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Die Vereinten Nationen wollen mit dem „Global Digital Compact“ weltweite Leitlinien für ein offenes, freies und sicheres Internet definieren. Digitale Commons müssen im Zentrum der Strategie stehen.
Wir brauchen Digital Commons wie wir Parks im Analogen brauchen. – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Martins CardosoNicht weniger als unsere globale digitale Zukunft steht auf der Agenda der Vereinten Nationen (UN). Diese Zukunft wollen die UN in verschiedenen Bereichen gestalten. Mit den „Guidelines for an Internet of Trust“ soll geklärt werden, was inhaltlich erlaubt ist und was nicht – auf Plattformen etwa.
Zuletzt wollen die UN mit dem Global Digital Compact (GDC) die Frage beantworten, wie menschliche Entwicklung mit digitalen Hilfsmitteln gelingen kann. Noch stehen Konsultationen an. Im September 2024 sollen auf dem Summit for the Future gemeinsam verabschiedete Papiere gefeiert werden.
Der Entwicklung von globalen nachhaltigen Entwicklungszielen (SDGs) hatten politische Akteur*innen 2015 eine große Bedeutung beigemessen. Für den aktuellen GDC-Prozess interessieren sich die zuständigen Ministerien aber offenbar kaum. Das ist bedauerlich. Denn dadurch gerät etwas unter die Räder, das für die Gestaltung eines offenen, freien und menschlichen Internets essenziell ist: Digital Commons.
Was sind Digital Commons?
Digital Commons, ähnlich wie bei der Allmende, sind gemeinschaftlich genutzte und verwaltete Güter. Nur sind es im Digitalen eben nicht natürliche Ressourcen wie Gewässer, Landflächen oder Wälder. Digital Commons entstehen häufig erst in einem gemeinschaftlichen Prozess, dem eine gemeinsame Idee zugrunde liegt. Etwa die Idee des Freien Wissens, das Menschen unentgeltlich in Wikis teilen.
Digital Commons sind geteilte Güter, die sich nicht so leicht verbrauchen – also etwa offene Software und Daten oder digitale Infrastruktur, die alle frei nutzen können. Frei lizenzierte digitale Medien und Kunst gehören auch zu den Digital Commons. Lizenzen wie Creative Commons spielen eine zentrale Rolle, um digitale Güter für die Allgemeinheit zur Verfügung zu stellen.
Die Rolle von Digital Commons in den aktuellen UN-Entwürfen
Im Policy Brief des UN-Generalsekretärs gibt es ein Kapitel zu Digital Commons. Das passt zum Ansatz für den GDC. Das Digitale soll kein Raum der Unterschiede und Trennungen sein. Mit der UN-Strategie sollen Regeln definiert und Prozesse gestaltet werden, die gemeinsames Wachsen ermöglichen und das Verbindende der digitalen Weltgemeinschaft betonen.
Ideen also, die geradezu nach Digital Commons verlangen. Jedoch wirkt dieses Kapitel – gerade im Vergleich zum KI-Kapitel – recht uninspiriert.
Die Vereinten Nationen sollten digitale Räume analog zum öffentlichen Raum betrachten, um sie zu gestalten. Staatliche Akteur*innen müssen Verantwortung dafür übernehmen, dass das Internet ein sicherer und offener Ort ist, an dem Teilhabe für alle möglich ist. Sie müssen Regeln analog zum öffentlichen Raum definieren – und durchsetzen.
Auch im Digitalen sollte es öffentliche Räume wie Parks geben. Und zwar als sichere Treffpunkte, an denen Menschen unabhängig von einer Markt- und Konsumlogik Eigeninitiative entwickeln und Verantwortung für die Zukunft übernehmen. Solche Orte erlauben im Digitalen, was analog kaum möglich ist: grenzenlose Zusammenarbeit, Solidarität und unendlich teilbare Wissensressourcen. Wikipedia und die vielen Wikimedia-Projekte sind ein Beispiel dafür.
Weg vom nationalen Denken
Wenn es um digitale Technologien, Anwendungen und Infrastruktur geht, wird zu oft in Besitzkategorien oder nationalen Vorteilen gedacht. Das zeigt auch die internationale Datenstrategie der Bundesregierung – auch wenn sie sich gegen Marktmonopole wendet.
Wenn aber die Prinzipien der Digital Commons global umgesetzt werden, etwa im Bereich der digitalen Infrastrukturen, wird es weniger Abhängigkeiten geben. Weil alle auf digitale Technologien zugreifen und diese souverän und strategisch nutzen und weiterentwickeln können.
Organisationen der internationalen globalen Zivilgesellschaften arbeiten schon seit Jahren vernetzt und können den Verhandlungsführer*innen zum GDC gute Beispiele liefern, wie ein offener, digitaler, gemeinwohlorientierter Raum aussehen sollte – und welche Vorteile für die menschliche Entwicklung schon jetzt nachweisbar sind.
Der vor kurzem erfolgte Austausch zwischen Fachministerien und Stakeholder*innen aus der Zivilgesellschaft zum GDC zeigt, dass zivile Akteure staatliches Handeln und konkret die Arbeit am GDC positiv unterstützen können.
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Author: Friederike von Franqué