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Internet-Kontrolle: Belgien setzt Überwachungs-KI der deutschen Medienaufsicht ein

Dieser Artikel stammt von Netzpolitik.org.

Auch Medienwächter*innen in Belgien durchforsten das Internet automatisch, unter anderem suchen sie frei zugängliche Pornografie. Dahinter steckt das Online-Werkzeug KIVI, das die deutsche Medienaufsicht in der EU beworben hat. Andere Länder haben bislang nicht angebissen.

Illustration im Bauhaus-Stil zeigt einen Scheinwerfer auf einem Turm, der einen breiten Lichtkegel auf eine Stadt wirft.
Aufsicht übers Internet (Symbolbild) – Public Domain DALL-E-3 („a spotlight on a tower scans the city with a wide beam of light, bauhaus style reduced minimalist geometric shape“); Bearbeitung: netzpolitik.org

Die Software geht im Internet auf Streife und spült verdächtige Inhalte in ein Ticketsystem. Das ist das Prinzip von KIVI, einem Werkzeug der deutschen Medienaufsicht. Dieses Werkzeug kommt nun auch in Belgien zum Einsatz. Für die Software verdächtig sind zum Beispiel Pornos oder Gewaltaufrufe; Menschen müssen das dann händisch prüfen.

Das Wort KIVI besteht aus der Abkürzung für Künstliche Intelligenz, KI, und den ersten Buchstaben des lateinischen Wortes „vigilare“, überwachen. Die Landesmedienanstalt Nordrhein-Westfalen hat das Werkzeug zusammen mit der Berliner IT-Firma Condat AG entwickelt und setzt sich für seine Verbreitung ein. „Die Vermarktung in das europäische Ausland ist nur gemeinsam mit der Landesmedienanstalt möglich beziehungsweise vorgesehen“, schrieb uns ein Condat-Sprecher hierzu im Jahr 2022. Zunächst wurde KIVI in ganz Deutschland ausgerollt, nun gehört mit Belgien auch das erste weitere EU-Land dazu.

Wie die belgische Medienaufsicht CSA (Conseil Superieur De l’Audiovisuel) mitteilt, hat sie mithilfe von KIVI bereits nach Pornografie auf dem Twitter-Nachfolger X gesucht. Von September bis Dezember 2023 wurden demnach rund 5.000 Verdachtsmeldungen gesammelt. Prüfer*innen hätten rund ein Fünftel davon gesichtet, und rund 90 Prozent dieser Inhalte seien „klar“ pornografisch gewesen. Ohne strenge Alterskontrollen dürfen solche Inhalte nicht zugänglich sein.

250 Stichworte auf Französisch

KIVI wurde zunächst für deutschsprachige Inhalte entwickelt. Dafür sucht KIVI etwa nach verdächtigen Wörtern. Die genaue Liste möchte die Medienaufsicht jedoch nicht offenlegen. Bislang bekannte Wörter sind etwa „Terror“, „Mord“, „Islam“, „Juden“, „Christen“ – sie können KIVI etwa auf extremistische Inhalte hinweisen.

Beim Einsatz in Belgien geht es um Inhalte auf Französisch. Die belgische Medienaufsicht habe die Software hierfür mit 250 Stichworten gefüttert, offenbar aus dem Bereich Pornografie, sowie mit 90 besonders aktiven Accounts, heißt auf der Website der Aufsicht. Gemeint sind offenbar Social-Media-Profile, die nach Auffassung der Medienwächter*innen besonders viele pornografische Inhalte verbreiten.

Künftig möchte die belgische Aufsicht den Einsatz von KIVI ausweiten, insbesondere auf Hassrede. Die für die deutsche Sprache optimierte Version von KIVI sucht etwa nach Volksverhetzung und Holocaustleugnungen sowie nach Inhalten, die Drogen oder Suizid verherrlichen. Das Handbuch der Software haben wir im Jahr 2022 analysiert und veröffentlicht.

Kein KIVI in Österreich

Ende 2022 hieß es vonseiten der deutschen Medienaufsicht, auch Österreich sei an KIVI interessiert. Das ist aktuell aber nicht mehr der Fall. Ein Sprecher der staatlichen Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH (RTR) schreibt uns : „Aus derzeitiger Sicht“ sei kein Einsatz von KIVI geplant. Gründe möchte er dafür aber nicht nennen, denn das könne „Interessen Dritter berühren“.

Für die RTR scheint KIVI ein sensibles Thema zu sein: Auf Nachfrage möchte die Aufsicht nicht einmal benennen, um welche „Dritte“ oder um welche „Interessen“ es geht. Ein Sprecher der Condat AG schreibt uns, es gebe „aktuell keine konkreten Umsetzungspläne für den Einsatz in weiteren Ländern“.

Auch außerhalb der EU gibt es Interesse daran, Software im Internet auf Streife zu schicken: So soll das autoritäre Regime in Russland mit „Oculus“ ein Werkzeug einsetzen, das im Prinzip an KIVI erinnert. Wie die russische Nachrichtenagentur Interfax Anfang 2023 mitteilte, könne Oculus automatisch Texte, Bilder und Videos im Netz scannen und dabei nach Verstößen gegen russische Gesetze suchen.


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Author: Sebastian Meineck

Die s bahnen im kölner norden müssen zuverlässig fahren !.