab kürzlich bekannt, künftig keine Landesmittel mehr zuschießen zu wollen, die in aller Regel Voraussetzung für die Bundesförderung sind.
Rund 714 Millionen Euro sind für reguläre Infrastrukturprojekte eingeplant. An der Spitze liegt hierbei Baden-Württemberg (rund 434 Millionen Euro), gefolgt von Sachsen (120 Millionen Euro), Bayern (knapp 96 Millionen Euro) und Hessen (rund 64 Millionen Euro). Andere Länder befinden sich augenscheinlich noch in der Planungsphase: Für Beratungsleistungen wurden fast 35 Millionen Euro bewilligt. Insgesamt will das BMDV im laufenden Jahr 3 Milliarden Euro ausschütten.
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Author: Tomas Rudl