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Ist Özil Rechtsextrem? Was hinter dem Graue-Wölfe-Tattoo steckt

In den vergangenen Jahren hat Ex-Nationalelf Mesut Özil sich einige Fehltritte in die nationalistische Richtung erlaubt. Mit seinem Tattoo der rechtsextremen Graue-Wölfe-Bewegung schießt er den Vogel jetzt aber endgültig ab. Das rechte Symbol auf seiner Brust zeigt nicht nur die eigene Gesinnung. Dieses Bekenntnis zum Rechtsextremismus macht genau solche politischen Positionen aufgrund der Vorbildfunktion des Ex-Spielers auch für jüngere Generationen salonfähig.

Aber wer genau sind die Grauen Wölfe? Wie hat sich die Bewegung entwickelt, was macht sie so gefährlich und warum ist das Eskalationspotential ihrer Gewaltbereitschaft gerade bei uns so hoch? Wir haben für euch die Hintergründe gecheckt und schauen auch, welche Gegenmaßnahmen zur Verbreitung rechtsextremen Gedankenguts getroffen werden.

ÖZIL UND DIE GRAUEN WÖLFE

Es könnte widersprüchlicher nicht sein: Erst ein gutes Jahrzehnt ist es her, dass Özil einen Bambi für Integration erhalten hat. Jetzt hat Fitnesstrainer Alper Aksaç ein Foto mit dem ehemaligen Nationalspieler online gestellt, auf dem die beiden stolz ihre trainierten Bäuche präsentieren – bei Özil inklusive Tattoo der türkischen Ülkücü-Bewegung, auch bekannt als Graue Wölfe. Eine Gruppe, die bei uns seit Jahren vom Verfassungsschutz beobachtet wird und zu der allein in Deutschland mehr als dreimal so viele Anhänger:innen wie zur rechtsextremen NPD zählen.

Bildquelle: Screenshot instagram.com

Da ist es auch kein Wunder, dass der Aufschrei groß war. Ein offenes Bekenntnis zu den Grauen Wölfen. Aber seien wir mal ehrlich: Als riesiger Befürworter des türkischen Präsidenten Erdogan hat Özils Vorbildfunktion schon lange vorher angefangen zu bröckeln.

Özil und der Autokrat: LIEBÄUGELN MIT ERDOGAN

Das Tattoo rundet die ganzen Entwicklungen eigentlich nur noch ab. In den vergangenen Jahren hat sich der Fußballer wiederholt mit dem rechtsautoritären Türkei-Präsidenten Erdogan gezeigt. Das Verhältnis zwischen den beiden scheint auch sehr eng zu sein. Immerhin war Erdogan sogar Trauzeuge bei Özils Hochzeit.

Uncredited/Pool Presidential Press Service/AP/dpa

Wichtig für den Hintergrund: Um die Türkei regieren zu können, hatte sich der Präsident bzw. seine rechtspopulistische AKP-Partei mit der MHP zusammengetan. Diese gilt nicht nur als rechtsextrem und ultranationalistisch, sondern auch als Ursprung der Ülkücü-Bewegung. Die Verbindung erkennt man auch am Logo.

via Verfassungsschutz

Aber was hat es mit der Bewegung überhaupt auf sich? Und wie kann es sein, dass sie nicht nur immer noch aktiv sind, sondern stetigen Zuwachs in den eigenen Reihen bekommen?

WER SIND DIE GRAUEN WÖLFE?

Zunächst einmal ist zu sagen, dass Nationalismus in der Türkei viel verbreiteter ist als es in Deutschland der Fall ist und mehrheitlich als etwas Positives betrachtet wird. Wenn sich Özil öffentlich mit einem Graue Wölfe-Tattoo zeigt, erntet er dadurch bei uns Entsetzen – in der Türkei kann er aber damit rechnen, dass ihm gut drei Viertel der Menschen den Rücken stärken. Und das kommt nicht von ungefähr: Der Ursprung hinter alldem liegt wie so oft in der politischen Geschichte des Landes.

Dazu müssen wir einmal zurück in die Zeit des Ersten Weltkriegs blicken. Die Türkei, damals noch in Form des Osmanischen Reiches mit einem weit größeren Staatsgebiet, verbündete sich mit Deutschland. Als Deutschland den Krieg verlor, zerfiel auch das Osmanische Reich und gelangte in großen Teilen unter die Kontrolle der Alliierten. Dies führte zum türkischen Befreiungskrieg, der 1923 schließlich in der Gründung der Republik Türkei mündete. Aus dem Verlust des Osmanischen Reiches sowie aus der Entwicklung des Befreiungskrieges festigte sich das Nationalgefühl umso mehr.

Dieser Keim hat über die Jahre auch in der Politik des Landes Früchte getragen. In den späten 50er-Jahren wurde die CKMP, die Republikanische Bauern-Volkspartei, gegründet, die sich vor allem durch den Rechtsextremisten und Hitler-Sympathisanten Alparslan Türkeş zunehmend radikalisierte. Der nannte die Partei zur MHP um, die schon wenige Jahre später paramilitärische Unterstützung von Seiten der Grauen Wölfe erhielten. Bis heute hat sich die Radikalisierung unter verschiedenen Parteiführern noch weiter zugespitzt, die Bewegung hat eine Vielzahl von Gewaltopfern auf dem Gewissen.

Eine Hand zeigt den „Wolfsgruß“ der Grauen Wölfe während einer Pro-Türkischen Demonstration. Foto: picture alliance / dpa

GEFAHR VON RECHTS

Mit der Radikalisierung wurden gegen Minderheiten gerichtete Feindbilder verschärft, zu einem solchen Ausmaß, dass auch vor Gewalt nicht Halt gemacht wird. Die Grauen Wölfe gelten laut verschiedener Expert:innen als hoch gewaltbereit und waffenaffin – und dafür gibt es leider auch Belege. Insbesondere in den 70er-Jahren vollzog die Bewegung allein in der Türkei ca. 700 Morde an politischen Gegner:innen, Personen, die ihre Ansichten nicht teilten, oder an jenen, die einfach im „falschen“ Land auf die Welt gekommen sind. Einige dieser Fälle dokumentierte das YouTube-Format STRG_F in einem empfehlenswerten Video zu den Grauen Wölfen.

Die Hauptzielgruppe der rechtsextremen Gewalt bilden dabei Menschen aus Kurdistan, Armenien oder Israel. Bis heute erfahren sie Gewaltverbrechen vonseiten der Grauen Wölfe, auch bei uns in Deutschland.

BEWEGUNG UNTER dem RADAR

Der Verfassungsschutz schätzt die Zahl der Ülkücü-Anhänger:innen in Deutschland Stand 2022 auf 12.100. Andere Quellen rechnen dagegen sogar mit 20.000 Sympathisant:innen, Tendenz steigend. Diese Entwicklung ist auch auf die Herangehensweise der Bewegung zurückzuführen: Sie propagiert ihre Ideologie bewusst unterschwellig, um möglichst viele Leute für sich zu gewinnen. Das funktioniert gerade bei Jugendlichen gut, deren Weltansicht noch nicht so gefestigt ist. Sie werden erst mit spaßigen Kulturtreffen, Sportangeboten oder Türkeireisen gelockt, um dann Propaganda-Geschenke zu erhalten. Ihre Anwerbe-Versuche zeigt unter anderem die STRG_F-Dokumentation.

So können junge Menschen zum Gut-Böse-Narrativ der Grauen Wölfe hin manipuliert werden. In dieser Denkweise ist das eigene Land gut, die anderen sind böse. Kein Wunder, dass mit dieser Haltung nicht nur der Nationalismus massiv steigt. Auch die Emotionen für die eigene Herkunft werden bestärkt – und damit wächst das Eskalationspotenzial bei politischen Auseinandersetzungen.

GRAUE WÖLFE IN DEUTSCHER POLITIK

Aber dabei bleibt es nicht. Die Grauen Wölfe wollen sich auch in der deutschen Kommunalpolitik zunehmend Gehör verschaffen, wie beispielsweise in Duisburg. Der dort beschäftigte CDU-Politiker und ehemalige Integrationsratsvorsitzende Şevket Avci steht der Bewegung sehr nahe. Er war in Duisburger Kreisen sogar selbst als Grauer Wolf bekannt, wie das ARD-Investigativmagazin „Report Mainz“ berichtete. Auch das Gelände des ehemaligen Mitgliedertreffs in Duisburg lief auf Avcis Namen. Es gibt Vermutungen verschiedener Expert:innen, die Grauen Wölfe würden die Kommunalpolitik unterwandern wollen, um die deutsche Politik zu ihren Gunsten zu beeinflussen. Avci jedenfalls sitzt weiterhin (Stand: 15.08.2023) für die CDU im Stadtrat von Duisburg.

Trotzdem ist die Bewegung noch nicht verboten worden – sie wird lediglich vom Verfassungsschutz beobachtet. Während bei unseren Nachbarn Frankreich und Österreich schon längst Schritte unternommen wurden, wird der Verbotsantrag bei uns immer noch geprüft. Seit drei Jahren. Grund dafür sei vor allem die Tatsache, dass es sich bei den Grauen Wölfen um eine Bewegung handle, die nur schwer greifbar sei. Trotzdem: Langsam muss was passieren.

FAZIT: Özil-Foto ist nur Symptom des Problems

Egal, ob von deutscher oder türkischer Seite – wir müssen Rechtsextremismus bekämpfen. Ein Verbot würde wahrscheinlich nicht dazu führen, dass sich die Extremist:innen in Luft auslösen. Trotzdem würde die Politik damit ein Zeichen gegen rechte Ideologien setzen und zumindest dafür sorgen, dass es die Grauen Wölfe in ihrer Organisation schwieriger hätten als jetzt. Die Ülkücü-Bewegung macht nur einen Bruchteil der in Deutschland lebenden Türk:innen aus und trotzdem erschwert sie der großen Mehrheit eine problemfreie Integration. Sie schürt Feindbilder und polarisiert, will einen Keil zwischen die Kulturen treiben – und hat damit immer öfter Erfolg.

Wenn die Behörden schon kein Verbot beschließen, dann sollten wir wenigstens die Wahrheit über die Bewegung aussprechen, und zwar regelmäßig. Denn das Özil-Foto hat mal wieder eine Welle der Empörung gebracht, insgesamt bleibt es aber doch eher ruhig um die Grauen Wölfen. Es braucht Debatten über das Thema, die laut sind, die Gehör in der Gesellschaft finden, um Menschen schon dann zu erreichen, bevor die Grauen Wölfe es versuchen. Bevor der nächste Drohbrief an Armenier:innen und Kurd:innen verschickt wird. Debatten, die so laut sind, dass sie auch zu denjenigen durchdringen, die schon in den Fängen der Wölfe sind – damit sie sich noch losreißen und von rechtsextremistischem Gedankengut befreien können.

Über Özils Verbindungen nach Rechtsaußen berichteten wir schon vor zwei Jahren und auch bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2022 in Katar wurden seine politischen Äußerungen zum Thema – damals hielten sich nicht alle Beteiligten an die Faktenlage, wir berichteten:

Artikelbild: Screenshot instagram.com/ picture alliance / dpa

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