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Israel: So überstehst du die Flut der Fakes

Fake News im Netz zu bekämpfen ist grundsätzlich keine simple Angelegenheit – schon allein, weil sie so schnell produziert sind, ihre Widerlegung aber so aufwändig ist. Kommt dann noch ein komplexer politischer Hintergrund dazu, wird es schnell unmöglich, Desinformation in Echtzeit zu bekämpfen, wie jetzt bei Israel. Und wir bei Volksverpetzer können uns als kleines Team nur in eine begrenzte Menge an Themen einarbeiten.

Eine einfache Antwort auf die großen Fragen des Konflikts könnt und werdet ihr hier nicht finden. Doch angesichts der Eskalation in den vergangenen Tagen, der grausamen Gewalt der Hamas-Terroristen und der sie begleiteten Lawine an Fake News im Netz, die ungeahntes Ausmaß angenommen haben, haben wir uns entschlossen, dieses komplexe Thema nun doch anzugehen und euch wenigstens ein paar Hinweise mit auf den Weg zu geben, wie ihr bei diesem Thema Fake News aus dem Weg gehen könnt.

Fake News-Flut im Nahostkonflikt

Am Samstag griff die radikalislamische Terrororganisation Hamas Israel an, der Terrorakt forderte mit Stand Montagmorgen bereits über 1000 Menschenleben. Allein bei einem Angriff auf ein Festival ermordeten die Terroristen mindestens 260 wehrlose Besucher:innen eines Friedensfestes. Unser Beileid gilt den Hinterbliebenen, die ihre Liebsten durch diese brutale Gewalt verloren haben.

Damit ist der sogenannte Nahostkonflikt zwischen dem Staat Israel und verschiedenen Gruppen, die für sich beanspruchen, „Palästina“ zu vertreten, erneut offen aufgebrochen. Den Nahostkonflikt haben wir bei Volksverpetzer bislang kaum behandelt. Der Grund dafür ist ganz kompliziert und auch ganz einfach: Er ist zu komplex, zu historisch verworren, wir sind einfach keine Experten für das Gebiet, das müssten wir aber werden, um vieles für euch einordnen zu können. Wenn ihr mehr über den Nahostkonflikt an sich erfahren wollt, können wir die Videos von MrWissen2Go dazu empfehlen. Schon vor fünf Jahren und erneut vor zwei Jahren berichtete er ausführlich und differenziert über den schwelenden Konflikt und auch zur aktuellen Lage veröffentlichte er bereits ein Video:

YouTube player

Was wir nun sehen konnten, ist, dass die Terrororganisation Hamas nicht mal vor Gewalt gegen Frauen, Kinder oder Babys zurückschreckt, die grausam und offenbar ohne zu zögern hingerichtet wurden. Taten, die durch absolut nichts zu rechtfertigen sind. Doch mit dieser erneuten Eskalation des Konfliktes geht, wie im Ukrainekonflikt, ein enormer Anstieg an Verschwörungsmythen und Fake News einher. Manche Social Media-Faktenchecker sprechen sogar von der größten Überschwemmung mit Desinformation, die sie auf Twitter je gesehen haben.

Und auch wir können nicht jede einzelne Fake News enttarnen. Dazu gibt es schlicht und ergreifend zu viel. Deswegen findest du hier auch keine ewig lange Liste mit dutzenden Fakes, wie wir zuerst geplant hatten. Denn das macht leider wenig Sinn, da in der Zeit, in der wir diesen Artikel schreiben, schon wieder Tausende neue Fakes entstanden sind. Dennoch wollen wir einige Fakes, die in den letzten Tagen durchs Internet kursierten, enttarnen und darlegen, welche grundlegenden Muster unter den Fakes liegen. Damit du diese Muster erkennst und die Augen offen hältst.

Kontext, Zuordnung, Lüge: Die großen Kategorien der Desinformation

Angesichts der Entwicklungen in der Bildbearbeitung, technischen Manipulation und bei Fakes mit Hilfe von künstlicher Intelligenz mag es fast unmöglich klingen, in den sozialen Medien Wahrheit von Fake zu unterscheiden. Tatsächlich beobachten wir aber in der Realität immer wieder, dass die meisten Fakes „einfacher“ gestrickt sind. Das macht sie allerdings nicht unbedingt einfacher zu erkennen.

Gerade auf Twitter sehr beliebt ist die Methode, irgendein Bild aus den Untiefen des Internets auszugraben und es in einen neuen Kontext zu setzen. Diese Fakes lassen sich mit einer Bilderrückwärtssuche oft leicht widerlegen. Doch wer macht schon bei jedem Post, den er/sie sieht, eine Bilderrückwärtssuche? Die Antwort können sich die meisten vermutlich selbst geben. Sehr eng damit verwandt ist die Technik der falschen Zuordnung. Dabei wird einfach behauptet, dass im Bild etwas zu sehen ist, was dort eigentlich gar nicht zu sehen ist. Auch das sind dann oft sehr banale Fälschungen – die aber auf den ersten Blick „echt“ aussehen. Und auf Social Media machen viele nicht mehr als den ersten Blick.

Eine weitere große Kategorie ist die der Lüge. Dabei werden einfach irgendwelche Dinge behauptet, die nicht stimmen. Die Behauptung hat dann oft fast gar keinen wahren Kern mehr, sondern ist einfach frei erfunden. Sie zu widerlegen, ist dann umso schwieriger. Ohne Belege steht oft Aussage gegen Aussage.

Zur Veranschaulichung haben wir ein paar Beispiele herausgesucht. Sie stammen vom Twitter-Account des Faktencheckers Shayan Sardarizadeh. Auf seinem Profil widerlegt er regelmäßig Fakes, aktuell zum Krieg in Israel.

In den nächsten Absätzen werden militärische Aktionen und Kriegsschäden an Gebäuden zu sehen sein. Wenn euch solche Bilder (re)traumatisieren oder ihr sie aus anderen Gründen nicht sehen wollt, dann lest bitte nicht weiter.

Aktuelle Desinformation zum Krieg in Israel

Ein typisches Schema von Fake News ist das Herstellen von falschem Kontext. Ein perfektes Beispiel dafür finden wir hier:

Auf der Originalaufnahme (rechts) ist zu sehen, wie ein Gebäude in Gaza im Mai 2021 getroffen wurde und daraufhin zusammenstürzte. Im Fake (links) wird dieses Bild allerdings verwendet, um die aktuelle Berichterstattung über israelische Gegenangriffe zu untermalen. Es entsteht der falsche Eindruck, dass diese Bilder einen aktuellen Angriff zeigen. Es wird also ein echtes Video, das auch tatsächlich den behaupteten Ort zeigt, in den falschen Kontext gesetzt, ohne dass der Autor explizit lügt.

Manchmal werden auch konkrete Behauptungen über das aufgestellt, was im Bild oder Video zu sehen ist, die schlicht falsch sind. Personen, Objekte oder Handlungen werden also falsch zugeordnet. Wie in folgendem Beispiel:

Zu sehen ist im Originalvideo (rechts), wie ein armenischer Separatistenführer in Aserbaidschan verhaftet wird. Das Material stammt also aus einem ganz anderen Konflikt, nicht Israel. Im Fake (links) wird aus diesem Separatistenführer plötzlich ein angeblicher wichtiger israelischer General, der von Hamas-Kämpfern verhaftet worden sei. Das ist schlicht und ergreifend falsch – doch die allermeisten Menschen werden weder alle israelische Generäle, noch den Separatistenführer kennen. Darum funktioniert auch diese Methode immer wieder.

Schließlich wird auch oft schlicht und ergreifend komplett gelogen. Das heißt, es werden Informationen vollständig frei erfunden.

Hier ist eine Fake News zu sehen, in der fälschlicherweise behauptet wird, eine Kirche im Gaza-Streifen sei durch Bombenangriffe zerstört worden. Die Auflösung dieser Fake News findet man erst, wenn man auf die Facebook-Seite der Kirche selbst geht, wo bestätigt wird, dass die Kirche weiterhin in bester Verfassung sei. Die angebliche Zerstörung ist komplett frei erfunden – doch das erfährt man nur, wenn man sich die Information selbst besorgt.

Für Social Media gilt: im Zweifel nichts teilen!

Diese Beispiele decken nur einige der häufigsten Fake-Strategien ab. Wir und andere Faktenchecker:innen können wie gesagt bei weitem nicht jeden einzelnen Fake finden und enttarnen, der zum Nahostkonflikt durchs Netz geht. Darum wollen wir an dieser Stelle lieber ein paar generelle Hinweise mitgeben, wie man mit Informationen aus den sozialen Medien gerade bei solchen emotional aufgeladenen Themen umgehen sollte.

Denn wie wir oben gezeigt haben, kann man in der Regel nicht auf den ersten Blick erkennen, ob die Informationen in einem Post wahr oder gelogen sind, ob wichtiger Kontext fehlt oder Inhalte falsch zugeordnet werden. Uns ist gleichzeitig auch bewusst, dass die allermeisten Menschen gar nicht die Zeit und die Mittel haben, jeden einzelnen Tweet, den sie sehen, zu factchecken. Deswegen bleibt im Zweifel nur: Informationen aus unbekannter Quelle im Netz nicht vertrauen! Auch wenn damit 95 % der Inhalte angezweifelt werden müssen: Vertraut nur den Quellen, die sich als seriös erwiesen haben. Teilt im Zweifel vielleicht erst einmal nichts.

Welche seriösen Quellen sind das? Darunter fallen in der Regel die Öffentlich-Rechtlichen Medien. Auch diese berichten grundsätzlich nicht fehlerfrei und manchmal sogar tendenziös – wir berichteten unter anderem über ihre Fails zu Pseudowissenschaft, Kreml-Propaganda und Klimakatastrophe. Allerdings haben diese Medien dennoch den Anspruch, Informationen aus dem Netz genau zu prüfen und keine unbelegten Videos oder Fotos zu verbreiten. Gleiches gilt für unsere Tages- und Wochenzeitungen. Außerdem könnt ihr auch unabhängigen Faktencheck-Seiten vertrauen. Dazu gehören Bellingcat (Twitter), Associated Press (Twitter) oder auch unsere Kolleg:innen von correctiv.org (Twitter).

Diese Seiten zeichnen sich dadurch aus, dass sie das Aufdecken von Desinformation nicht davon abhängig machen, welcher Seite im Konflikt diese Aufdeckung „nützt“. Im Diskurs über den Nahostkonflikt und Israel haben sich die Seiten teilweise seit Jahrzehnten in ihren Narrativen verbissen und nehmen einen Faktencheck „gegen“ die eigene Seite oft als persönlichen Angriff wahr. Es ist aber gerade dann wichtig, Fake News zu enttarnen, wenn sie vermeintlich die eigene Sichtweise bestätigen.

Artikelbild: Screenshots twitter.com

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