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Interview zu Fediverse an Hochschulen: „Souveränität über eigene, zentrale Kommunikationsräume“

Dieser Artikel stammt von Netzpolitik.org.

Interview zu Fediverse an Hochschulen„Souveränität über eigene, zentrale Kommunikationsräume“

Seit Kurzem ermöglicht die Universität Innsbruck sämtlichen ihrer 5.000 Beschäftigten die Nutzung ihrer selbstbetriebenen Mastodon-Instanz – einfach per Login mit dem Uni-Account. Wie es zu dieser Initiative kam und ob die Instanz auch für Studierende geöffnet wird, erklärt Projektleiterin Melanie Bartos.


Leonhard Dobusch – in Öffentlichkeiteine Ergänzung
Melanie Bartos verantwortet das Projekt zur Etablierung einer Mastodon-Instanz und Fediverse-Präsenz an der Universität Innsbruck – Alle Rechte vorbehalten Alena Klinger

Etwas mehr als ein Jahr ist es her, dass wir hier einen Aufruf mit dem Titel „Hochschulen aller Länder ins Fediverse!“ veröffentlicht haben (englische Version). Inzwischen hat sich ein Aktionsbündnis „Neue soziale Medien“ formiert, das mit einer Petition einen „Appell an die Hochschulrektorenkonferenz zur Nutzung sozialer Medien“ gerichtet hat. Und immer mehr Hochschulen finden ihren Weg ins Fediverse und verfügen zumindest über Mastodon-Accounts.

Eher spärlich gesät sind im deutschsprachigen Raum bislang jedoch Hochschulen, die eigene Instanzen betreiben. Genau das würde aber nicht nur dem dezentralen Grundgedanken des Fediverse-Ansatzes entsprechen, es würde auch erst die im Aufruf und Appell beschriebenen einzigartigen Potenziale wie lokale Timelines als Alumni-Netzwerk und ähnliches eröffnen.

Als Professor an der Universität Innsbruck hat es mich deshalb umso mehr gefreut, dass diese noch im November 2023 unter social.uibk.ac.at als eine der ersten Hochschulen eine eigene Instanz gestartet hat. Zunächst stand diese allerdings „ausschließlich universitätseigenen Organisationseinheiten zur Verfügung“. Der Nutzerkreis beschränkte sich also auf Fakultäten, Institute, Arbeitsgruppen und Projekte der Universität, Accounts für Einzelpersonen waren nicht möglich. Seit dem 8. April dieses Jahres können nun aber alle Beschäftigten der Universität direkt mit ihrem Uni-Account die Instanz nutzen.

Aus diesem Anlass habe ich ein Interview mit Melanie Bartos geführt, einer der maßgeblichen Personen für das Innsbrucker Fediverse-Engagement. Sie arbeitet als Wissenschaftskommunikatorin im Büro für Öffentlichkeitarbeit und ist seit 2022 Leiterin des Projekts zur Etablierung einer Mastodon-Instanz und Fediverse-Präsenz an der Universität Innsbruck.

netzpolitik.org: Was war der Auslöser für das Engagement der Uni Innsbruck im Fediverse und wer hat das intern vorangetrieben?

Melanie Bartos: Die negative Entwicklung von Twitter nach der Übernahme im Herbst 2022 hat uns im Kommunikationsteam der Uni Innsbruck dazu veranlasst, verstärkt über die Struktur unserer Kanäle nachzudenken. Wenn auch nicht sehr überraschend, aber dennoch wurde uns in einer Art Worst-Case-Variante vorgeführt, wie problematisch die kommerzielle Struktur digitaler Plattformen ist, ganz besonders wenn sie in der Hand weniger, zu reicher Menschen ist.

Daher wollten wir für unsere Wissenschaftskommunikation auf Social Media nicht nur auf die nächste proprietäre Plattform wechseln, sondern alternative Strukturen nutzen – und vor allem auch fördern. Dazu haben wir uns im Fediverse auf Mastodon fokussiert.

netzpolitik.org: Welche Rolle spielt dabei das Selbstverständnis als öffentliche Universität?

Melanie Bartos: Wir sehen uns als öffentliche Universität hier durchaus auch in einer gesellschaftlichen Verantwortung, da wir als relativ große Institution eine Vorbildrolle einnehmen können und die Ressourcen weitgehend bereits zur Verfügung haben. Wir hoffen, durch die Präsenz der Universität zu einer positiven Entwicklung des Fediverse beitragen zu können.

netzpolitik.org: Aber zu meiner Frage noch einmal, wie kann man sich das ganz konkret vorstellen. Woher kam der Impuls?

Melanie Bartos: Gemeinsam mit Kollegen aus der IT-Abteilung haben wir ein kleines Team gebildet und die Etablierung einer eigenen Instanz auf universitätseigenen Servern umgesetzt, natürlich intern mit der Universitätsleitung und dem Datenschutzgremium abgestimmt. Es ging uns dabei von Anfang an um zwei Aspekte: Einerseits, die Etablierung eines Kommunikationskanals für unsere Wissenschaftskommunikation, andererseits aber auch die Bereitstellung einer sicheren, gemeinnützigen, datenschutzfreundlichen und quelloffenen digitalen Infrastruktur für unsere Organisationseinheiten und seit Kurzem auch für alle unsere Mitarbeiter:innen.

Prinzipiell fügt sich dieser Zugang aber in eine generell hohe Affinität für nicht-kommerzielle Plattformen ein. Parallel arbeiten wir etwa auch schon seit längerem an einer Wikipedia-Initiative, da wir auch auf dieser offenen Plattform unser Engagement in der Wissenschaftskommunikation verstärken. Diesen Zugang haben wir in unserem Positionspapier „Open Science Communication“ festgehalten und betonen dort unser generelles Bekenntnis zu Nutzung, Gestaltung und Förderung gemeinnütziger, datenschutzfreundlicher und quelloffener Medien.

Die Universität Innsbruck hat generell eine lange Tradition im Bereich Freier und Offener Software und verwendet in vielen Bereichen Open-Source-Dienste wie zum Beispiel Big Blue Button für Videokonferenzen oder Matrix/Element als Chat.

netzpolitik.org: Nachdem zunächst nur Uni-Einrichtungen die Mastodon-Instanz nutzen durften, ist sie jetzt für alle über 5.000 Beschäftigten nutzbar – und zwar einfach per Single-Sign-on mit dem Uni-Account. Was waren die größten Hürden auf dem Weg zur Umsetzung dieses Angebots?

Melanie Bartos: Ich sehe im Rückblick keine sehr großen Hürden, am ehesten brauchte es etwas Geduld und auch interne Aufklärungsarbeit. Mastodon beziehungsweise das Fediverse war für viele unbekannt. Was die Zusammenstellung des Teams betrifft, konnten wir glücklicherweise mit Kollegen aus der IT-Abteilung eng zusammenarbeiten, die ebenso eine große Affinität und Expertise im Open-Source-Bereich haben.

Was ich aufgrund der oftmals ja doch sehr bürokratischen Strukturen an Universitäten durchaus empfehlen kann, ist eine schrittweise Herangehensweise. Die Instanz zunächst nur für wenige definierte Nutzer:innen in Form der Organisationseinheiten zu öffnen und dann nach einigen Monaten auf individuelle Accounts für die Mitarbeiter:innen zu erweitern, ließ sich auf allen internen Ebenen gut erklären und argumentieren. Wir können die jetzige Ausbaustufe auch mit den bestehenden personellen Ressourcen abdecken.

netzpolitik.org: Warum betreibt die Uni Innsbruck eine eigene Mastodon-Instanz und begnügt sich nicht damit, Accounts auf einer Instanz zu betreiben? Es gibt ja schließlich auch akademische Instanzen wie etwa wisskomm.social?

Melanie Bartos: Unsere ersten Schritte im Fediverse waren auf der Instanz wisskomm.social, die der Informationsdienst Wissenschaft idw dankenswerterweise zur Verfügung stellt. Zur ersten Orientierung würden wir diesen Zugang durchaus auch anderen Hochschulen empfehlen.

Es war uns aber von Anfang an klar, dass wir auch mit einer eigenen Instanz vertreten sein wollen, und zwar explizit auf universitätseigenen Servern, also auch keine von außen zugekaufte Serverleistung. Auch die Anmeldung über das universitätseigene Single-Sign-On war rasch ein wichtiges Ziel. Aus unserer Sicht gewährleistet dieser Zugang Souveränität und damit die Kontrolle über eigene, zentrale Kommunikationsräume. Zusätzlich ermöglicht die Etablierung einer eigenen Instanz auch die Bereitstellung von digitaler Infrastruktur, die damit als Serviceangebot für Uni-Angehörige fungiert.

netzpolitik.org: Neben technischen Hürden scheuen viele Universitäten auch die Moderation eines eigenen Social Networks. Wer ist in Innsbruck für die Moderation verantwortlich?

Melanie Bartos: Die Moderation ist eine Zusammenarbeit des Zentralen Informatikdienstes mit dem Kommunikationsteam im Büro für Öffentlichkeitsarbeit. Wir haben dazu gleich zu Beginn unserer Planung im Herbst 2022 ein fixes Team zusammengestellt und die jeweiligen Verantwortlichkeiten genau definiert. Die Kollegen vom Informatikdienst sind für die systembetriebliche Instandhaltung zuständig, also beispielsweise Updates oder die Abwicklung über Single-Sign-On. Die inhaltliche Moderation liegt beim Kommunikationsteam.

Da wir die Verwendung von Mastodon an unser universitätseigenes Anmeldesystem gekoppelt haben, gehen wir bei unseren Nutzer:innen prinzipiell von keinen Verstößen gegen die Netiquette aus, behalten uns aber natürlich für den Fall entsprechende Schritte vor. Bislang hält sich der Aufwand hier sehr in Grenzen. Auch über das Kommunikationsteam werden individuelle Beratungen und Schulungen angeboten, zum Beispiel in Form von Info-Veranstaltungen. Das ist etwas mehr Aufwand, umfasst aber vor allem eine generelle Sensibilisierung für das Fediverse und weniger die „Technik“, da die Verwendung von Mastodon nicht schwierig ist, auch wenn sich diese Erzählung immer noch relativ hartnäckig hält.

netzpolitik.org: Jetzt ist das Fediverse aber noch viel mehr als Mastodon – betreibt die Uni Innsbruck auch noch andere Fediverse-Dienste?

Melanie Bartos: Wir sind im Moment nur mit Mastodon im Fediverse präsent. Die anderen Dienste wären natürlich auch sehr spannend, insbesondere PeerTube würde ich für den Hochschulbereich sehen, da sehr viel Video-Content im universitären Umfeld generiert wird. Noch gibt es dazu aber keine konkreten Pläne.

netzpolitik.org: Wie geht es weiter, ist eine Öffnung der Instanz für die Studierenden geplant? Wenn nicht, warum? Wenn ja, wann?

Melanie Bartos: Auch hier bin ich wieder bei unserem schrittweisen Zugang. Nach der Öffnung für alle Mitarbeiter:innen wäre der nächste Schritt die Öffnung für alle Studierenden. Allen Universitätsangehörigen das Angebot der Nutzung der Uni-Instanz anbieten zu können, wäre natürlich sehr schön.

Wir haben diese Option auf jeden Fall in unseren Köpfen, ob und wann es zu einer Umsetzung kommen könnte, kann ich im Moment aber leider noch nicht abschätzen. In dieser Hinsicht setzen wir auch sehr auf unsere Erfahrungen mit der jetzigen Öffnung, insbesondere mit der Moderation. Was wir davon in den kommenden Monaten lernen, wird die Grundlage dafür bilden, wie die Moderation auch für noch größere Nutzer:innen-Kreise skalieren kann.Interview zu Fediverse an Hochschulen: „Souveränität über eigene, zentrale Kommunikationsräume“

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Author: Leonhard Dobusch