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Neues aus dem Fernsehrat (105): ARD und ZDF präsentieren StreamingOS auf Open-Source-Basis

Dieser Artikel stammt von Netzpolitik.org.

Neues aus dem Fernsehrat (105)ARD und ZDF präsentieren StreamingOS auf Open-Source-Basis

Die Zusammenführung der Entwicklung ihrer Mediathek-Software unter dem Titel „Streaming OS“ nutzen ARD und ZDF auch dazu, diese Open Source zu machen. Neben den üblichen Vorteilen von Freier und Open-Source-Software sind damit auch spezifische Vorteile für öffentlich-rechtliche Medien verbunden.


Leonhard Dobusch – in Öffentlichkeitkeine Ergänzungen
ARD und ZDF rücken im Internet näher zusammen, auf Basis von offen lizenzierter Software – Alle Rechte vorbehalten ZDF

Hier bei netzpolitik.org gibt es eine eigene Kolumne zum Thema „Öffentliches Geld – Öffentliches Gut!“. Wechselnde Autor:innen gehen dabei der Frage nach, wo mit öffentlichen Mitteln finanzierte, digitale Güter mithilfe von freien Lizenzen zu digitalen Gemeingütern gemacht werden. Ganz besonders einleuchtend ist das bei öffentlich finanzierter Software-Entwicklung: Hier sollten freie Open-Source-Lizenzen längst der Normalfall sein, auch weil es Herstellerabhängigkeiten und Parallelentwicklungen reduziert sowie regionale Software-Wirtschaft fördert.

In der Realität passiert der Umstieg auf Freie und Open-Source-Software selten im großen Stil, auch wenn immer mehr Open-Source-Komponenten zur Anwendung kommen. Das gilt auch für den Bereich öffentlich-rechtlicher Medien, wo im Zuge der Digitalisierung immer größere Beträge in Softwareentwicklung und -beschaffung fließen. Auch dort kommt natürlich längst an verschiedenen Stellen Open-Source-Software zum Einsatz. Allein die BBC listet auf einer eigenen Seite über 40 Open-Source-Projekte.

„OS“ steht für „Operating System“, aber auch für „Open Source“

Trotzdem ist die heutige gemeinsame Ankündigung von ARD und ZDF, ihre Mediathekentwicklung auf Open-Source-Basis zusammenzuführen, ein bemerkens- und begrüßenswerter Schritt. In der Pressemeldung zum Projekt mit dem Namen „Streaming OS“ ist von einer „der größten Open Source-Initiativen in Deutschland“ die Rede. Die Abkürzung OS steht dabei zwar für „Operating System“, die Doppeldeutigkeit der Abkürzung wird aber sicher gern in Kauf genommen.

Interessant an der Ankündigung ist auch die organisatorische Umsetzung. So soll das Projekt „von einem gemeinsamen, schlank besetzten ‚OS-Office’“ gesteuert werden, zusätzlich aber für den Mediathek-Betrieb eine gemeinsamen Tochterfirma gegründet werden. Dieser Schritt entspricht ziemlich genau einer Empfehlung des von den Ländern eingerichteten „Zukunftsrats“. In dessen Gutachten hieß es:

ARD, ZDF und Deutschlandradio gründen eine gemeinsame, rechtlich verselbstständigte Gesellschaft für die Entwicklung und den Betrieb einer technologischen Plattform, die alle Technologien für digitale Plattformen und Streaming vereinheitlicht und betreibt.

Spezifische Open-Source-Vorteile für öffentlich-rechtliche Medien

Auch ich habe mich seit Jahren dafür ausgesprochen, die Mediathekentwicklung auf ein solides Open-Source-Fundament zu stellen (beispielsweise auf der re:publica 2019, gemeinsam mit Jan-Hendrik-Passoth im Tagesspiegel oder in meiner Rede zum Otto-Brenner-Preis 2023). Neben den bereits angesprochenen, allgemeinen Vorteilen von Open-Source-Software und der besonderen Sinnhaftigkeit bei öffentlicher Finanzierung gibt es aber auch noch weitere Gründe, warum es gerade für öffentlich-rechtliche Medien so sinnvoll ist, Open Source zu forcieren:

  • Open Source als Public Value jenseits des Programms: Zentrale Aufgabe öffentlich-rechtlicher Medien ist es, „Public Value“, also gesellschaftlichen Nutzen zu stiften. Die Open-Source-Initiative von ARD und ZDF belegt, dass das nicht nur in Form von Public-Value-Programmen möglich ist, sondern auch durch Investitionen in digitale Gemeingüter wie eben Open-Source-Software.
  • Open Source als Unterstützungs- und Kooperationsangebot an private Medien: Verbunden damit sind auch Potenziale zur Stärkung des Medienstandorts Deutschland. Viele Komponenten digitaler Medienangebote sind über verschiedene Anbieter hinweg gleich, werden aber trotzdem parallel entwickelt. Für private Medienhäuser bietet der Einsatz von (Teilen von) Streaming OS die Möglichkeit für Kosteneinsparungen in Bereichen, die nicht wettbewerbsdifferenzierend sind.
  • Open Source als unilaterale Europäisierung: Vor allem aber ist Streaming OS auch eine Einladung an andere öffentlich-rechtliche Medien in Europa, mit einzusteigen. Allerdings ohne, dass vorab in langen Meetings ein (ohnehin unrealistisches) gemeinsames Softwareprojekt definiert wird. Stattdessen ist Streaming OS ein Angebot zur Kooperation, ohne sich völlig in wechselseitige Abhängigkeiten zu begeben. Im Zweifel erlauben es Open-Source-Lizenzen immer, auf Basis des bislang gemeinsam entwickelten Codes getrennte Wege zu gehen.

Zusammengefasst ist es also überaus erfreulich, dass es ARD und ZDF nicht dabei belassen, die Entwicklung ihrer Mediathek-Software unter einem Dach zusammenzulegen, sondern diesen Schritt dazu nutzen, auf Open Source zu setzen. Die ohnehin notwendigen Änderungen und Neuentwicklungen bieten dafür das perfekte Gelegenheitsfenster. Bleibt zu hoffen, dass viele andere öffentlich-rechtliche Medien in Europa, allen voran die Schweizer SRG und der Österreichische ORF, auf den Open-Source-Zug aufspringen.

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Author: Leonhard Dobusch

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