Dieser Artikel stammt von Netzpolitik.org.Der Autor ist…
Im Herbst stehen zwei ehemals hochrangige Vertreter von Regierung und Staat vor Gericht. Sie sollen Geheimnisse über die Zusammenarbeit mit der NSA an die Presse verraten haben. Mit auf der Anklagebank sitzt auch die Pressefreiheit.
Der ehemalige Verteidigungsminister sieht in der Klage den Versuch, Beamt:innen in Geheimdiensten und zentralen Ministerien in Kopenhagen Angst einzujagen – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / Ritzau ScanpixIn Dänemark starten diesen Herbst zwei Verfahren wegen Landesverrats. Die Staatsanwaltschaft wirft dem derzeit suspendierten Geheimdienstchef Lars Findsen und dem ehemaligen Verteidigungsminister Claus Hjort Frederiksen vor, Staatsgeheimnisse verraten und öffentlich der Presse zugänglich gemacht zu haben.
Gegenüber dem Guardian streiten die beiden Angeklagten die Vorwürfe ab und heben hervor, dass die Staatsgeheimnisse öffentlich zugängliche Informationen waren, die durch Edward Snowden bereits publik gewesen seien.
Durch den Whistleblower ist bekannt, dass europäische Länder, wie beispielsweise Dänemark, die weltweite elektronische Überwachung der Vereinigten Staaten unterstützt haben. Die Frankfurter Rundschau berichtet, dass Snowdens Enthüllungen 2013 ans Licht brachten, dass die NSA das globale Datenkreuz Kopenhagen für ihre Zwecke nach Belieben anzapfen konnte. Über die Datenzentrale des dänischen Auslandsgeheimdiensts FE hätten die US-Geheimdienste unter anderem Telefonate von Angela Merkel aus dem Bundeskanzleramt mitgehört.
Findsen und Frederiksen hingegen dürfen die genauen Vorwürfe nicht nennen, obwohl diese bereits öffentlich sind. Der Vorfall hat in den dänischen Medien eine Debatte über die Pressefreiheit entfacht.
Spy vs. Spy
Spione des dänischen Inlandgeheimdienstes hörten das Telefon von Lars Findsen, dem derzeit suspendierten Chef des dänischen Auslands-Verteidigungsdienstes Forsvarets Efterretningstjeneste (FE) ab und versteckten Wanzen in seinem Haus. Durch diese Überwachung soll herausgekommen sein, dass er in Gesprächen mit zwei Reportern und in seinem engen Verwandtenkreis Staatsgeheimnisse verraten haben soll.
Parallel dazu wirft die Staatsanwaltschaft dem ehemaligen Verteidigungsminister Claus Hjort Frederiksen denselben Tatbestand vor. Der Verteidigungsminister arbeitete mit dem Geheimdienst zusammen und war somit ein ehemaliger Vorgesetzter des suspendierten Geheimdienstchefs Findsen. Frederiksen hatte gegenüber der Presse bestätigt, dass die Massenüberwachung aus dänischen Kommunikationskabeln mit den USA in den 90er Jahren vereinbart worden sei. Dafür wirft ihm die Staatsanwaltschaft vor, Staatsgeheimnisse öffentlich in den Medien preisgegeben zu haben.
Öffentliche zugängliche Informationen sind keine Staatsgeheimnisse
Findsens Gespräche im privaten Kreis und Frederiksens Äußerungen in der Öffentlichkeit stünden im Zusammenhang mit der NSA-Abhörpartnerschaft zwischen Dänemark und den Vereinigten Staaten. Die Anklage beruht auf einem Verstoß des Paragraf 109 des dänischen Strafgesetzbuches, welches ein Strafmaß von bis zu zwölf Jahren vorsieht. Im Paragraf geht es um „Landesverrat im Verhältnis zu fremden Staaten“. Zum letzten Mal ist der Paragraf im Jahr 1979 gegen einen DDR-Spion in Stellung gebracht worden.
Die verratenen Staatsgeheimnisse, die Findsen und Frederiksen nicht nennen dürfen, sind ihrer Meinung nach bereits weitgehend bekannt. Der ehemalige Verteidigungsminister Frederiksen erklärte dem Guardian, die Regierung beharre darauf, dass ein Geheimnis ein Geheimnis sei. Er führt aus: „Es könnte in den Zeitungen beschrieben worden sein, aber sie sagen immer noch, dass es ein Geheimnis ist.“
Auswirkungen auf die Pressefreiheit
Nach der Verhaftung des Ex-Geheimdienstchefs Findsen im Jahr 2021 lud die dänische Polizei mehrere Journalist:innen vor. Die Geheimdienste warnten Nachrichtenverleger, dass auch Journalisten:innen angeklagt werden können, wenn sie geheime Informationen weitergeben würden.
Dem dänischen Reporter Hans Davidsen-Nielsen wird vorgeworfen durch Findsen Staatsgeheimnisse erlangt zu haben. Er sagt gegenüber dem Guardian, dass sich der Fall massiv auf die freie Presse ausgewirkt hat. Weiter führt er aus: „Offizielle Quellen sind jetzt weitgehend verschwunden, weil sie sich nicht trauen, mit uns zu sprechen.”
Die Arbeit von netzpolitik.org finanziert sich zu fast 100% aus den Spenden unserer Leser:innen. Werde Teil dieser einzigartigen Community und unterstütze auch Du unseren gemeinwohlorientierten, werbe- und trackingfreien Journalismus jetzt mit einer Spende.
Zur Quelle wechseln
Zur CC-Lizenz für diesen Artikel
Author: Hasset Tefera-Alemu